Die jüngsten Ergebnisse bestätigen Ihren Kurs. Doch der Erfolg von Lindt & Sprüngli ist stark an Ihre Person gekoppelt. Haben Sie für eine Nachfolge gesorgt?

Ernst Tanner: In der Konzernleitung sind drei Personen, die bereits seit über zehn Jahren mit mir zusammenarbeiten. Die CEO der vier grössten Fabrikationsfirmen, Schweiz, Deutschland, Frankreich und USA, sind ebenfalls schon seit über zehn Jahren bei Lindt & Sprüngli. Eine grosse Anzahl dieser Personen könnte die Gruppe auch leiten.

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Haben Sie jemand bestimmten im Visier?

Tanner: Ich habe noch keine Entscheidung gefällt.

Innerhalb des obersten Führungskaders gibt es keine Frau. Also steht auch keine Frau als Nachfolgerin zur Auswahl?

Tanner: Wir haben sehr viele Frauen auf der zweiten und dritten Stufe. In der ersten Stufe fehlen leider Frauen. Wir sind aber ein sehr frauenfreundliches Unternehmen. Viele Frauen sind nicht mobil, haben Familie und sind limitiert, was unsere Internationalisierung betrifft.

Wann treten Sie ab?

Tanner: Wohin?

Sie werden im Juli 61 Jahre alt.

Tanner: Man will das Pensionsalter doch auf 67 Jahre heraufsetzen! Momentan denke ich nicht daran, zurückzutreten. Wir haben uns für die kommenden Jahre ambitiöse Ziele gesetzt: Bis spätestens 2015 wollen wir den Gruppenumsatz auf 5 Mrd Fr. verdoppeln, in spätestens fünf Jahren in Nordamerika die Milliarde Dollar erreichen und bis dann den chinesischen Markt so gut kennen, dass dieser zum nächsten Wachstumsmotor wird.

Sie wollen also noch sieben Jahre bleiben?

Tanner: Nein, so lange nicht. Zwischen heute und meinem 67. Altersjahr wird sich schon etwas ändern.

Werden Sie als CEO zurücktreten, aber VR-Präsident bleiben?

Tanner: Es ist meine Absicht, beide Funktionen noch ein paar Jahre zu behalten und mich später dann ein paar weitere Jahre auf das VR-Präsidium zu konzentrieren, sofern alles gut läuft.

Ihre Machtballung ist gewaltig: Sie sind CEO, VR-Präsident, Vorsteher des grössten Aktionärs, des Fonds für Pensionsergänzungen bei Lindt & Sprüngli, und im Verwaltungsrat der CS und Swatch.

Tanner: Eine Machtballung ist das sicher nicht.Wir sind nur ein 2,5-Mrd-Fr.-Konzern. Zudem braucht es in der Schweiz starke Schweizer Verwaltungsräte. Es gibt nicht so viele Personen, die Schweizer sind und auch im Ausland langjährige berufliche Führungserfahrungen in der Konsumgüterindustrie besitzen.

Stattlich ist Ihr Konzern sicherlich, sonst wäre die Aktie nicht rund 32 000 Fr. wert. Ist das nicht zu hoch bewertet?

Tanner: Der Markt bestimmt das so. Die Anleger schätzen uns als sicheren Wert, und die Analysten durchleuchten heute im Detail die Unternehmen, nicht nur in Bezug auf den Ebit, sondern bezüglich der Qualität des Managements, der Produkte und der Fähigkeit des Unternehmens, sich in den Märkten durchzusetzen.

Denken Sie an einen Aktiensplit?

Tanner: Im Moment noch nicht. Wenn der Kurs zwischen 40000 bis 80000 Fr. liegt, würden wir allenfalls daran denken. Das letzte Mal haben wir die Aktie gesplittet, als sie bei 40 000 Fr. lag. Es gibt keine Studie, die belegt, dass nach einem Aktiensplit die Kurse schneller steigen, als wenn die Aktie schwer ist. Wir haben in den letzten zwölf Jahren für unsere Aktionäre einen Mehrwert von 6 Mrd Fr. geschaffen, die Börsenkapitalisierung also vervierzehnfacht. Das ist eine Aktie für ein langfristiges Investment. Und zudem bieten wir ja noch unseren Partizipationsschein an, der mehr gehandelt wird.

Überlegen Sie sich einen Aktienrückkauf?

Tanner: In den nächsten drei Jahren werden wir zwischen 500 bis 600 Mio Fr. in unsere Produktion investieren. Das gibt uns Vorteile gegenüber der Konkurrenz, weil wir so weltweit die modernsten Technologien besitzen. In dieser Zeit ist kein Aktienrückkauf vorgesehen. Danach werden die Investitionen in der Grösse von 150 bis 200 Mio Fr. pro Jahr liegen. Dann würden wir für einen Aktienrückkauf über genügend Cash verfügen, sofern keine Akquisitionen getätigt werden.

Zurzeit wollen Sie nichts erwerben?

Tanner: Das stimmt. Wenn wir etwas kaufen, muss es ein guter Name sein und Premiumprodukte vorweisen. Wir kennen jede Firma in der ganzen Welt. Es gibt kein grösseres Unternehmen, das zu uns passt. Wir investieren den Gewinn lieber in die Marke Lindt, wo wir pro Jahr 300 Mio Fr. mehr Umsatz generieren können. Das bringt mehr. Ich kenne keine Firma im Schokoladengeschäft, die lukrativere Perspektiven als Lindt bietet.

Dann wollen Sie also organisch wachsen. Wo soll das geschehen?

