Frühlingsputz ist angesagt in den Manageretagen. So quittierten hier zu Lande jüngst acht Firmenkapitäne beinahe gleichzeitig – zum Teil nur mehr oder weniger freiwillig – ihren Job. Dabei dauerte ihre Amtszeit mit durchschnittlich 3,5 Jahren nicht mal halb so lang wie im Regelfall, der laut einer Erhebung der Düsseldorfer «WirtschaftsWoche» für den deutschsprachigen Raum bei 7,3 Jahren liegt.
BILANZ untersuchte gemeinsam mit den Finanzexperten von OLZ & Partners, welche Wertschöpfung oder aber -vernichtung jeder Einzelne für sein Unternehmen erwirtschaftete.
Dazu wurden die jeweiligen Kapitalisierungen des Unternehmens zum Zeitpunkt des Amtsantritts des CEO sowie des Austritts einander gegenübergestellt. Allgemeine Börsenbewegungen, die den Aktienkurs mitbestimmen, wurden extrahiert: unter anderem der 11. September, die allgemeine Börsenbaisse und der ganze Hype um die New Economy. Das Ergebnis zeigt, welche Wertschöpfung beim Unternehmen in dieser Periode angefallen ist.
«Die verwendete Methode ist eine wertvolle Alternative zu typischen Kennzahlen wie Gewinn oder Return on Equity», so Professor Claudio Loderer von der Universität Bern. «Die gewohnten Kennzahlen messen im besten Fall das Ergebnis der Unternehmung während eines bestimmten Jahres – und nicht die mittel- bis langfristigen Konsequenzen von Unternehmensentscheiden, wie dies der Markt tut.»
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Pius Zgraggen von OLZ & Partners doppelt nach: «Bei neuen, wichtigen Informationen schätzen die Marktteilnehmer die Lage des Unternehmens neu ein. Die objektivste Bewertung von Leistungen liefert daher der Markt.»
Das Ergebnis der BILANZ-Untersuchung ist ernüchternd: Nur zwei von acht Managern erwirtschafteten eine positive Wertschöpfung für ihr Unternehmen. Insgesamt wurden 7,8 Milliarden Franken während einer durchschnittlichen Amtszeit von 3,5 Jahren vernichtet. Und für diese Wertvernichtung wurden auch noch 38 Millionen Franken an Gehältern kassiert.
Ein eindeutiges Urteil fällte die Finanzgemeinde vor allem über jene Topmanager, deren Erfolgsbilanz bislang als so makellos gegolten hatte.
Zu diesen gehört Jürgen Dormann, «Leuchtfeuer» in einem der grössten Sanierungsfälle der Schweiz. Ohne Zweifel hat er ABB vor dem drohenden Kollaps gerettet, dringend benötigte Liquidität hergestellt und die Asbestklagen so weit regeln können. Hinter vorgehaltener Hand wird indes gemunkelt, ein Grossteil dieser Erfolge gehe aufs Konto von ABB-Finanzchef Peter Voser. «Dormann ist sehr weit gekommen, aber genau genommen hat er die selbst gesetzten Ziele in den wenigsten Punkten erreicht», so Vontobel-Analyst Chris Burger. «Sei es bei der operativen Marge von 3,3 statt 4 Prozent, den Verschuldungszielen, die trotz einer Kapitalerhöhung knapp verfehlt wurden, oder sei es beim verzögerten Verkauf der Öl-, Gas- und Petrochemiesparte.» Das Fazit der Börse: Während der kurzen Ära Dormann gingen 2,2 Milliarden Franken an Wert verloren. Die Ankündigung seines Rückzugs in den Verwaltungsrat vermochte die Anlegergemeinde dementsprechend wenig zu schockieren.
Diese Gelassenheit signalisiert auch für den Nachfolger, der gleichzeitig mit Dormanns Abgang bekannt gegeben wurde, ein klares Statement: Es gibt keine Vorschusslorbeeren für Noch-Sulzer-Konzernchef Fred Kindle. Was damit zusammenhängen mag, dass der smarte Senkrechtstarter bei Sulzer vernichtete Werte im Umfang von 1,7 Milliarden Franken hinterlässt – wenn auch vor dem Hintergrund einer äusserst struben Vergangenheit. «Kindle schlug sich gut im Kampf gegen René Braginsky, als dieser Sulzer übernehmen wollte. Ebenso im Krisenmanagement rund um die schadhaften Hüftgelenke der Tochterfirma Sulzer Medica, der heutigen Centerpulse», sagt ZKB-Analystin Carla Barella.
