Nach anhaltender Kritik von Investoren nimmt Bayer-Chef Werner Baumann vorzeitig seinen Hut. Neuer Vorstandsvorsitzender zum 1. Juni werde William Anderson, zuletzt Chef der Pharmasparte des Schweizer Konzerns Roche, teilte der Leverkusener Pharma- und Agrarkonzern am Mittwoch mit. Die Neubesetzung sei das Ergebnis eines umfassenden Auswahlverfahrens, das Mitte vergangenen Jahres angestoßen worden sei. Baumann, der seit der milliardenschweren Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto unter Druck steht, werde Ende Mai in den Ruhestand gehen. Sein Vertrag wäre eigentlich bis Ende April 2024 gelaufen. Die Bayer-Aktien reagierten mit einem Kurssprung von sechs Prozent auf die Nachricht und schlossen auf dem höchsten Stand seit Sommer vergangenen Jahres.
Investoren gefiel, dass Bayer auf der Suche nach einem neuen Vorstandschef ausserhalb des Konzerns fündig wurde: «Wir begrüssen den zeitnahen Wechsel an der Bayer-Spitze und erhoffen uns durch den frischen Blick eines Externen neue Impulse für die Strategie», erklärte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance der Fondsgesellschaft Deka. «Bill Anderson ist eine sehr gute Wahl für Bayer und könnte der Befreiungsschlag sein, auf den Investoren gewartet haben», sagte Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment, einem der zehn grössten Bayer-Investoren. «Er hat in den USA das nötige Netzwerk und das Know-how, um Bayer innovativer zu machen. Anderson wird zum Amtsantritt wahrscheinlich von vielen Investoren einen enormen Vertrauensvorschuss bekommen.»
AR-Chef – der ideale Kandidat
Zuletzt war der Druck von Investoren auf einen Wechsel an der Vorstandsspitze des Traditionskonzerns gestiegen. «Bei der CEO Nachfolge gilt: Je früher desto besser», hatte Manns gefordert. Auch aktivistische Investoren hatten Möglichkeiten für Krawall gewittert. Anfang Januar war Hedgefonds-Manager Jeff Ubben mit seiner Investmentfirma Inclusive Capital bei Bayer eingestiegen und hatte bei anderen Investoren um Unterstützung für Veränderungen bei den Leverkusenern geworben. Ubben soll den Konzern aufgefordert haben, einen neuen Vorstandschef ausserhalb der eigenen Reihen zu finden. Aus Kreisen verlautete, dass Ubben mit dem neuen Chef Anderson zufrieden sei. Bei Inclusive Capital war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Mit der 63 Milliarden Dollar schweren Monsanto-Übernahme 2018, die Baumann kurz nach seinem Amtsantritt zwei Jahre zuvor angekündigt hatte, handelte sich Bayer eine Klagewelle wegen des von den Amerikanern entwickelten Unkrautvernichters Glyphosat ein, die Bayer Milliarden kostete und den Aktienkurs schwer belastete. Auf der Hauptversammlung 2019 war Baumann als erster amtierender Vorstandschef eines Dax-Konzerns von den Aktionären nicht entlastet worden. Das einst wertvollste deutsche Dax-Unternehmen ist an der Börse nur noch rund 58 Milliarden Euro wert.
Nun soll der 56-jährige Anderson Bayer auf Kurs bringen. «Der Auftrag von Bill Anderson ist klar: Bayer soll sein ganzes Potenzial entfalten und nachhaltigen Wert für unsere Aktionäre, Landwirte, Patienten, Verbraucher, Beschäftigte und alle Stakeholder des Unternehmens schaffen», sagte Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann. Der studierte Chemieingenieur Anderson, der jahrezehntelange Erfahrung in der Pharmabranche hat, sei «der ideale Kandidat, um Bayer zusammen mit dem Team in ein neues, erfolgreiches Kapitel zu führen».
Ein umgänglicher Leiter
Anderson war im Dezember nach vier Jahren an der Spitze der Roche-Pharmasparte zurückgetreten. Ihm waren Ambitionen auf die Nachfolge von Roche-Chef Severin Schwan nachgesagt worden. Doch der Arzneimittelhersteller aus Basel hatte im Sommer den Leiter des deutlich kleineren Diagnostik-Geschäfts, Thomas Schinecker, an die Konzernspitze berufen.
Vor seinem Wechsel nach Basel war Anderson Chef der US-Biotechnologietochter Genentech, aus deren Pipeline zahlreiche wichtige Roche-Blockbustermedikamente stammen. Anderson tritt oft in T-Shirts und vergleichsweise legerer Kleidung auf und gilt als umgänglich und nahbar. Im persönlichen Gespräch zieht er es vor, mit Bill angesprochen zu werden - der Kurzform seines Vornamens William.
(reuters/rul)