Tanner: Zwei Drittel des Schokoladenkonsums finden in Europa und Nordamerika statt. Wir konzentrieren uns vorderhand auf diese Gebiete, die auch die anspruchsvollsten sind. Diese Märkte sind gesättigt. Auch die Konsumenten und der Handel, der hochkonzentriert ist, sind sehr anspruchsvoll. Wir müssen dem Handel Test-resultate unserer Produkte, Tests mit den Konsumenten präsentieren und ein Paket anbieten, wie wir sie werblich unterstützen wollen. Das ist ein Teil unseres Erfolges: Wir testen, testen, testen, seien das neue Rezepturen, neue Shopkonzepte oder neue Kommunikationswege.

Nestlé hat mit Cailler getestet. Sind Ihre Tests auch 24 Mio Fr. teuer?

Tanner: Nein, nein, wir testen zuerst mit Konsumentenpanels bevor wir in einen Markt gehen.

Cailler will so stark werden wie Lindt.

Tanner: Das wurde schon oft gesagt. Im Moment will jeder so stark werden wie Lindt. Mövenpick sagt dasselbe in Deutschland. Das ist ein Kompliment.

Sie werden oft kopiert.

Tanner: Aber unsere Rezepturen werden immer komplizierter, sodass es schwieriger wird, uns zu kopieren. Deshalb investieren wir so viel in Technologie.

Kakao wird teurer. Haben Sie diesbezüglich vorgesorgt, indem Sie die Kakaopreise für die Zukunft bereits festnagelten.

Tanner: Die Preise für Edelkakao steigen in der Tat zurzeit stark. Wenn die Kosten grösser werden, muss ein Unternehmen die Fähigkeit haben, diese dem Konsumenten weiterzugeben. Nicht nur die Kosten für das Rohmaterial steigen, sondern auch die für Löhne und Transport. Mit einer starken Marke können sie Preise anheben, vor allem wenn sie Produkte mit speziellen Rezepturen anbieten, bei denen sie höhere Preise auch rechtfertigen können.

Und wie steht es mit der Expansion in andere Kontinente?

Tanner: Einer der Gründe, weshalb es für uns in Amerika so gut läuft, ist unser Management, das in Amerika viel Erfahrung mitgebracht hat, aber auch, dass wir uns Zeit liessen, diesen Markt zu studieren. Es ist für mich ein Highlight, dass wir letztes Jahr in Nordamerika über 0,5 Mrd Fr. umsetzten. Ghirardelli und Lindt sind die zwei am schnellsten wachsenden Marken in den USA. In anderen Ländern gehen wir nach dem gleichen Prinzip vor. Wir haben zum Beispiel ein Büro in Hongkong. Der Markt dort ist aber noch klein. In China beträgt der gesamte Schokoladenmarkt erst 700 Mio Fr. Das entspricht der Grösse des Schokoladenmarktes von Norwegen.

Und wie gehen Sie global vor?

Tanner: Im Duty-free-Bereich sind wir stark. Das ist für die globale Präsenz entscheidend. In grossen Flughäfen sind wir Nummer eins. Mit eigenen Organisationen sind wir in Dubai, Mexiko und Australien präsent, das sind noch keine grossen Märkte.

Weshalb wollen Sie nur 6 bis 8% wachsen und einen Profit von 8 bis 10% ausweisen?

Tanner: Das sind mittel- und langfristige Ziele. Mit grösster Wahrscheinlichkeit werden wir 2007 aber mehr erreichen.

Kann Lindt nicht stärker wachsen, weil es an die Kapazitätsgrenze gestossen ist?

Tanner: Wir sind selber überrascht, wie stark in bestimmten Gebieten, etwa in Amerika, die Nachfrage nach unseren Produkten ist, sodass wir mit der Produktion fast nicht mehr nachkommen.

Haben Sie Engpässe in der Produktion?

Tanner: Nein, aber wir haben in jeder Fabrik eine Baustelle, und zwar eine grössere.

Kalorienreduzierte Wellnessschokolade ist für Sie keine Möglichkeit?

Tanner: Nein. Denn Lindt ist ein Genussmittel. Wir sind davon überzeugt und unser Erfolg gibt uns Recht. Wenn jemand Lindt konsumiert, will er an Genuss denken und nicht an Kalorien. Wir kennen die Konsumenten und wissen ganz genau, wie eine Frau eine Lindorkugel geniesst.

Wie tut sie das?

Tanner: Ich will nicht alles verraten. Wir unterscheiden zwischen Selfconsumption, Sharedconsumption und Geschenkprodukten.

Und Frauen geniessen gerne selber.

Tanner: Richtig.

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Steckbrief

Name: Ernst Tanner

Funktion: CEO und VR-Präsident Lindt & Sprüngli

Alter: 60

Wohnort: Erlenbach ZH

Familie: Verheiratet, ein Sohn

Karriere

- 1986–1990 Vice President International bei Johnson & Johnson

- 1990–1993 Mitglied der Konzernleitung Johnson & Johnson Europe

- Seit 1993 CEO Lindt & Sprüngli

- Seit 1994 CEO und Verwaltungsratspräsident Lindt & Sprüngli

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Lindt & Sprüngli

Rekordergebnis

Der Schokoladenhersteller steigerte den Reingewinn 2006 um 21% auf 209,9 Mio Fr. Das Betriebsergebnis erhöhte sich um 19,4% auf 296,9 Mio, was die höchste Steigerung aller Zeiten darstellt. Letztes Jahr erwirtschaftete Lindt & Sprüngli einen Umsatz von 2,586 Mrd Fr. und erzielte damit ein organisches Wachstum von 15,1%. Die Eigenkapitalquote lag per Ende 2006 bei 54,2%.

Dividendenerhöhung

Angesichts der guten Resultate soll die Dividende um 22,2% auf 275 Fr. pro Namenaktie und auf 27.50 Fr. pro Partizipationsschein erhöht werden.