Staatliche Rettungspakete für die europäische Luftfahrtindustrie nehmen Gestalt an, nachdem Frankreich und die Niederlande bis zu 11 Milliarden Euro zur Rettung von Air France-KLM zugesagt haben, und der deutsche Rivale Lufthansa geht in eine entscheidende Woche, um eine Rettung in ähnlicher Grössenordnung auszuarbeiten.
Die Hilfen für die grössten Fluggesellschaften der Region würden in einer Zeit kommen, in der Airlines vor Liquiditätsengpässen gewarnt haben sowie darauf hinwiesen, dass sie die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie ohne staatliche Hilfe nicht mehr stemmen können. Es ist die grösste Krise, mit die Branche jemals konfrontiert war.
Im Fall von Air France-KLM legten die französische und die niederländische Regierung - die grössten Aktionäre der Fluggesellschaft - einen lange schwelenden Konflikt über die Art und Weise, wie die Gruppe geführt werden sollte, beiseite, um zwei, wenn auch getrennte Pakete mit direkten Darlehen und Bürgschaften vorzustellen.
Rettung ist politisch brisant
Für den Swiss-Mutterkonzern Lufthansa ist der Fahrplan zur Rettung ebenso politisch brisant: Involviert sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungen von Österreich, Belgien und der Schweiz.
Die Bereitschaft Frankreichs und wahrscheinlich auch Deutschlands, ihre kränkelnden Champions zu unterstützen, kommt, nachdem der internationale Luftverkehrsverband wiederholt davor gewarnt hatte, dass die Coronakrise die Hälfte der Fluggesellschaften der Welt in den Bankrott treiben könnte, wobei sich die Umsatzeinbussen der europäischen Fluggesellschaften voraussichtlich auf 89 Milliarden Dollar belaufen werden.
Grossbritannien, das traditionell weniger geneigt ist, Steuergelder auszugeben, gewährt Fluggesellschaften, die sich dafür qualifizieren, Kreditbürgschaften. Die USA zahlen etwa 25 Milliarden Dollar an Lohnzuschüssen aus, während die Fluggesellschaften auch staatliche Darlehen beantragt haben.
Michael O'Leary, Chef von Ryanair, ist hingegen ein lautstarker Gegner staatlicher Beihilfen. Er sagte, dass die Fluggesellschaft möglicherweise vor Gericht gehen wird, um Frankreich und andere Länder daran zu hindern, «selektiv Milliarden von Euro an ihre ineffizienten Flag-Carrier zu spenden».
Auch das französische Hilfspaket könnte in den kommenden Monaten weitere staatliche Interventionen nach sich ziehen. Die Fluggesellschaft Air France KLM sagte, sie werde eine Aktienemission in Betracht ziehen, an der sich der französische Staat beteiligen könnte. Dies wirft die Möglichkeit auf, dass das von Frankreich direkt gewährte Darlehen in Höhe von 3 Milliarden Euro in Eigenkapital umgewandelt und damit die Beteiligung erhöht werden könnte.
10 Milliarden Euro für den Swiss-Mutterkonzern?
In Deutschland wird erwartet, dass sich Merkels Verhandlungsführer und ihre Kollegen bei der Lufthansa in den kommenden Tagen zusammensetzen werden, um ein Paket aus Krediten, Kreditbürgschaften und Eigenkapital zu schnüren, das nach Angaben von Kennern rund 10 Milliarden Euro wert sein könnte.
Aber es gibt Streit darüber, welche Bedingungen an einen Beitrag zur staatlichen Unterstützung geknüpft werden sollen. Die SPD will jede Eigenkapitalspritze mit einem Sitz im Lufthansa-Vorstand verbinden, während das Unternehmen auf eine so genannte stille Beteiligung gedrängt hat, hiess es. Air France-KLM hat bereits den französischen Staat im Vorstand.
Am Montag verbuchten Airline-Aktien von Air France-KLM und Lufthansa hohe Zugewinne von rund 10 Prozent an der Börse.
Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat die Frage nach Staatshilfen für die Deutsche Lufthansa am Montag offengelassen: Darüber werde in der Bundesregierung entschieden, wenn alle Fakten auf dem Tisch lägen und die Lufthansa Hilfen beantragt habe, sagte Altmaier im Deutschlandfunk. Zugleich deutete er aber eine grundsätzliche Bereitschaft zur Unterstützung an. «Wir wollen, dass grosse und bedeutende Unternehmen, die auf dem Weltmarkt eine Rolle spielen, auch nach der Krise weiterhin wettbewerbsfähig sind.»
Skepsis bezüglich Staatseinfluss
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat sich skeptisch zu einem starken Staatseinfluss nach einer möglichen Beteiligung Deutschlands an der Lufthansa geäussert. Man habe bei anderen Grossunternehmen mit Staatsbeteiligung gesehen, dass den Firmen die Flexibilität genommen wurde, sagte der CSU-Politiker am Montag. «Deshalb bin ich dafür, dass die Lufthansa gestützt und geschützt wird, aber in einer Form, wo die Lufthansa global erfolgreich sein kann.»
In der Vergangenheit habe der Konzern bewiese, dass dies mit flexiblem Handeln gelinge. Scheuer sagte, dass es zwar bei Hilfe für die Lufthansa um sehr viel Geld gehe: «Es ist zum einen eine Riesensumme.» Zum anderen gehe es aber darum, einen ganz grossen systemrelevanten Player, der weltweit für Made in Germany stehe, zu schützen.
Unternehmen wie Lufthansa müssten wieder auf die Beine kommen können. Wenn staatliche Hilfe an gleich welches Unternehmen gezahlt werde, dürften die Konzerne dann aber keine Dividenden ausschütten und müssten mit Bonuszahlungen sehr zurückhaltend sein.
Lufthansa und Swiss überprüfen den Umfang ihrer Flotten für die Zeit nach der Krise. Die Helvetic steht bereit, in die Lücken zu fliegen. Mehr hier.
EU erlaubt Hilfe für Condor
Derweil entschieden die EU-Wettbewerbshüter, dass die Bundesregierung Condor unter die Arme greifen darf: Der angeschlagene Ferienflieger bekommt neue Staatshilfen. Die EU-Kommission erteilte wegen der Coronavirus-Pandemie am Montag die Genehmigung für ein Kreditprogramm der Bundesregierung und des Landes Hessen in Höhe von insgesamt 550 Millionen Euro.
Diese Woche wird auch für die Gesellschaft Norwegian Air Shuttle entscheidend sein, die bereits vier Einheiten unter Konkursschutz gestellt hat und einen allerletzten Plan zur Umwandlung von Schulden in Eigenkapital verfolgt. Die Fluggesellschaft benötigt die Zustimmung der Anleihegläubiger und Aktionäre, um in vollem Umfang auf eine Rettungsaktion der norwegischen Regierung in Höhe von 3 Milliarden Kronen (282 Millionen Dollar) zugreifen zu können.
(tim | Bloomberg/Reuters)