Die Titelmanie der Österreicher bringt uns nüchterne Schweizer gerne zum Schmunzeln. Ganz nah scheint uns dann plötzlich wieder die ferne Monarchie. Beispielsweise bei Jutta Ines Stergner. Die 28-jährige Köchin aus Kärnten nennt sich im östlichen Bürokratendeutsch «Küchenmeisterin». Dabei würde «Küchenfee» viel besser zu dieser schlanken Frau im weissen Leinendirndl passen. Denn was seit einigen Monaten in den Stuben der «Krone» in Grüsch, einem jahrhundertealten Patrizierhaus im unteren Prättigau, vor sich geht, ist nichts weniger als die Verzauberung der Gäste.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Jutta Stergners Weg nach Grüsch war schlaufenreich. Er führte nach der Kochlehre zunächst ins «Paradies», zu Eduard Hitzberger in Ftan. Danach entbehrte der Sprung nach Hollywood nicht einer gewissen Logik: im Restaurant Patina brachte sie es zum Souschef und erleuchtete die Stars und Sternchen. Danach in Europa waren die Stationen Peter Jörimann in St. Moritz, ein Fünfsternhotel in Ibiza und Alain Ducasse in Monaco. Schliesslich ging sie in Grüsch vor Anker, in ihrem Schlepptau Jörimann. Die beiden sind ein Paar.

Wer jetzt denkt, der langjährige Spitzenkoch Jörimann würde den Ton angeben, täuscht sich. Jörimann hat sich in den Service zurückgezogen und die Küche seiner Jutta überlassen. Was für den Gast zweifachen Reiz besitzt: Zum einen erhält er bei Fragen zu einem Gericht kompetente Antwort. Und zum andern kommt er in den Genuss einer Küche, die vor Überraschungen sprüht, spontan und natürlich ist und bei aller Kreativität nie verschnörkelt und überkan-didelt wirkt, sondern gradlinig, verständlich und wunderbar geerdet.

Soll man sich in der traditionsreichen «Krone» – nach mehrjähriger Schliessung und einem gelungenen Umbau durch Stergner und Jörimann im Frühling neu eröffnet – in der Prättigauer oder in der Jürg-Jenatsch-Stube niederlassen? Erstere spielt mit ihrem heimeligen Arvenholzdekor die rustikale Karte. Jutta Stergner wagt gekonnt den Spagat zwischen der österreichischen und der Bündner Küche. Weit auseinander liegen die beiden nicht, zweimal steht der Terroir-Gedanke im Vordergund. Da locken der Serviettenknödel mit Eierschwammerlsauce, der Tafelspitz, das Originalwienerschnitzel. Oder die Bündner Gerstensuppe und die Pizzokel. Und das schmackhafte «Ochsenschwanzlaibchen», das so heisst, weil der geschmorte und dann zerpflückte Ochsenschwanz nicht in ein Netz gehüllt, sondern zu einem «Tätschli», einem «Laibchen» geformt ist.

Hotel & Restaurant Krone
Jutta Ines Stergner, Peter Jörimann, 7214 Grüsch, Tel. 081 300 11 22, www.krone-gruesch.ch, Jürg-Jenatsch-Menü 89 bis 149 Franken, dienstags und mittwochs geschlossen.

In der Jürg-Jenatsch-Stube mit der imposanten Kassettendecke und den modernen und für einmal bequemen Stühlen läuft Jutta Stergner Kür und zeigt, was sie sich zu ihrem ureigenen Stil anverwandelt hat. Da entzückt eine Mortadella von geräucherter Entenbrust und Gänseleber auf einer Fenchel-marbre. Eine gelbe, gekühlte Gazpacho mit rohem rotem Thunfisch hat man noch kaum so fein und gleichzeitig so kräftig gegessen. Die Rotbarbe in der klaren Fischessenz mit Krustentierravioli und Spitzkohl entführt in die Provence. Die Brandade, luftig leicht, ist nicht aus Stockfisch, sondern Wolfsbarsch. Und das Prättigauer Gitzi kommt in drei Varianten: im Olivenöl geschmort, im Ofen gegart und in der Pfanne kurz gebraten.

Das Dessert ist dann die süsse Verführung, wie man es von einer Österreicherin erwartet, Kaiserschmarrn inklusive. – Die gute Nachricht für Vegetarier zum Schluss: Jutta Stergner rechnet sich

zu der Fraktion, was diese Gäste auch fleischlos glücklich macht.