Coop habe grosse Pläne. Die Getreidemühle Swissmill werde nach Schafisheim AG umziehen und räume damit ihren jetzigen Standort am Sihlquai in Zürich. Denn dort realisiere die «Coop Wohngenossenschaft» 1000 genossenschaftliche Wohnungen, heisst es auf einer Website, die im typischen Coop-Look daherkommt und zum Beispiel in den bekannten Orangetönen gehalten ist.
Die Genossenschaft wolle wegen der Wohnungsknappheit in Zürich ihre Verantwortung wahrnehmen, um «unseren Anspruch an Diversität, Partizipation, offenen Prozessen und wahrhaftig nachhaltigem Wirtschaften und Bauen geltend zu machen», steht in einer Erklärung, die auf der Website aufgeschaltet ist. Auf dieser können sich Interessierte mittels Online-Formular auch für eine der künftigen Wohnungen bewerben.
Der Basler Detailhändler kämpft gegen knappen Wohnraum in Zürich? Spannend. Nur: Das Angebot ist ein Fake, die Website eine Fälschung. Ebenso entsprechende Plakate, die in der Stadt Zürich hängen. Und auch die «Coop Wohngenossenschaft», die Coop angeblich gegründet hat, gibt es nicht.
Der Detailhändler distanzierte sich am Mittwoch auf Twitter «in aller Form» von der «Coop Wohngenossenschaft». Die Website und die Urheber stünden in keiner Verbindung zu Coop. Gegenüber «Blick» bestätigte eine Sprecherin, dass der Detailhandelsriese eine Anzeige gegen unbekannt wegen unlauteren Wettbewerbs und Verletzung des Immaterialgüterrechts einreichen werde.
Urheber nutzen Dienst des Pirate-Bay-Gründers
Wer genau hinter der Website steht, ist noch unbekannt. Sie wurde am 27. November aufgeschaltet – und ist weiterhin online, trotz der Anzeige. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Domain nicht bei einer Schweizer Registratur gemeldet ist, sondern via Sarek Oy. Der Dienst aus Finnland steht in Verbindung zu Peter Sunde, dem mittlerweile verurteilten Mitgründer der verbotenen Plattform Pirate Bay, auf der Dateien wie Filme illegal verbreitet werden können.
Die Vermutung liegt nahe, dass Personen aus der autonomen Szene die «Coop Wohngenossenschaft»-Aktion gestartet haben könnten. Darauf deuten auf der Website verwendete Begriffe wie «Gentrifizierung» hin. Und der scheinbare Projektbeschrieb ist dem Kommunenideal deutlich näher als Plänen für ein Renditeobjekt.
Zudem entbrannte im Frühling 2021 ein Streit um die Umnutzung zweier Wohnhäuser neben der Swissmill-Mühle, die beide der Coop-Genossenschaft gehören. Der Detailhändler hatte zuvor den Mieterinnen und Mietern der dortigen 15 Wohnungen gekündigt.
In den Liegenschaften am Sihlquai 280/282 baut Coop aktuell für Swissmill Büros und eine Versuchsbäckerei. «Die betrieblichen Anpassungen sind nötig, um den Standort im Sihlquai mit seinen Arbeitsplätzen zu sichern», sagte eine Sprecherin zu «Blick».
Rund um die Bewohnerinnen und Bewohner der Häuser entstand die Gruppe Forever Sihlquai, die über 7000 Unterschriften sammelte, um die Umnutzung zu verhindern. «Nein danke, Coop! So nicht!», hiess es in der Petition, die im April 2021 an Swissmill und dem Zürcher Stadtrat übergeben wurde. Im Monat danach besetzten Aktivistinnen und Aktivisten eines der Wohnhäuser. Die Polizei reagierte, indem sie mit einem Grossaufgebot ausrückte.
Der ganze Widerstand war letztlich erfolglos. Der Umbau ist in vollem Gange. Gut möglich also, dass die Aktion mit der «Coop Wohngenossenschaft» eine letzte illegale Stichelei aus dem Umfeld der Hausbesetzerszene ist.
Auf Anfrage teilt die Gruppe Forever Sihlquai mit, nicht in Verbindung zu den Akteurinnen und Akteuren hinter der «Coop Genossenschaft» zu stehen. Sie habe selbst aus den Medien von der Aktion erfahren. «Wir finden eine Kritik an Coop allerdings nach wie vor wichtig, da der Grosskonzern – trotz grossen Widerständen und Unmut aus der Bevölkerung – seine Pläne im Kreis 5 in Zürich verfolgt, ohne das Quartier, die Bevölkerung oder die Stadt miteinzubeziehen.»