Lange hat die Arbeitspause, bei Managern mitunter auch als Abkühlphase bezeichnet, nicht gedauert. Bei Josef Ackermann, einst Chef der Deutschen Bank, ist es gerade mal ein paar Monate her, dass er auch als Verwaltungsratspräsident der Zurich Insurance Group zurückgetreten ist.

Bei Peter Löscher, bis zum Sommer Chef von Siemens, hat sich noch nicht einmal der Wirbel um seine – nun sogar höher als zuvor kolportierte – zweistellige Millionenabfindung gelegt, da finden sich beide bereits im Verwaltungsrat der Renova Management AG (RMAG) wieder. Löscher ist zudem als Verwaltungsratspräsident beim Schweizer Industriekonzern Sulzer nominiert worden. Der Österreicher soll Firmenangaben zufolge auf der Generalversammlung am 20. März gewählt werden.

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Aus den Dax-Konzernen raus, bei den Russen rein

Mitte der Woche hat der russische Multimilliardär Viktor Vekselberg, Herr über die Beteiligungsgesellschaft Renova, mit dezidiertem Stolz bekannt gegeben, dass er «diese Gruppe von global erfahrenen Managern» für seine Managementfirma RMAG gewonnen hat.

Aus den Dax-Konzernen raus, bei den Russen rein. In der Tat halten russische Grosskonzerne ständig Ausschau nach internationalen Top-Leuten. Zum Zukauf von westlichem Know-how komme der Versuch, die globale Vernetzung der Personen für sich zu nutzen, erklärt Susanne Dönitz, Managing Partner des Headhunters Alexander Hughes in Moskau, gegenüber der «Welt».

«Im Falle Wekselbergs und anderer Grossunternehmen wie Gazprom, die in den Westen expandieren und dort Fuss fassen wollen, soll mit so einem Schachzug auch die eigene Reputation gestärkt werden.»

Putins Frau geholfen

In Reinkultur hat das der Gaskonzern Gazprom vorgezeigt, der in einer umstrittenen Allianz mit dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder Lobbying auf höchstem Niveau betrieb und am Ende auch gekonnt alle Widerstände gegen den Bau der Ostseepipeline Nordstream brach.

Entscheidend dabei mitgeholfen hat Pipeline-Geschäftsführer Matthias Warnig, Ex-Stasi-Offizier und schon Anfang der 90er-Jahre für die Dresdner Bank in St. Petersburg tätig, wo er ein enges Vertrauensverhältnis zur Familie Putin aufbaute und die Behandlung von Putins Frau nach einem Unfall in Deutschland organisierte. Wie stark das Vertrauen ist, zeigt die Tatsache, dass Warnig heute in einer ganzen Reihe von russischen Staatskonzernen im Aufsichtsrat sitzt.

Wekselberg, der mit Öl- und Aluminiumgeschäften zum viertreichsten Russen avancierte und seit Jahren auch Beteiligungen an den Schweizer Industrieunternehmen Sulzer und OC Oerlikon hält, spricht offen aus, dass die für seinen Aufsichtsrat zugekauften Top-Manager den Weg ebnen sollen.

Konkret würden sie den Fokus auf die nächste Phase der Entwicklung richten, die weiteres Wachstum und internationale Expansion beinhalten werde, so der russische Investor.

Keine lange Tradition

Lobbying im Westen ist das eine. Managen in Russland das andere. Beides verbindet der Ex-Manager des kanadischen Automotive-Konzerns Magna, Siegfried Wolf, der zu Beginn der Krise die letztlich erfolglose Übernahme von Opel durch Magna und die russische Sberbank verhandelte. Im Jahr 2010 vom expansionswütigen russischen Tycoon Oleg Deripaska abgeworben, bringt er seither in dessen Mischkonzern das Baugeschäft und vor allem die Autoproduktion auf Vordermann.

Wolf hat VW überzeugt, Autos für den russischen Markt auch in Deripaskas Hallen zu bauen. Vom staatlichen Platzhirsch auf dem Bankensektor Sberbank wurde er später zum Aufsichtsratschef von Sberbank Europe berufen.

Dass sich russische – und zwar vorwiegend private – Unternehmen ausländische Manager holen, hat keine lange Tradition. Erst vor gut zehn Jahren begann man, sich im Westen umzuschauen.

Fluchtartig das Land verlassen

Pionier dabei war der damals reichste, später verhaftete und kürzlich freigelassene Russe Michail Chodorkowski, der nicht nur eigene Manager gezielt in seinem Ölkonzern Yukos aufbaute, sondern kurzerhand fast die ganze ausländische Mannschaft von Mars-Schokoriegel in Russland übernahm.

Auch der drittgrösste Ölkonzern TNK-BP, mittlerweile vom staatlichen Konkurrenten geschluckt, baute viel auf ausländisches Know-how, was freilich dadurch bedingt war, dass British Petroleum die Hälfte am Joint Venture besass. Später mussten die ausländischen Manager fluchtartig das Land verlassen, weil die russischen Grossaktionäre mit harten Bandagen die Vormacht im Unternehmen durchsetzten. Grossaktionär war im Übrigen auch Wekselberg.

Es braucht Leute aus dem Westen

Wurden vor der Krise Ausländer auch deshalb gern genommen, weil russische Manager im Höhenflug der Rohstoffhausse vergleichsweise immer teurer wurden, so hat sich der Gehaltsunterschied mittlerweile wieder gelegt. Auch ist es so, dass eine zum Teil im Westen ausgebildete russische Managergeneration im Alter von 30 bis 40 Jahren nachgewachsen ist und allmählich zum Zug kommt.

Grösster Bedarf besteht laut Headhunterin Dönitz im Alterssegment zwischen 40 und 50 Jahren. «Es ist die Generation, die in den schwierigen 1990er-Jahren teils ausgewandert oder aus Existenzgründen in weniger anspruchsvolle Berufe abgewandert ist. Um dieses Loch zu füllen, braucht es Leute aus dem Westen.»

Ausländer für die Effizienz

Es braucht sie freilich gegenwärtig auch in Bereichen, die in Russland wenig Tradition haben: etwa im Investmentbanking, in den schnell gewachsenen Finanzabteilungen von Grosskonzernen oder im wachsenden Retail- beziehungsweise dem Gastronomiesektor, erklärt Anna Antonovsky von Kienbaum Executive Research in Moskau.

Mittlerweile tue sich ein neues Feld auf, sagt Antonovsky: «Russen haben nur Erfahrung in einem Wachstumsmarkt. Jetzt, da der Konsum rückläufig ist, geht es um Effizienz. Und dafür braucht es Ausländer.»

Was diese sonst an Qualitäten nach Russland mitbringen müssen? «Ein Gefühl für das Land, Durchsetzungsvermögen und die Bereitschaft, betriebliche Gegebenheiten nicht eigenmächtig umzustrukturieren», sagt Dönitz: «Ach ja, und das Bewusstsein, zwar mit hoher Abfindung, aber schneller als im Westen gefeuert werden zu können.»

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.