Feintool legt Rekordzahlen für die ersten neun Monate des Geschäftjahres vor, und der Chef geht Knall auf Fall. Das erstaunt. Warum konnte oder wollte der Feintool-Verwaltungsrat CEO Reto Hartmann nicht halten? «Das lässt Fragen zur Intepretation meines Entscheides offen. Mehr möchte ich dazu in diesem Stadium nicht sagen», sagt Hartmann gegenüber der «Handelszeitung».
Die jüngst publizierten Geschäftszahlen sprechen für Hartmann: Nach neun Monaten meldet das im Anlagebau und Komponentengeschäft tätige Unternehmen aus Lyss Umsatzrekord: 373,6 Mio Fr. Das sind 4% mehr als in der Vorjahresperiode. Auch die Aussichten für das am 30. September 2006 zu Ende gehende Geschäftsjahr sind gut: «Die Chancen, erstmals einen Umsatz von über 500 Mio Fr. zu erreichen, sind intakt. Der Gewinn dürfte auch in diesem Jahr wieder überproportional zulegen», sagte Hartmann kürzlich in einem autorisierten, aber noch nicht veröffentlichten Interview der «Handelszeitung». Im vergangenen Geschäftsjahr setzte Feintool 487 Mio Fr. um.
*Kaderleute bedauern Abgang*
Nun geht der Chef. Offensichtlich gab es interne Differenzen zwischen Verwaltungsrat und CEO, wie ein Brief von Kaderleuten an die «Handelszeitung» zeigt: «Wir haben es satt, mit ansehen zu müssen, wie unser Firmengründer, Verwaltungsratspräsident und 30%-Aktionär F. Bösch, so sehr wir ihn auch für seine vergangenen Leistungen schätzen, nach Lust und Laune seine CEO, die nicht genug nach seiner Pfeife tanzen, aus der Firma mobben kann.» Und weiter: «Wir haben Herrn Hartmann in den letzten Jahren schätzen gelernt, und er hätte mit uns die Zukunft weiterhin erfolgreich gestalten können.»
Konfrontiert mit den happigen Vorwürfen sagt Verwaltungsratspräsident Fritz Bösch: «Ich bin sehr erstaunt. Zumal ich seit Anfang April aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend nicht im Unternehmen bin und auch nicht an Verwaltungsratssitzungen teilnehme.» Ab Oktober, so plant Bösch, wolle er wieder im Unternehmen sein. Bis dahin übernimmt Verwaltungsratsvizepräsident Alexander von Witzleben seine Aufgaben. Er bleibe - wie bisher - informiert und involviert.
Bösch sagt weiter: «Ich bedaure Hartmanns Abgang sehr. Es gibt nur wenige fähige CEO in der Schweiz, und er ist einer davon.» Hätte er als Vertrauter vorher von den Abgangsgelüsten gewusst, wäre man bereit gewesen, Hartmann zum Bleiben zu bewegen, lässt Bösch durchblicken. Offenbar reichte es nicht, dass Hartmann gelegentlich signalisiert hatte, interessante Angebote auf dem Tisch zu haben. Als Hartmann die Stelle Anfang 2004 bei Feintool antrat, sprach er von einem längerfristigen Engagement. Allerdings tönt es jetzt etwas anders: «CEO müssen sich heute bewusst sein, dass sie auf einem Schleudersitz sind.»
*Kaufmann entspricht dem Profil*
Im Fall von Feintool liegt Hartmann richtig: Auch seine Vorgänger harrten nie lange aus. Innerhalb von acht Jahren kannte Feintool vier CEO. Beat Lüthi hatte 1998 die Feintool-Führung von Bösch übernommen. Lüthi blieb bis Mitte 2002, dann übernahm Andreas Münch, dieser warf nach acht Monaten das Handtuch, im Mai 2003. Münch sei für den CEO-Posten eine Fehlbesetzung gewesen, sagt Bösch heute. Bis Hartmann Anfang 2004 an die Spitze kam, wurde das Unternehmen ad interim vom damaligen Verwaltungsratsvizepräsidenten Michael Funk geführt. «Bei meinem Antritt habe ich an ein längerfristiges Engagement gedacht», sagt Hartmann heute, «aber nicht an eine Lebensstelle.»
Und wer folgt als Nächstes? Der Verwaltungsrat habe einen Favoriten, sagt Bösch. Mehr dazu will er nicht sagen. Gerüchteweise kursiert Joachim Kaufmann als potenzieller Nachfolger. Kaufmann ist Geschäftsleitungsmitglied der Firma Advaltech in Niederwangen BE, lebt in Lyss und war zwölf Jahre lang bei Feintool tätig. Er hat damit ein Profil, das für den Posten bei Feintool passt. Kaufmann verwirft die Gerüchte gegenüber der «Handelszeitung»: «Ich bin es nicht.»