Bitte schön lächeln. Klick. Diese Fotografie ist ein klitzekleiner Augenblick in einer hundertjährigen Geschichte. Das Bild, aufgenommen im Juni 2003 in Mailand, versammelt fünf Personen vor einem klassisch braunen Hintergrund: Paolo, Benedetta, Laura, Gildo und Anna Zegna. Es fehlen Andrea, Renata und Elisabetta. Mit ihnen wäre die vierte Generation der Zegnas komplett.

Dieses Bild zeigt die Unternehmerfamilie. Ganz an der Spitze der Gruppe, als scheinbar Grösster angeordnet, steht Ermenegildo, genannt Gildo. Zusammen mit den anderen vier stösst und reisst er eine Firma, die heute in vielen Ländern Marktführer im obersten Männermodesegment ist. Alle zusammen sind die Marke Ermenegildo Zegna.

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Ermenegildo Zegna. Was für ein Name! Des Italienischen nicht Mächtige haben ihre liebe Mühe, ihn auszusprechen. Einmal prononciert, bleibt er unvergesslich. Um vergessen zu werden, kostet er zu viel. Unter 2000 Franken ist einer der massgeschneiderten Anzüge aus dem im norditalienischen Trivero ansässigen Hause nicht zu haben.

Tom Cruise trägt Zegna. Der Lieblingsschauspieler der Cohen-Brüder, John Turturro, ebenfalls. Am Rodeo Drive in Beverly Hills erwerben die Stars den feinen Stoff. Zegnas Geschäft floriert vor allem im wichtigsten Markt: in den USA. Bald vierzig Prozent des Umsatzes stammen aus den Staaten. Das Business boomt. In einem Krisenjahr notabene. Expansiv soll es weitergehen (siehe «Der Masterplan des Clans» auf Seite 107). In fünf Jahren wollen die Zegnas an der Umsatzgrenze von einer Milliarde Euro angelangt sein.

Grund genug, die Korken knallen zu lassen. Doch was tun die Zegnas stattdessen? Sie lächeln an der Fotosession zurückhaltend.

Warum hat sich auf der Fotografie Paolo, der eine CEO, der ganz links sitzt, vom Rest der Gruppe abgewandt? Versteht er sich nicht mit dem Co-CEO und Cousin Gildo? Warum umarmt Gildo seine Schwester Anna, ganz rechts, und Cousine Laura, in der Mitte des Bildes, gerade so, als ob er sie von den anderen beiden fern halten möchte? Was macht Benedetta alleine, fast unverstanden auf dem Boden? Hat diese Gruppe, die homogen erscheinen möchte, ohne dass ihr dies gelingt, ein Problem?

Spezialisten wie Professor Joachim Schwass vom IMD in Lausanne sprechen davon, dass Familienunternehmen spätestens in der vierten oder fünften Generation grösste Probleme hätten. Weil die Familien schlicht zu gross werden.

Eine internationale Studie der Beratungsfirma Grant Thornton hat dies jüngst empirisch gestützt. Die Erhebung hat in 26 Ländern 8700 Familienunternehmen, deren Sorgen und Risiken ausgewertet. Weit verbreitet ist die Furcht vor möglichen Veränderungen, wenn sich aussen stehende Anteilseigner am Geschäft beteiligen. Durchs Band sehen die Familien Interessendifferenzen als Gefahr fürs Unternehmen.

Mag alles logisch sein. Bei den Zegnas gilt das umgekehrte Prinzip: In der Heterogenität dieses Clans liegt seine grösste Stärke. Die einzelnen Teile ergänzen sich (siehe «Seit vier Generationen im Geschäft» rechts). Ein einziger Zegna würde beim Unterfangen scheitern, ein globales Unternehmen zu schaffen – und wäre der bescheidene Weber in den Alpen nördlich von Biella geblieben.

«Wir wissen um unsere Grenzen und Schwächen. Das ist unser Vorteil», sagt Gildo Zegna, der eine CEO und die starke Kraft dieser Familie. Weil sie ihre Aufgaben genau abgegrenzt haben, sind die Zegnas erfolgreich.

Klingt einfach. Nur: Wie unterschiedlich sind die Zegnas? Wer sind sie?

