Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) lassen ihre Stadler-Rail-Züge vom Modell «Kiss» seit dem Fahrplanwechsel am vergangenen Sonntag in vielen Regionen auf Regio-Express-Strecken verkehren - dabei sind die Züge eigentlich für den Zürcher S-Bahn-Betrieb bestimmt.

Das Problem: Der Zugtyp «Kiss» ist von der Einrichtung und vom Komfort her nicht auf lange Fahrten ausgerichtet. Die Kompositionen sind für Fahrten von durchschnittlich 15 Minuten konzipiert. Die SBB bedienen mit den Zügen nun aber Strecken von 40 Minuten (SH - ZH) oder 66 Minuten (Genf – Lausanne - Vevey). Ebenfalls ist der Einsatz in den Zentren Bern und Basel, wie auf den Strecken Zürich – Chur und St. Gallen - Chur vorgesehen.

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Die SBB hatten 2008 bei Stadler Rail 50 der sechsteiligen, 150 Meter langen «Kiss»-Kompositionen bestellt. 2010 wurden 24 weitere vierteilige Kompositionen, 100 Meter lang, geordert.

Die Bestellung verkauften die SBB damals als Aufwertung der Zürcher S-Bahn. Dies belegt eine SBB-Medienmitteilung vom 30. Juni 2008. «Die Zürcherinnen und Zürcher und alle Kundinnen und Kunden von SBB und ZVV in der Zürcher S-Bahn können sich freuen», liess sich SBB-Chef Andreas Meyer damals zitieren.

Pro Bahn verärgert

Für den Präsidenten von Pro Bahn Schweiz, Kurt Schreiber, ist die Umnutzung der S-Bahn-Züge für die Regio-Express-Strecken nicht nachvollziehbar. «Es sind Züge, die im Fernverkehr eingesetzt werden aber keinen Fernverkehrskomfort beinhalten». In den Zügen würde es zu wenige Toiletten geben. «Das ist ein echter Mangel», sagte Schreiber «Handelszeitung Online».

Mit dem Einsatz der S-Bahn-Züge auf den Regio-Express-Strecken sei auch ein Komfortabbau in der 1. Klasse verbunden. Denn dort wird es enger: Im Gegensatz zu anderen Regio-Zügen sind in den «Kiss»-Wagen 64 statt nur 48 Sitzplätze untergebracht. Zudem bieten die «Kiss»-Züge sind Sachen Gepäckablage kein Fernverkehrsstandart.

Bei den SBB heisst es zu den Pro-Bahn-Vorwürfen: «Der 'Kiss' fährt auf Linien mit vielen Halten (im Schnitt alle 10 Minuten). Dadurch muss er für grössere Frequenzwechsel vorbereitet werden, da viele Pendler ein- und wieder aussteigen. Dafür benötigt ein Zug breitere Türen.»

Dieses Argument lässt Pro Bahn nicht gelten: Laut Schreiber beschränke sich der Frequenzwechsel auf der Strecke St. Gallen – Chur und den anderen Linien auf weniger Personen pro Halt als beispielsweise auf dem Zürcher S-Bahnnetz.

Noch nicht alle Strecken auf Kiss umgestellt

Die SBB warten noch auf 41 ihrer «Kiss»-Züge, die sie in den Jahren 2008 und 2010 bestellten hatten. Darum kann sie noch nicht alle neuen Linien und Takte durchgehend mit dem neuen Material bedienen. Alte Züge müssen als Ersatz herhalten und diese bieten für Pendler in Sachen Patz für Mäntel und Gepäck oft einen deutlich höheren Komfort als das erwartete neue Rollmaterial.

Wie es auf Regio-Express-Strecken gehen könnte, zeigen laut Pro Bahn die Südostbahn und Transports Publics Fribourgeois. Diese setzen den «Flirt» von Stadler Rail ein - eine Zugskomposition mit mehr Komfort für längere Strecken.

Probleme macht den SBB laut Medienberichten vom Frühling dieses Jahres übrigens auch die Beschaffung von 59 neuen Intercity-Zügen bei Bombardier. Diese werden voraussichtlich nicht auf den Fahrplanwechsel 2013 bereitstehen. Auch in diesem Fall soll altes Rollmaterial länger in Betrieb bleiben.

 

Auf diesen Strecken fahren die S-Bahn-Züge als Regio-Express:

Seit Dezember 2012:

Schaffhausen – Zürich              Fahrzeit: 40 Minuten

Genf – Lausanne – Vevey        Fahrzeit: 66 Minuten

Ab Dezember 2013:

Bern – Burgdorf – Olten            Fahrzeit: 45 Minuten

Chur – St. Gallen                      Fahrzeit: 90 Minuten

Zürich – Chur                            Fahrzeit: 91 Minuten

Ab Dezember 2014

Bern – Biel                                Fahrzeit: 25 Minuten