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Ihr Kollege Christoph Bohli von Sarasin relativiert Kindles Leistungen jedoch: «Als Politiker hat er einen weit besseren Job gemacht als in seiner Funktion als operativer Leiter. Doch ist es Aufgabe eines CEO, Politiker zu sein?» Tatsächlich sind die Ergebnisse von Sulzer nicht so berauschend: Die Gewinnentwicklung in den einzelnen Divisionen ist um bis zu 34 Prozent rückläufig und mit 84 Millionen insgesamt schwach. Der Konzernumsatz beläuft sich nur mehr auf ein Drittel dessen, was Sulzer noch vor drei Jahren erwirtschaftet hat. «Diese Verschlechterung der Ertragszahlen nur mit Turbulenzen, dem Verkauf von Geschäftseinheiten oder der Konjunktur zu entschuldigen, ist etwas gar einfach», so Bohli.
Das Krisenmanagement nicht gerade erfunden hat die Swiss-Führung unter André Dose. Dafür blieb man immer betont optimistisch, ja kreativ, wenn es um Buchhaltung ging. Hier eine Position aufgelöst, da einen Posten reduziert: alles ganz legal und wenig tragisch, wurden doch «lediglich» Rückstellungen – die gar nicht liquiditätswirksam sind – im Umfang von 158 Millionen aufgelöst, ebenso Treibstoffabsicherungen, was die Swiss in Zukunft mit dem Risiko höherer Treibstoffkosten (14 Prozent Kostenanteil) bezahlen muss.
Dass erneut ein Grounding droht, sollte nicht bald eine Zusage des angestrebten Kredits von 300 bis 500 Millionen eintreffen, wird unterschlagen. «André Dosé wirkte sehr motiviert und zeigte grosses Engagement», so ZKB-Analyst Patrik Schwendimann. «Doch es war eine riesige Herausforderung für ihn, nachdem er nur kurze Zeit CEO der Crossair gewesen war – und dann über Nacht ein Unternehmen führen musste, das rund viermal grösser ist.» Ergebnis: eine Vermögensvernichtung von 1,3 Milliarden Franken für die Swiss.
Nicht annähernd so viel Zeit zur Bewährung wie Dosé wurde dem Lonza-Obersten Markus Gemünd zugestanden. Nur zwei Jahre räumte man ihm ein, um gegen Überkapazitäten, den verstärkten Trend zum Insourcing durch die Kunden und hohe Rohstoffpreise anzutreten. Im Januar wurde er unsanft vom Verwaltungsrat aufgefordert, seinen Hut zu nehmen. Bank-Leu-Analyst Martin Flückiger wirft angesichts der Wertvernichtung von 2,2 Milliarden Franken die Frage auf, ob denn immer die richtigen Männer ausgetauscht würden. «Immerhin haben ja die Verwaltungsräte diesen CEO eingesetzt.»
Dass der Manager-Frühlingsputz auch mal den Falschen treffen kann, zeigt das Beispiel von Roman Boutellier vom Verpackungsunternehmen SIG. Er hinterlässt eine Wertschöpfung von 255 Millionen Franken. Seit seinem Antritt 1999 riss er das Ruder im trägen Konzern herum und trimmte SIG von einem unprofitablen Konglomerat zu einem operativ und strategisch gut aufgestellten Unternehmen. Umso überraschter zeigte sich der Markt vom Abgang Boutelliers, denn «damit hatte niemand gerechnet», so der Pictet-Analyst Alex Migliorini.
Auch bei Juhani Anttila bleibt offen, wie freiwillig sein Abgang war. Der Ex-CEO von Ascom zog sich nach nur 16 Monaten Amtszeit in den Verwaltungsrat zurück, obgleich sein Leistungsausweis durchaus vorzeigbar ist. Unter der Ägide des Finnen wurden unprofitable Geschäftseinheiten geschlossen, Unternehmenseinheiten zu über den Erwartungen liegenden Preisen verkauft und der Turnaround in den vier Kerngeschäften erreicht. Dennoch wurde der Rücktritt Anttilas vom Markt gefasst aufgenommen. Der Grund dürfte in der Person des Nachfolgers liegen: Rudolf Hadorn, bisheriger Ascom-Finanzchef, dem neben Anttila ein Grossteil des Sanierungserfolges zugeschrieben wird.
Geradezu Freude herrschte am Börsenparkett hingegen beim Schlusspfiff für Forbo-Chef Werner Kummer (Überschussrendite: rund 10 Prozent) und für Valora-Chef Reto Hartmann (Überschussrendite: rund 20 Prozent), was in beiden Fällen nicht wirklich verwundern kann. Von Kummers Antritt 1998 bis heute schrumpfte beim Bodenbelagsunternehmen Forbo das Betriebsergebnis um gut die Hälfte. Der Distributor Valora wies 2004 gar den ersten Verlust in der Firmengeschichte aus – von einem Betrugsfall in Deutschland und dem juristischen Hickhack um den Rausschmiss von Reto Hartmann ganz zu schweigen.
Bleibt zu hoffen, dass der Leistungsausweis der neuen Managergeneration insgesamt erfreulicher wird als jener der Ausgewechselten, denn letztlich trifft Missmanagement in erster Linie immer Mitarbeiter und Aktionäre – und nur selten die Flopmanager selbst.