Gildo in St. Petersburg

Ermenegildo, genannt Gildo, der Sohn von Angelo, der Enkel von Ermenegildo, der Urenkel von Angelo: Gildo Zegna sitzt in einem Fauteuil. Im ersten Stock des eben zu eröffnenden Zegna-Ladens am Newsky Prospekt in St. Petersburg. Ein Emmissär von Zegnas russischem Geschäftspartner bittet darum, zum Eingang herunterzukommen. Der wichtigste Gast treffe gleich ein. Gildo blickt kurz auf und sagt: «Erst soll der Mann da sein. Dann werden wir sehen.»

Der Mann ist Wladimir Jakowlew, Gouverneur von St. Petersburg, einer der mächtigsten Menschen Russlands. Die Kolonne seiner schwarzen Limousinen durchpflügt die Chaussee. Die Leibwächter stehen unter dem Vordach im Erdgeschoss bereit. Die geladene Hautevolee St. Petersburgs tuschelt.

Gildo Zegna aber zieht nur die Augen hoch und wendet sich wieder seinem Gesprächspartner zu. Der Abgesandte macht sich davon.

Gildo Zegna ist der Gouverneur des klassischen Anzuges, der Herrscher über die elegante Linie, die Weltmacht unter den Stofffabrikanten. Was kann Jakowlew, der Bürgermeister, dagegen bieten: schwarze Limousinen? Nichts anderes als pure Vergänglichkeit im Vergleich zur zeitlosen Grazie des Garns. Die Jakowlews dieser Welt kommen und gehen – die Zegnas bleiben. Im ersten Stock.

Gildo sieht sich selber stolz, bisweilen an der Grenze zur Arroganz in der langen Linie der Tradition. «Jede Generation muss in diesem Unternehmen ihr eigenes Stockwerk bauen», sagt Gildo. Das klingt nicht zufällig wie eine eidesstattliche Erklärung. Pflichtbewusstsein und Verantwortungswille heissen die vererbten Schlüsselwörter des streng katholischen Grossvaters. Sie sind im genetischen Code der Zegnas enthalten. «Die Grundwerte in unserer Familie sind immer dieselben: harte Arbeit, Disziplin, Widerstandskraft, Zielgerichtetheit, Respekt vor der Familie.» Das sagt Gildos Vater. Die Worte könnten von Gildo stammen.

Seit 1982 ist Gildo im Unternehmen aktiv. Zuvor hat er unter anderem in den USA studiert. Er sagt: «Ich liebe Amerika.» In den USA hat er den ersten Beweis seines Könnens abgeliefert. Er hat Ende der Achtzigerjahre das Zegna-Geschäft in Schwung gebracht. Er hat begriffen, dass er stellvertretend für die Firma, für die Marke steht, und er hat mit sich selber geworben. Er ist ein Marketeer geworden.

«Ich bin sicherlich der Aggressive», sagt Gildo Zegna über seine Position im Familienbild. Expansionslust, Produkteausweitung, Akquisitionen, Vorwärtsschreiten und Geschwindigkeit sind Wörter aus seinem Vokabular. Und auch sein Körper spricht diese Sprache: immer auf dem Sprung oder schon wieder weg. Der drahtige Mann sieht Kleider, teures Tuch – und scheint dabei an Zahlen und Ziffern zu denken. Er hat den Masterplan ständig abrufbereit im Kopf.

Anna in Mailand

Anders seine zwei Jahre jüngere Schwester Anna. Ganz anders. Wenn sie da ist, bleibt sie erst einmal. Vor eine Wandmalerei von Matisse in der Hermitage von St. Petersburg steht sie minutenlang in Gedanken versunken. Sie füllt die Familienbilder aus. Und sie ist die ideale Ergänzung zum Bruder, den ihr Vater 1998 zu einem der beiden Statthalter ernannt hat.

«Gildo, komm schnell nach Mailand», sagt Anna am Telefon. «Hier ist ein Dirigent, ein Verrückter, den ich dir vorstellen möchte.»

Smarte Sippe
Der Masterplan des Clans


Die Zegna-Gruppe ist im Krisenjahr 2002 um 14 Prozent gewachsen.


Die in Mailand domizilierte Gruppe Ermenegildo Zegna steht als Synonym für elegan-te, klassische und teure Männer- und Sportmode, die sie in mehr als 390 Läden in 35 Ländern verkauft. Im vergangenen Jahr hat die Gruppe mit 5000 Angestellten rund 686 Millionen Euro Umsatz generiert: 85 Prozent mit Bekleidung und Accessoires (Krawatten), 15 Prozent mit dem ursprünglichen Geschäft der Stofffabrikation.


