In den vergangenen Monaten durchleuchteten Tausende Experten der Europäischen Zentralbank EZB, nationale Aufseher und externe Wirtschaftsprüfer die Bilanzen der Banken auf der Suche nach Altlasten oder Kapitallöchern. Verknüpft wurde dieser Bilanzcheck mit einem Stresstest. Dieser Krisentest simulierte, ob die Institute auch dann ausreichend Kapital für ihr Geschäft haben, wenn die Wirtschaft einbricht und die Immobilienpreise in den Keller rauschen.
Die EZB nahm 130 Banken im Euroraum unter die Lupe. Darunter sind 23 deutsche Institute plus der Deutschland-Ableger der schwedischen SEB. Die EBA als europäische Bankenaufsicht überprüfte auch EU-Banken in Nicht-Euro-Staaten, etwa im wichtigen Bankenmarkt Grossbritannien. Im Stresstest müssen Banken beweisen, dass sie auch unter widrigen Umständen - Wirtschaftseinbruch und Absturz der Immobilienpreise - ausreichend Kapital haben, um ihr Geschäft fortzuführen. Auf Konsumenten übertragen könnte der Test so aussehen: Reichen Einnahmen, Ersparnisse oder Versicherungsschutz auch dann, wenn Auto und Waschmaschine gleichzeitig kaputtgehen, der Arbeitgeber in Konkurs geht und man erst im nächsten Jahr einen neuen Job findet?
Risiken frühzeitig offenbaren
Hintergrund der umfassenden Prüfungen ist der Start in die neue europäische Bankenunion: Am 4. November übernimmt die EZB die zentrale Aufsicht über die 120 führenden Banken im Euroraum. Das soll die grenzübergreifende Kontrolle verbessern und Risiken bei einzelnen Instituten oder in bestimmten Marktsegmenten frühzeitig offenbaren. Am Sonntag um 12 Uhr wurden nun die Resultate veröffentlicht. Im Vorfeld wurde spekuliert, dass 25 Banken den Stresstest 2014 nicht bestanden hatten. Das erwies sich dann auch richtig.
Bei den Instituten fehlen 25 Milliarden Euro an Kapital, so die EZB in einer Medienmitteilung. 13 Geldhäuser müssen die Lücke noch füllen, zwölf haben dies bereits getan und ihre Bilanzen um 15 Milliarden gestärkt. EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio zeigte sich zufrieden. «Diese bislang nicht dagewesene tiefgehende Prüfung der Bilanzen der Grossbanken wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Bankensektor stärken», betonte er. «Dies sollte auch dazu beitragen, dass die Banken wieder mehr Kredite vergeben und so der Konjunktur helfen.»
Vor allem Banken in Italien bestanden nicht
Bei der Belastungsprobe zeigte sich nach Angaben der EZB, dass das Eigenkapital aller geprüften Banken zusammen im schlimmsten durchgespielten Fall - einem massiven Einbruch der Konjunktur - um 263 Milliarden Euro zurückgehen würde. Dies entspricht einem Rückgang der Eigenkapitalquote von 12,4 Prozent auf 8,3 Prozent. Beim Bilanzcheck (Asset Quality Reviews) zeigte sich, dass in den Bilanzen der Banken deutlich mehr faule Kredite schlummern als bislang angenommen - insgesamt 879 Milliarden Euro. Das sind 136 Milliarden Euro mehr als bislang angenommen.
Wie geht es nun weiter?
Am 4. November übernimmt die Europäische Zentralbank die Oberaufsicht über die 120 führenden Banken im Euroraum. Sollten sich während der Tests Kapitallöcher aufgetan haben, müssen die betroffenen Institute innerhalb von zwei Wochen Pläne vorlegen, wie sie diese stopfen wollen. Probleme, die beim Bilanzcheck im ersten Teil der Überprüfung festgestellt wurden, müssen die Banken innerhalb von sechs Monaten lösen.
Die Banken müssen sich dann also frisches Geld besorgen. Das könnte allerdings schwierig werden, wenn viele Durchgefallene gleichzeitig um Investoren buhlen. Gelingt es den Banken auf dem Kapitalmarkt nicht, sollen noch einmal die Nationalstaaten einspringen. In vielen Ländern gibt es dafür bereits entsprechende Notfallprogramme. Umstritten ist, ob in letzter Konsequenz auch Gelder aus dem EU-Schutzschirm ESM genutzt werden können.
(sda/reuters/se)