Klappt man das Smartphone der Zukunft auf? Mit Huawei hat nun der zweite grosse Hersteller ein faltbares Smartphone gezeigt, das ausgeklappt die Größe eines Tablets hat. Bereits in der vergangenen Woche hatte Samsung sein Galaxy Fold mit einem ähnlichen Konzept präsentiert.
Huawei lüftete sein Geheimnis auf der Mobilfunkmesse MWC in Barcelona. Während das faltbare Display des Samsung Galaxy Fold auf der Innenseite liegt, biegt sich der Bildschirm des Mate X von Huawei um das Gerät herum. Er befindet sich damit auf der Aussenseite.
Auf diese Weise können Nutzer das Display auch im zusammengeklappten Zustand nutzen. Tatsächlich sind es dann sogar zwei Bildschirme, die getrennt voneinander verwendet werden können. Während das aufgeklappte Display acht Zoll misst, sind es zusammengeklappt auf der einen Seite 6,6 Zoll und auf der anderen Seite 6,38 Zoll.
Smartphone hat zwei Batterien
Ist das Gerät ausgeklappt, ist auf dem großen Bildschirm keine Aussparung für Kameras zu erkennen. Diese befinden sich nur auf der Rückseite. Wer ein Selfie machen will, klappt das Gerät also zusammen und sieht sich dann im kleineren Display auf der Rückseite. Das Scharnier des Mate X besteht aus mehr als 100 Komponenten.
Dem chinesischen Hersteller ist es sogar gelungen, sein Mate X mit elf Millimetern vergleichsweise dünn zu bauen. Aufgeklappt sind es dann nur noch 5,4 Millimeter und damit weniger als bei Apples iPad Pro. Weil sich eine Batterie nicht biegen lässt, sind im Huawei-Gerät zwei Akkus verbaut, die sich innerhalb von 30 Minuten um 85 Prozent aufladen lassen. Auch Samsung hatte sich beim Galaxy Fold für eine Doppel-Batterie entschieden.
Auf dem grösseren Display des Mate X können zwei Anwendungen parallel laufen, auf dem Galaxy Fold von Samsung sind es sogar drei. Allerdings müssen Entwickler ihre Apps dafür anpassen.
Huawei wird sein faltbares Smartphone mit einem Funkchip für die nächste und damit fünfte Mobilfunkgeneration 5G ausstatten. Die meisten Nutzer werden das Mate X allerdings wohl eher im 4G-Netz verwenden, da die 5G-Netze noch gar nicht gebaut sind. In Deutschland soll die Frequenzauktion dafür im kommenden Monat starten. Der Aufbau eines 5G-Netzes dürfte mehrere Jahre dauern. Bucht sich das Mate X in ein solches Netz ein, ist es nach Angaben von Huawei in der Lage, einen Film in der Grösse eines Gigabytes in drei Sekunden aus dem Netz zu laden.
Faltbares Gerät von TCL kommt wohl erst 2020
Während sich Smartphones derzeit äusserlich kaum noch voneinander unterscheiden, haben sich die Hersteller beim Design von faltbaren Geräten noch nicht für einen Standard entschieden. Das chinesische Unternehmen TCL, das unter anderem Smartphones für die Marken Blackberry und Alcatel baut, experimentiert derzeit noch mit unterschiedlichen Designs. Darunter befindet sich auch ein Smartphone, das sich um das Handgelenk biegen lässt und so zur Smartwatch wird.
TCL gehört zu den wenigen Anbietern, die flexible Displays in eigenen Fabriken herstellen. Wie WELT aus dem Unternehmen erfuhr, sollen erste faltbare Geräte von TCL aber erst im kommenden Jahr auf den Markt kommen. «Wir sind nicht in einem Wettlauf, um die Ersten zu sein», sagte TCL-Manager Peter Lee. Das Unternehmen sei der Meinung, es sei verantwortungsvoller, einen durchdachten Ansatz zu wählen, der eine sinnvolle Benutzererfahrung biete, so Lee.
Auch der chinesische Hersteller Xiaomi experimentiert mit faltbaren Smartphones. In einem Video war bereits Xiaomi-Präsident und -Mitgründer Bin Lin zu sehen, wie er mit einem Tablet in der Hand auf einem Sofa sitzt und im Internet surft. Nach kurzer Zeit biegt er beide Seiten des Geräts nach hinten und macht ein handliches Smartphone daraus. Auf dem MWC in Barcelona zeigte Xiaomi zwar sein erstes 5G-Smartphone, doch über das faltbare Gerät sprach der Konzern nicht.
Offenbar ist es für viele Unternehmen schlichtweg noch zu früh, um fertige Produkte zu zeigen. So arbeitet Motorola Berichten zufolge an einer neuen Version seines einst erfolgreichen Klapphandys Razr, das mit einem faltbaren Display ausgestattet sein soll. Und auch Apple hat bereits in der Vergangenheit zu faltbaren Displays Patente eingereicht.
Frühe Käufer dürften viel zahlen
Etwas zögerlich ist auch der koreanische Hersteller LG. Zwar zeigte das Unternehmen auf der Consumer Electronics Show (CES) im Januar in Las Vegas, wie sich ein riesiger Fernseher einrollen lässt. Doch ein Smartphone mit flexiblem Display hat der Konzern noch nicht. Es sei zu früh, jetzt bereits ein solches Gerät auf den Markt zu bringen, sagte LG-Smartphone-Chef Brian Kwon der «Korean Times».
In jedem Fall dürften frühe Käufer einen hohen Preis zahlen. Mit dem Galaxy Fold hat Samsung die Latte sehr hoch gehängt. Es soll im April in den USA und im Mai in Europa für etwa 2000 Euro verkauft werden. Für das Mate X wird Huawei noch mehr verlangen. Es soll 2300 Euro kosten und Mitte des Jahres verfügbar sein.
Der hohe Preis und auch die begrenzten Produktionskapazitäten der Industrie für die flexiblen Displays dürften die faltbaren Smartphones vorerst nicht zu einem Massenmarkt-Produkt machen, glauben Experten.
Doch das könnte sich schnell ändern. Der Innovationsdruck in den Entwicklungslaboren der Hersteller ist gross. Denn der Markt wächst derzeit nicht mehr. Nutzer sind mit ihren Geräten weitgehend zufrieden und nicht bereit, für kaum erkennbare Verbesserungen bei Smartphone-Kameras gleich wieder ein neues Gerät zu kaufen, die zuletzt auch immer teurer wurden. Die Upgrade-Zyklen werden daher immer länger.
Nach jahrelangem Wachstum musste die Industrie im vergangenen Jahr ein Rückgang verkraften. Weltweit gingen die Verkäufe um vier Prozent zurück, meldeten die Marktforscher der International Data Corporation (IDC). Nicht zuletzt deswegen setzen die Hersteller ihre Hoffnungen auf die flexiblen Displays und 5G-Netze.