Ersteres, die Herrenkonfektion, entwickelt sich international überdurchschnittlich schnell. Die durch die Familie Zegna kontrollierte Firma ist im letzten (Problem-)Jahr um knapp 14 Prozent gewachsen. So soll es gänzlich eigenfinanziert weitergehen. Zegna ist schuldenfrei.


Die Familie hat mit den beiden CEOs Paolo und Gildo Zegna grosse Pläne. Sie will das heute auf die USA (rund 35 Prozent des Umsatzes), Europa (40 Prozent) und Asien (23 Prozent) konzentrierte Geschäft mit der Marke Zegna auf allen Kontinenten ausbauen und geht dabei Schritt für Schritt vor.


Vorerst nur in den Vereinigten Staaten wollen die Zegnas zudem ihre 1999 erworbene, heute noch kleine Frauenmodefirma Agnona weiterentwickeln. Mit dem für die Familie vollkommen neuen Geschäft peilen sie mittelfristig 50 Millionen Euro Umsatz an.


Da die Zegnas eine vorsichtige, smarte Sippe sind, streben sie weiteres Wachstum mittels Joint Ventures an. Diese sind weit weniger kapitalintensiv als Akquisitionen und garantieren dennoch einen maximalen Wissensgewinn. Als die interessantesten Allianzen gelten jene mit dem Florentiner Schuhmacher und Lederspezialisten Salvatore Ferragamo (seit 2002) und mit dem Modegiganten Armani.

Gildo, er, der normalerweise abends früh zu Bett geht, sagt: «Nein, nein.» Und kommt dann doch. Und bleibt.

Bis nach drei Uhr morgens unterhält er sich in jener Nacht bei der Schwester mit Valery Gergiev, einem der bekanntesten Dirigenten der Welt. Dieser gewinnt den CEO für ein kulturelles Engagement, das in der jährlichen Vergabe von Stipendien an junge russische Künstler gipfelt.

Nach dieser Nacht sponsert Ermenegildo Zegna regelmässig Konzerte. Das bisher schönste im Mai dieses Jahres im legendären Mariinsky-Theater in St. Petersburg. Valery Gergiev, eine Mi-schung aus Klaus Kinski und Jack Nicholson mit Taktstock, hetzt wie ein Berserker durch die Partitur Modest Mussorgskys. Das Weltfriedensorchester mit illustren Solisten folgt ihm nach nur zwei Tagen gemeinsamen Vorbereitens beinahe perfekt.

Vorne im Saal sitzt Anna, verantwortlich für Marketing und Kommunikation bei Zegna. Ergriffen, staunend. Eine Reihe vor ihr Gildo. Er blickt respektvoll auf die Welt, die ihm Anna eröffnet hat. Auf Gergiev. Auf die Kunst der Improvisation. Auf die Besessenheit. Qualitätsarbeit fasziniert ihn.

Paolo in Sydney

Darin ist er Paolo ähnlich. Paolo, Sohn des vor drei Jahren verstorbenen Aldo, Enkel von Ermenegildo, Urenkel von Angelo, dieser Paolo ist Gildos Cousin und teilt sich mit ihm das Amt des CEO. Er ist der Längste in der Familie, deshalb sitzt er während des Fotoshootings im Juni auf einem Stuhl. Die optische Harmonie wäre zerstört worden, hätte er sich hingestellt. Er hätte alle überragt.

Die Zegnas sind stets bemüht, der Ego-Falle zu entgehen. So sitzt Paolo am Rand. Geduldig. Bescheiden. Langsamer als Gildo.

Paolo fliegt zweimal im Jahr nach Australien. Besucht Schaffarmen. Stets auf der Suche nach den besten Rohstoffen. So hat es bereits Ermenegildo Zegna senior, der 1966 verstorbene, als «fondatore» verehrte Gründer der Zegna-Gruppe, gehalten.

Feudale Endprodukte verlangen nach den besten Basisstoffen. Wolle aus Neuseeland und Australien, Mohair aus Südafrika, Kaschmir aus der inneren Mongolei. Paolo ist der produktbezogenste der Familie.

In Sydney verleiht Paolo jedes Jahr die «Vellus Aureum Trophy» für die beste Wolle Australiens. 10,3 Tausendstelmillimeter dünn ist der Faden des Siegers. Alles, was kleiner als zwölf Mikron ist, hält Paolo für Weltklasse. Die Regel, die in der Branche gilt: je dünner der Faden, desto besser, desto teurer.

