Am Firmensitz der Fela Management AG in Diessenhofen im Thurgau herrscht derzeit die totale Anspannung. Ernst Uhlmann, Chef der Fela Management, blickt zurzeit nach Berlin, wo der deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe in diesen Tagen entscheiden wird, wie er das Mrd-Debakel um die verpatzte Einführung eines streckenabhängigen Mautsystems für den Schwerverkehr (Autobahngebühr) zu lösen gedenkt. Am 15. Dezember wird er sich definitiv festlegen müssen, ob er dem Konsortium Toll Collect um DaimlerChrysler, Deutsche Telekom und den französischen Autobahnbetreiber Cofiroute eine letzte Chance geben soll, ob er den Vertrag aufkündigen oder ob er einen Wechsel auf eine andere Technik anstreben soll.

Die Entscheidung des deutschen Verkehrsministers ist für Uhlmann insofern von Interesse, als die Ostschweizer Firma Fela im Falle eines Systemwechsels ein Millionenauftrag winken könnte. «Unsere Chancen liegen bei 30, vielleicht 40%», sagt Uhlmann bescheiden. Er ist Gründer und Chef der Fela Management AG, die zu den beiden von ihm kontrollierten Unternehmensgruppen Fela und Photochemie mit total sieben Gesellschaften, einem kumulierten Umsatz von 136 Mio Fr. und total 455 Beschäftigten zählt.

Bei der im Bereich Verkehrstelematik tätigen Fela Management AG arbeiten 45 Personen; die Firma wird 2003 voraussichtlich einen Umsatz von 15 Mio Fr. erzielen, nachdem es im letzten Jahr noch 35 Mio Fr. waren. Der Grund für den Einbruch sind fehlende Neuaufträge und das immer kleiner werdende Geschäft mit den LSVA-Anlagen, die unter der Federführung der Fela entwickelt, produziert und in Betrieb genommen wurden ? und zwar pannenfrei, wie Uhlmann gerne festhält.

Das Deutschland-Geschäft käme ihm deshalb gerade gelegen. Der 60-jährige Elektroingenieur ist der Überzeugung, dass ein für Deutschland weiterentwickeltes LSVA-System heute einwandfrei funktionieren könnte. «Doch die Bundesregierung hat sich fatalerweise anders entschieden.» Dass der Entscheid ein Fehler war, liess er Minister Stolpe persönlich wissen. Pünktlich zu dessen Amtsantritt vor über zwei Jahren schickte er ihm eine 12 Punkte umfassende Mängelliste, die mittlerweile den Charakter einer Checkliste habe, wie er süffisant anmerkt. In diesem Schreiben habe er ihn ausdrücklich vor Problemen mit dem Toll-Collect-Projekt gewarnt, das konzeptionell und technisch völlig falsch durchdacht sei (siehe Kasten).

*Massive Steuerausfälle*

Die jüngsten Ereignisse geben ihm recht. Am 31. August 2003 hätte das System ursprünglich an den Start gehen sollen. Fehlanzeige. Dann wurde der Termin auf den November verlegt. Wieder Fehlanzeige. Jetzt wird in Insiderkreisen eine weitere Verlegung des Starttermins auf Ende 2004 oder Anfang 2005 genannt. Zwar räumt DaimlerChrysler jetzt erstmals technische Probleme ein, doch das Debakel ist längst angerichtet. Nicht nur entsteht ein nicht zu ermessender Imageschaden für den Industriestandort Deutschland, es drohen auch massive Steuerausfälle. Laut Stolpe gehen dem Staat pro Monat 156 Mio Euro Steuereinnahmen verloren.

Eine vereinbarte Konventionalstrafe in der Höhe von 7,5 Mio Euro, die das Konsortium für den Monat Dezember jetzt erstmals überwiesen hat, deckt die Ausfälle bei weitem nicht. Dies sollten sie aber, sagt Uhlmann, der ein Gutachten bei einer deutschen Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hat. Gerade auch weil die Regierung die Fela-Offerte aus Finanzierungserwägungen abgelehnt hatte, hat Uhlmann jetzt eine Klage vorbereitet. Er will aber nur dann klagen, wenn seine Firma bei der Behebung des Maut-Debakels nicht zum Zug kommt.

Deshalb wird derzeit in Berlin gefeilscht. Bereits dreimal habe er sich mit Manfred Stolpe persönlich getroffen. Das letzte Mal vor wenigen Wochen, sagt Uhlmann. Debattiert wurde auch über ein allfälliger Einstieg von Fela ins Maut-Konsortium. Dies könnte mit einer so genannten Änderungskündigung bewerkstelligt werden ? was eine komplette Neuausschreibung des Projekts und eine weitere Verschiebung des Starts der Lastwagenmaut um mindestens drei Jahre verhindern würde.

*Zerstrittenes Konsortium*

Möglicherweise kommt dieses Szenario den aktuellen Konsortialpartnern sogar entgegen. Laut Uhlmann gebe es nämlich klare Indizien dafür, dass die Partner des Konsortiums heillos zerstritten seien. In Insiderkreisen werde sogar kolportiert, dass DaimlerChrysler bereit wäre, die Summe von 1 Mrd Euro zu bezahlen, nur um sich aus sämtlichen Verpflichtungen des Vertrags herauszulösen.

Laut Uhlmann kommt aber für Fela ein Beitritt nur dann in Frage, wenn ein weiterer Partner ins Boot geholt werden könnte. Zum Beispiel die deutsche Arbeitsgemeinschaft Gebührenentrichtungssysteme GmbH (Ages), die das seit 1995 geltende Eurovignetten-System betrieb ? auf welches Stolpe ausdrücklich zurückgreifen möchte, falls die Verhandlungen mit Toll Collect bis zum 15. Dezember 2003 scheitern sollten. Entsprechende Gespräche zwischen Fela und Ages hätten bereits stattgefunden, sagt Uhlmann.

Für Uhlmann wird der Deutschland-Deal das letzte grosse Geschäft in seiner langen beruflichen Karriere sein. 1967 gründete er im Alter von 23 Jahren als Werkstudent eine der ersten Leiterplatten-Produktionsstätten in der Schweiz. Sein Götti steuerte damals die nötigen 5000 Fr. Startkapital bei. Uhlmann schuf mit der Fela ein kleines Elektronik-Imperium, das zu Spitzenzeiten 1000 Personen beschäftigte, aber während des Elektronikbooms Mitte der 80er Jahre viel Geld mit Venture-Capital-Beteiligungen verlor.

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