Der 205-seitige Untersuchungsbericht zum Sammelstrafverfahren «Amvac» der Zuger Staatsanwaltschaft liest sich wie ein Wirtschaftskrimi: wüste Textnachrichten, wilde Preismanipulationen, klamme Firmenkassen, eine «Tulpenvilla» in Ungarn und ein Bentley der Amvac-Chefin, an den Ermittler einen GPS-Peilsender heften.
Der Bericht der Staatsanwaltschaft handelt von einem mutmasslichen Anlagebetrug mit rund tausend Geschädigten und einer Schadenssumme von gegen 70 Millionen Franken. Im Fokus: die konkursite Zuger Pharmafirma Amvac. Deren Führung hat über Aktienvermittler jahrelang inzwischen wertlose Amvac-Aktien an ahnungslose bis ignorante Kleinanleger verkauft. In «industriellem Ausmass», wie die Finma im Bericht zitiert wird.
Grossbank UBS mittendrin
Den potenziellen Investoren wurden von einem Stosstrupp an Telefonverkäufern hanebüchene «Equity Stories» aufgetischt: Amvac gehe bald an die Börse. Oder: Novartis zeige Interesse an einer Übernahme der Firma. Die Millionenerlöse aus dem agressiven Aktienabverkauf investierten die Amvac-Verantwortlichen aber nur zu geringen Teilen ins Unternehmen, sondern sie wirtschafteten vor allem in die eigene Tasche beziehungsweise liessen satte Provisionen an ihre Aktienvermittler fliessen.
Mittendrin: die Grossbank UBS. So flossen über Jahre Zahlungen und Kickbacks in Millionenhöhe auf UBS-Konten, welche auf die Firma beziehungsweise auf die Amvac-Hauptverantwortlichen lauteten. Die IDC-Stiftung, welche die Interessen von 300 mutmasslich geschädigten Amvac-Aktionären vertritt, nimmt deshalb nun auch die Rolle der Grossbank im Anlagebetrugsfall ins Visier.
Die IDC-Stiftung hat Ende November bei der Zuger Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen die UBS und gegen Unbekannt eingereicht wegen des Verdachts auf qualifizierte Geldwäscherei, mangelnde Sorgfalt sowie wegen Verletzung der Meldepflicht. Die Staatsanwaltschaft Zug hat daraufhin eine Voruntersuchung eröffnet, womit aus heutiger Sicht ein hinreichender Tatverdacht besteht, und das Verfahren rubriziert.
Aus «verfahrensökonomischen Gründen» schlägt die Untersuchungsbehörde jedoch vor, die UBS-Klage zu sistieren, bis ein erstinstanzliches Urteil gegen die Amvac-Führung und Konsorten ergangen ist. Auf Anfrage will sich die UBS zur Strafanzeige und zum Amvac-Fall nicht äussern. Aus den Ermittlungsakten erschliesst sich aber, dass Amvac und deren Führung schon lange auf die Dienste der UBS setzte.
Amwac-Gelder bereits 2006 auf UBS-Konten
Bereits 2006 fliessen Investorengelder aus Amvac-Aktienverkäufen auf ein UBS-Privatkonto der Firmenleiterin. «Die Gelder wurden teils als private Darlehen an die Amvac weitergeleitet, teils privat für den Lebensunterhalt verbraucht», heisst es im Bericht.
Sieben Jahre später eröffnet die Finma ein Enforcementverfahren gegen die Amvac-Chefin und lässt sich Ende 2013 von der UBS die Kontounterlagen der Pharmafirma und ihrer Chefin geben. «Hätte die Bank eins und eins zusammengezählt, hätten viele Kleinanleger vor grossem Schaden bewahrt werden können», sagt IDC-Stiftung-Sprecher Raymond Jean Lacoste.
So schreibt die Amvac-Chefin an einen Aktienvermittler Mitte 2014 folgende Textnachricht: «... ubs hat eh schon Probleme wegen der Höhe der Provisionen!!!! Und ich habe kein_e Lust darauf, dass sie mir das Konto kündigen! Keine andere Bank würde das so·mitmachen, darum!»
200'000 Franken auf Anweisung der Amwac-Chefin
Noch im Frühjahr 2015 überweist Amvac über ihr UBS-Firmenkonto, auf Anweisung der Chefin, «ausstehende Boni» an die Präsidentin von gegen 200 000 Franken. Der Betrag fliesst ebenfalls auf ein Konto der Grossbank. Just zum Zeitpunkt, als Amvac-Revisorin KPMG ihr Mandat aus «Reputationsgründen» auf Empfehlung der Risikoabteilung niedergelegt.
Im Juni 2015 schliesslich kündigt die UBS der Zuger Pharmafirma und ihrer Chefin die Konten. Die Amvac-Managerin verkauft gemäss eigenen Angaben im Untersuchungsbericht zwischen 2006 und 2015 über ihre Privatkonten bei der UBS mehrere Millionen Amvac-Aktien und erzielt so einen Erlös von 59 Millionen Franken. Auf die privaten UBS-Konten der Pharmafirma-Präsidentin sollen gemäss eigenen Aussagen im Untersuchungsbericht Erlöse aus Amvac-Aktien in der Höhe von 14 Millionen Franken geflossen sein. Gegen beide Personen und sechs weitere Tatverdächtige läuft eine Strafuntersuchung wegen betrügerischen Aktienhandels. Es gilt die Unschuldsvermutung.