Über Paolo und die gemeinsame CEO-Position sagt Cousin Gildo: «Er ist ausgeglichener als ich. Manchmal bin ich zu aggressiv – dann kann er mich zurückhalten. Das ist eine gute Kombination.»

Paolo und Gildo haben sich ihre Arbeit klug aufgeteilt. Geografisch ist Paolo für Asien zuständig, Gildo für Europa und die USA. Paolo betreut die Stofffabrikation, das ursprüngliche Geschäft, das noch immer 15 Prozent des Umsatzes beiträgt, sowie das neue Frauenmodebusiness mit der 1999 zugekauften Marke Agnona.

Gildo, Anna, Paolo. Bleiben zwei, die auf der Fotografie zu sehen sind. Benedetta, mit 38 Jahren die Jüngste der Generation, am wenigsten lange im Geschäft. Sie betreut die firmeneigene Verkäuferschule und verantwortet Veranstaltungen. Sie kommt mit Verzug ins Business. Die grossen Aufgaben scheinen verteilt zu sein.

Laura (53), Paolos älteste Schwester, hat ebenfalls eine Nische gefunden. Sie widmet sich ganz dem hundert Quadratkilometer grossen Naturschutzprojekt «Oasi Zegna» der Familie bei Trivero.

Die fünf lächeln. Die Marke Ermenegildo Zegna: Das sind sie. Und doch blicken sie ein wenig scheu.

Angelo in St. Moritz

Wenn in jenem Moment Gildos Vater das Bild betreten würde, wäre der wahre Patron zu sehen. Angelo Zegna, dritte Generation. Der Chef der Chefs. Achtzig Jahre alt wird er im nächsten August. Am Präsidenten der Verwaltungsrates geht nichts vorbei. Ob Strategiefragen, Akquisitionsdiskurs, Investment-Debatte, Gildos Vater entscheidet.

Ein Beispiel: Die Familie hat auf der Spitze der verrückten Boomphase der Modebranche heiss gestritten. In St. Moritz, in einem Domizil von Angelo Zegna, mag zum Ausgang der Neunzigerjahre die finale Sitzung stattgefunden haben.

In jener Zeit holen sich die Pradas, Guccis oder Tod’s über die Börse immer neues, billiges Geld vom Kapitalmarkt. Sie finanzieren auf diese Weise ihre rasanten Expansionen und glauben fest an den Leverage-Effekt.

Für die Zegnas stehen drei Varianten zur Diskussion: Börsengang, Verkauf oder Kapitalverflechtung mit einem anderen Modeunternehmen. Die Zegnas wählen den vierten Weg – den Alleingang, verfeinert durch punktuelle Allianzen.

Tuchzentrum Norditalien
Der Stoff, der aus den Alpen kommt


Die Zegna-Gruppe produziert in Italien, Spanien, Mexiko und in der Schweiz. Im Tessin ist das Unternehmen der grösste private Arbeitgeber.


Angelo Zegna senior hatte bereits im 19. Jahrhundert in seinem nördlich von Biella in den Alpen gelegenen Heimatstädtchen Trivero begonnen, das klare, weiche, Richtung Poebene fliessende Wasser für eine Weberei zu nutzen und hochwertigen Stoff für Kleider anzufertigen. Hier, im Dreieck zwischen Mailand, Turin und Schweizer Grenze, entstanden früh die besten Stoffe der Welt.


In der Associazione Ideabiella, im Verband der Weber aus Biella, sind heute sechzig Firmen vertreten, so zum Beispiel Zegna, Cerruti, Barbera, Guabello, Garlanda, Loro Piana und Reda (siehe Karte rechts). Gucci, Romeo Gigli, Yves Saint Laurent, Hugo Boss und andere mehr sind ihre Kunden.


Den unternehmerischen Durchbruch schaffte Ermenegildo Zegna 1910. Er kaufte die Rohmaterialien nur noch in deren Ursprungsländern ein, investierte konsequent in neue Technologien und begann erstmals für Stoffe zu werben. Als knapp Zwanzigjähriger gründete er die Zegna-Gruppe, die seine beiden Söhne, Aldo und Angelo, weiterentwickeln sollten.
Diese starteten die Herrenkonfektion und schufen eine vornehme Herrenbekleidungslinie. Es sollten bis heute Strickwaren, Accessoires, Sportbekleidung und Schuhe folgen.


