Nächstes Jahr wird er siebzig. Doch müde ist Fritz Bösch noch lange nicht. In der wenigen Freizeit, die er hat, schwingt er sich noch immer gern auf sein Rennrad. Wie ein junger Spund, den Oberkörper vornübergebeugt und mit Stirnband im Haar, tritt er in die Pedalen. Am liebsten einsam das Engadin rauf und runter. Doch die überwiegende Zeit beschäftigt er sich nach wie vor mit seiner eigentlichen Passion, dem Unternehmen Feintool.

Wie beim Velofahren in den Bergen, Bösch gibt nicht auf. Er ist Unternehmer und Pioniergeist in Person, der sich hochgearbeitet hat von der Werkbank zum Steuermann einer weltweit tätigen Firma. Feintool ist sein Lebenswerk. Das Unternehmen aus Lyss ist heute Weltmarktführer in der Feinschneide- und Umformtechnologie und hält einen Marktanteil von über 80%. Dazu kommt eine Ansammlung von weiteren Firmensparten in verschiedenen Industriebereichen, wie der Automation, im Systemgeschäft oder der Metall- und Kunststoffverarbeitung, die zusammen einen Jahresumsatz von rund 400 Mio Fr. erwirtschaften. Kurz, eine Erfolgsgeschichte, die keine 50 Jahre alt ist.

Doch es gibt auch eine Kehrseite. Feintool zeigt Abnutzungserscheinungen, deren Schatten mit der anhaltenden Wirtschaftsflaute immer breiter werden. Die Probleme sind nicht neu. Die Semesterzahlen 2003 (siehe Kasten) sind nur die letzte Station auf einer längeren Etappenfahrt talwärts. Die Zeche bezahlt hat bisher die operative Führungsetage, wo sich die Chefs im letzten Jahr in kurzer Folge die Klinke in die Hand gaben und erneut ein CEO gesucht wird.

*Aufstieg und Fall*

Dank harter Arbeit war das Unternehmen zuletzt fast von selbst gewachsen, sodass auch Feintool Ende der 90er Jahre vom Run auf die Finanzmärkte erfasst wurde. 1998 ging der Werkzeugbauer an die Börse. Eine geglückte Aktion, die Feintool und seinem Gründer viel Geld in die Taschen brachte. Bösch zog sich aus der operativen Führung des Unternehmens zurück und übergab den Stab dem jungen Mitdreissiger Beat Lüthi. In rascher Folge akquirierte dieser zusammen mit dem Feintool-Management zahlreiche Firmen aus ganz verschiedenen Industriebereichen. Bösch, der im Hintergrund nach wie vor als aktiver Verwaltungsratspräsident die Fäden zog, gab seinen Segen dazu.

Fast im Zeitraffer entstand so im Berner Seeland ein kleines Industriekonglomerat. Dann folgte der Einbruch. Zum ersten Mal in zehn Jahren zeichnete sich für das Geschäftsjahr 2000/2001 ein Verlust ab. Der Aktienkurs tauchte in den Keller und kreist seither um Werte, die meist mehr als 50% unter dem Ausgabekurs von einst 340 Fr. liegen.

*Ein Investor ärgert sich *

Bösch reagierte. Vor etwas mehr als einem Jahr entliess er seinen jungen, erfolgsverwöhnten CEO Beat Lüthi und berief alsbald den Sanierer Andreas Münch auf den verwaisten Posten. Dieser sollte das weit verzweigte Firmennetz, aus dem Feintool zwischenzeitlich bestand, konsolidieren und daraus eine Firma formen. «Eine Aufgabe mit vielen Baustellen», erklärte der neue CEO zu Beginn dieses Jahres gegenüber der «HandelsZeitung». «Münch verstand seine Aufgabe im Sinne der Aktionäre, die an der schlechten Börsenentwicklung von Feintool keine Freude hatten», so ein Investor, der nach der Wahl des ehemaligen Sulzer-Mannes zum Konzernchef in Feintool neues Vertrauen setzte und investierte. Zu Beginn seines Engagements ging dieser davon aus, dass Feintool immer noch mindestens einem Buchwert von 270 Fr. pro Aktie entsprach.

Doch Münch blieb nicht lange. Nach nur sieben Monaten warf er entnervt das Handtuch. Den Aktionär, der damals fast 5% an Feintool hielt, ärgert dies immer noch: «Damit ist Feintool bis heute ein loses Konglomerat geblieben», das kaum zusammengewachsen sei. Anders als angenommen ist aber offensichtlich nicht der Turnaround-Kandidat Mühlemann (Metall- und Kunststoffverarbeitung) Grund für das Zerwürfnis zwischen Bösch und Münch gewesen, sondern der Bereich Automation.

Insbesondere der Aufbau der Automationssparte ist ein Fehler gewesen. Dieser Bereich wird heute quersubventioniert, wodurch den gesunden Firmenteilen Pressen und Feinschneiden sowie der Verbindungstechnologie dringend notwendige Mittel entzogen würden, so der Investor, der zwischenzeitlich sein Engagement deutlich reduziert haben will.

Münch hatte diese Probleme erkannt und wollte rasch handeln. So plante er, einen Grossteil der Kapazitäten im Bereich Automation abzubauen (unter anderem bei der Afag in Aarberg und der IMA in Deutschland). Da habe sich Bösch eingemischt, so der Aktionär, der überzeugt ist, dass «der CEO letztlich gekündigt

hat, da ihm der Patron mehrere Male dazwischengefahren ist». Münch erachtete es als selbstverständlich, den Aktionären verpflichtet zu sein und nicht alleine Fritz Bösch. Ein Irrtum. Mit einem Kapitalanteil von knapp 30% betrachtet sich der alte Patron nach wie vor als Unternehmer und Besitzer von Feintool. Nach Münch scheint klar, solange Feintool als patronale Firma weiterfunktioniert, wird auch

ein neuer CEO nichts ändern können.

*Privatperson Fritz Bösch steckt im Dilemma*

Bis der neue Chef gefunden ist, steht Vize-Verwaltungsratspräsident Michael Funk den operativen Geschäften von Feintool vor. Spätestens auf die Bilanzmedienkonferenz Ende November will das Unternehmen dann einen neuen Konzernchef präsentieren, wie CFO Reto Welte auf Anfrage erklärt. Nach Münch kann dies aber nur ein Kopfnicker sein, meint der Investor. Das Problem wird bleiben, solange Bösch als «graue Eminenz im Hintergrund» agiert. Als Gründer von Feintool hat sich dieser seinen Rückzug anders vorgestellt, als die Situation heute ausschaut. So dürfte sich beim Unternehmen auch auf absehbare Zeit nichts ändern, solange der Konflikt der Privatperson Fritz Bösch anhält, der mit seinem Unternehmen an die Börse ging und jetzt nicht loslassen kann.

Den Aktionären wird somit nichts anderes übrig bleiben, als sich zur Wehr zu setzen oder ihr Engagement bei Feintool mittelfristig zu überdenken.

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