Wie kann es sein, dass etwas, das Ende September für 18 Franken verkauft worden ist, heute nur noch einen Bruchteil davon wert sein soll? Dannzumal führte die UBS den Börsengang der Dübendorfer Softwarefirma Esmertec an. Heute hat sie verärgerte Kunden und ein Imageproblem.
Dabei überlegen sich weitere Firmen ein Going-public, und die Grossbank möchte das immer noch lukrative Emissionsgeschäft am liebsten nicht mit solchen Abstürzen belasten. «Die UBS muss sich Gedanken über ihre Rolle machen», sagt Bernhard Signorell, Chef von 3V Asset Management und mit gut fünf Prozent wichtiger Aktionär bei Esmertec. Für ihn ist die Sache «noch nicht erledigt», und er glaubt, dass im Prospekt zum Börsengang nicht die ganze Wahrheit gesagt worden sei. Ob es allenfalls zu rechtlichen Schritten gegen die Leadbank kommen werde, könne er noch nicht sagen.
Bei den Kleinanlegern schwankt die Stimmung zwischen enttäuscht und getäuscht. Von den Analysten ist in diesem Fall keine grosse Hilfe zu erwarten. Neben der UBS halfen Sarasin und die Deutsche Bank beim Börsengang. Parallel zum Aktienkurs stiegen die Kursziele auf 25 Franken bei der Deutschen Bank beziehungsweise 30 Franken bei Sarasin. Die Basler erhöhten ihr Kursziel Mitte Januar auf dem absoluten Höchstkurs, kurz vor der ersten Gewinnwarnung. Inzwischen ist aus der Warnung ein veritabler Kurscrash geworden. Alle drei Analysten haben reagiert. Sie legten ihre Kursziele zwischen zwei und fünf Franken fest (siehe unten stehende Grafik «Der Fall der Esmertec»).
«Eigentlich spielt dieses Kursziel in so einem Fall keine Rolle mehr», muss Sarasin-Analyst Christoph Ladner eingestehen. Es gehe um das Signal, und das sei nun klar «verkaufen» – auch auf diesem Kursniveau von gerade mal knapp vier Franken. Alle Berechnungen seien auf starkes Wachstum ausgerichtet gewesen und da dieses Wachstum weggebrochen sei, falle die ganze Bewertung zusammen, rechtfertigt Ladner seinen Fehlschuss.
Statt eines von der Firma erwarteten Umsatzsprungs von 60 Prozent sieht es zurzeit nach einer Halbierung der Verkäufe im ersten Halbjahr auf unter zehn Millionen Dollar aus. «Das zeigt doch, dass die Spitze ihr Geschäft nicht im Griff hat», so Christoph Ladner. Die Spitze? Mittlerweile sind der CEO, die Technologiechefin, der Strategieleiter sowie zwei Gründer abgesprungen.
Ob CEO Alain Blancquart selber abgeschlichen oder aber abgeschoben worden ist, spielt nun keine Rolle mehr. Wichtig sei nur die Zukunft, sagt einer der Investoren. Man sei zwei Jahre lang von den Verantwortlichen angelogen worden, klagt ein anderer. Längst sind Wachstum und Vertrauen verpufft. Besonders riskant für Esmertec: Obwohl der Börsengang gut 60 Millionen Dollar in die Kasse spülte, dürfte der Cashbestand laut Deutscher Bank Ende nächsten Jahres aufgebraucht sein.
Da eine Kapitalerhöhung derzeit kaum in Frage kommt, hoffen einige Grossaktionäre auf einen Verkauf der an sich guten Technologie an einen Konkurrenten (etwa Aplix oder Access). Sarasin-Analyst Ladner spekuliert auf japanische Mitbewerber mit tiefen Taschen.
Esmertec ist inzwischen bei weniger als einem Viertel des Börsengangwerts angelangt. Allerdings könnte der Vertrauensverlust bei Anlegern und Kunden auch zu einem Totalschaden führen: Im September 2008 werden Wandelanleihen im Wert von 30 Millionen Dollar zur Rückzahlung fällig. Und da niemand seine Anleihen in Esmertec-Aktien wandeln will, könnte das für die Dübendorfer zur überschweren Last werden. Falls bis dann nicht noch weitere Überraschungen folgen.