Die Zegna-Gruppe ist ein internationales, vertikal integriertes Unternehmen. Heute produziert sie in Italien, Mexiko, Spanien und in der Schweiz. Fünf Millionen Franken hat die Familie in den letzten zwei Jahren in die Fertigungsstätten und Logistiksysteme im Tessin investiert. Mit 900 Angestellten ist Zegna grösster privater Arbeitgeber des Kantons.

Hilfe aus Deutschland

Gildo Zegna sagt: «Mein Vater war sehr wichtig in diesem Moment. Er blieb sehr stark. Er symbolisiert die Tradition. Ich war die Schlüsselfigur, welche die Firma schnell weiterentwickeln wollte. Er war die Schlüsselfigur, die uns geholfen hat, weiterhin der eigenen Tradition treu zu bleiben. Wir haben uns gefunden. Das ist echt gelebtes Familienunternehmen.»

Gildos Vater, Angelo, hat entschieden. Zusammen mit seinem Bruder Aldo hat er die vierte Generation, die Kinder, lange getestet. Aldo hat Paolo aufgebaut, Angelo Gildo. Genau so werden es Gildo und Paolo dereinst mit der heute noch im Kindesalter steckenden fünften Generation halten: «Wir müssen noch definieren, wer die unternehmerischen Fähigkeiten hat», sagt Gildo. Die Ausbildungen sollen die Kinder im Ausland, in fremden Häusern, erfahren.

Die Zegnas haben bei der schwierigen Nachfolgeregelung noch nie auf Hilfe von aussen verzichtet. Das sei eine absolute Erfolgsgarantie, attestierten die Spezialisten. Zegna hat stets geschickt externe Lotsen angeheuert und tut dies noch immer.

Früher hat ein Australier im Verwaltungsrat geholfen: Sidney Sinclair hat für Aldo und Angelo Zegna viele Jahre die neutrale, unabhängige Stimme verkörpert. Heute setzen Paolo und Gildo Zegna auf Günther Greiner, den ehemaligen Citygroup-Banker in New York und vormals Chef der Citygroup für Deutschland, sowie auf den Italiener Marco Vitale. Der Deutsche Greiner ist Zegnas Auge in den amerikanischen Markt.

In der japanischen Tochterfirma sitzt ausserdem mit Vittorio Volpi eine weitere unabhängige Person, die seit mehr als zwanzig Jahren in Japan lebt. Der fliessend japanisch sprechende Italiener überblickt den wichtigen japanischen und asiatischen Markt.

Familie in Portofino

Der letzte Mosaikstein für dieses Familienbild findet sich in Portofino, an der italienischen Küste zwischen Genua und den Cinqueterre. Dort, wo die Bodenpreise so hoch sind wie sonst in Italien nur in Cortina oder Amalfi, trifft die Familie auf die Modewelt. Dort mischen sich Bescheidenheit und Zurückhaltung der Zegnas mit Imponiergehabe und Anerkennungssucht der Stars und Starlets.

Disneyland, Glamour des Segelsports, berühmte Welt. «Alinghi»-Triumphator Ernesto Bertarelli trinkt unter der Laube mit Gattin Dona ein Bier. Prada-Besitzer Bertelli legt mit seiner Jacht an. Model Ewa Herzegowina schlendert mit einem welkenden Fussballstar zum Pier. Am Nachbartisch strahlt Maria Grazia Cucinotta, die Schöne aus dem Film «Il Postino». Ein Schiffsmagnat aus den USA flaniert vorbei.

Die Zegnas haben geladen. Jedes Jahr lassen sie hier ihre Regatta Trofeo Zegna vom Stapel laufen. Paolo steht dann am Steuer eines Bootes. Gildo parliert mit Geschäftspartnern, wie mit den Ferragamos aus Florenz, mit denen er letztes Jahr ein Joint Venture gestartet hat. Anna ist hinter der Kinderschar der fünften Generation her.

Abends beehrt die piemontesische Familie das mondäne Dorf mit einem Feuerwerk. Der neue Laden ist eröffnet. Danach stehen die Zegnas noch lange auf dem Dorfplatz. Plaudern, schlendern, treffen Freunde.

Nur Gildo geht früh zu Bett. Bevor er verschwindet, sagt er noch: «Wir sind nicht die Avantgarde, wir sind das Gegenteil.» Die Zegnas bleiben auch in diesem von Paparazzi streng protokollierten Wahnsinn eine normale italienische Familie, in der die Rollen und die Pflichten vergeben sind.