Er spricht ruhig, überlegt, macht immer wieder Pausen. Fast sanft wirkt Felix Richterich im Gespräch. Kein typischer Manager und alles andere als ein Aufschneider oder Blender. Sich selbst sieht Richterich ohnehin mehr als Unternehmer. Umso mehr, seit er Anfang 2004, mit erst 45 Jahren, die operative Führung an den langjährigen Finanzchef des Unternehmens, Adrian Kohler, abgegeben hat. Seither kümmert er sich um die Strategie, langfristige Fragen und weiterhin um die für eine Firma der Nahrungsmittelbranche so wichtige Markenführung.
Die TV-Spots mit Volkskomiker Erich Vock («Wer hat Ricola erfunden?») sind wohl auch das Bekannteste des Familienunternehmens in Laufen bei Basel, das mit 350 Mitarbeitenden jährlich über 230 Mio Fr. umsetzt und seine weltbekannten Kräuterbonbons und Tees mittlerweile in 50 Länder exportiert. Gut vier Fünftel der in Laufen hergestellten Kräuterspezialitäten werden im Ausland verkauft.
Soziale Verantwortung hat Tradition
«Die Aufgabenteilung zwischen Adrian Kohler und mir ist klar geregelt», betont Richterich. «Der CEO hat die volle operative Verantwortung, ich bin vollamtlicher VR-Präsident. Wir ergänzen uns und funktionieren als Team. Ein operativer Entscheid von ihm ist aber ein Entscheid, der nicht nachträglich umgestossen wird.» Es sei ihm wichtig gewesen, nicht einen Rückzug der Inhaberfamilie zu signalisieren. Schliesslich sei er nach wie vor voll da, nach innen und gegenüber den Kunden und Geschäftspartnern. Die Präsenz der Inhaberfamilie sei in einem Familienunternehmen sehr wichtig. Und doch: Der erste familienfremde Geschäftsführer war ein Quantensprung in der Firmengeschichte. «Er ist gut gelungen», bilanziert Richterich nach einem Jahr.
Bereits mit 32 Jahren übernahm Felix Richterich von seinem Vater Hans-Peter Richterich die Geschäftsführung bei Ricola, vor drei Jahren zudem das VR-Präsidium. Zuvor sammelte er nach dem Ökonomiestudium (Spezialgebiet Marketing) an der Uni Basel ausserhalb des Familienbetriebes Erfahrungen. Zuerst bei Jelmoli, dann beim damaligen Bankverein und schliesslich bei einer Vertriebsgesellschaft in Kalifornien, die unter anderem Ricola-Produkte verkaufte. «Das war wahnsinnig wichtig», sagt Richterich im Rückblick, «man hat im eigenen Unternehmen viel mehr Akzeptanz, wenn man sich die Sporen ausserhalb abverdient hat.»
Zu seinem Vater, der seinen Führungsstil selbst als patriarchalisch im positiven Sinn bezeichnete, ist Felix Richterich das pure Gegenteil. «Als Patriarch aufzutreten, wäre damals mit gut 30 auch nicht glaubwürdig gewesen, umso mehr, als ich das überhaupt nicht bin.» Richterich das bestätigen langjährige Mitarbeitenden ist die Führungsperson, die motiviert, die Leute für gemeinsame Ziele gewinnen will und bestrebt ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeitende wohl fühlen. Coachen, überzeugen, motivieren lautet Richterichs Devise.
Das funktioniert gut in Laufen. Noch 1990 betrug der Holding-Umsatz gut 100 Mio Fr. Seither ist er auf fast das Anderthalbfache angestiegen. Weitere Zahlen gibt Richterich in klassischer Manier traditioneller Familienunternehmen nicht bekannt. «Das ist für uns eine persönliche Sache und geht in den Bereich des Persönlichkeitsschutzes», sagt er.
Dabei könnte man Felix Richterichs Grossvater, Ricola-Gründer Emil Richterich, als Gründer des Firmen-Newsletters bezeichnen. Bereits in den frühen 40er Jahren verschickte er den so genannten Richterich-Brief. Darin informierte er die Kundschaft nicht nur über den Geschäftsverlauf, sondern auch über seine persönliche Meinung zur Weltlage oder etwa darüber, dass die Familie zuhause ein Flüchtlingskind aufgenommen hatte.
Die soziale Verantwortung hat bei Ricola Tradition. Sie ist auch für Felix Richterich zentral geblieben. Nach wie vor gilt in Laufen, dass Erfolg nicht Selbstzweck sein darf. Für Richterich sind das keine Worthülsen. Das Unternehmen ist vorbildlich bezüglich Sozialleistungen, zahlt etwa deutlich überdurchschnittliche Kinderzulagen, beteiligt alle Mitarbeitenden am Erfolg und veranstaltet mehrmals im Jahr Aktivitäten für die Belegschaft. Vom Jass- und Fussball-Turnier über Herbstwanderungen mit Picknick bis zum gemeinsamen Besuch von Kunstausstellungen, wie kürzlich geführt vom weltberühmten Architekten Pierre de Meuron. Dieser hat mit Partner Jacques Herzog mehrere Gebäude für die Familie entworfen, so das 1987 fertiggestellte Lagerhaus am Fabrikationsstandort Laufen und auch das neue Marketinggebäude. Zur Richterich-Philosophie gehört es, die Mitarbeitenden zu halten und auch solche weiterzubeschäftigen, die nicht mehr unbedingt ihre volle Leistung bringen.
Ja zur Schweiz
Felix Richterich verteidigt den Produktionsstandort Schweiz und streicht dessen Vorzüge hervor statt zu lamentieren. «Hier in Laufen ist das Unternehmen eine Einheit. Die Produktion ist Teil dieses Systems. Das gibt eine emotionale Beziehung zu den Produkten. Wir haben hervorragende Mitarbeitende. Gerade wenn man einen hohen Automatisierungsgrad hat, fallen gut ausgebildete Ingenieure, Elektriker und Computerspezialisten ins Gewicht.» So stammt jedes Kräuterbonbon, egal wo auf der Welt es gelutscht wird, aus Laufen. Die Konfektionierung, das Verpacken geschieht dagegen dezentral. 250 der 350 Mitarbeitenden arbeiten in Laufen. Ricola ist damit der wichtigste Arbeitgeber im Laufental.
Engagiert Richterich Kaderleute von aussen, muss diesen klar sein, worauf sie sich einlassen. «Sie müssen kulturell zu uns passen. Wir haben keine grossen Stäbe. Jeder muss hier die Ärmel hochkrempeln und eine Affinität zu unseren Grundsätzen haben. Dazu gehört auch eine gewisse Naturbezogenheit», schildert er das Anforderungsprofil.
Die Nähe zur Natur lebt die Familie Richterich vor. Und so ist es kein Zufall, dass sich Felix Richterich vom «HandelsZeitung»-Fotografen am liebsten im Kräutergarten in Nenzlingen oberhalb Laufens fotografieren lässt. Gewiss auch aus PR-Gründen, aber noch viel mehr, weil er sich dort wohl fühlt. Die vier Kräutergärten, die die Firma noch selbst betreibt, dienen als Muster- und Erlebnisgärten. Die Rohstoffe, jährlich über 1000 t Frischpflanzen, bezieht Ricola bei rund 200 eigenständigen Landwirtschaftsbetrieben in der Schweiz. Für viele von ihnen ist der Kräuteranbau für Ricola die Haupteinnahmequelle.
Felix Richterichs Führungsprinzipien
1. Respekt und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiten-den.
2. Klare, gemeinsame Ziele vereinbaren.
3. Den Mitarbeitenden grösstmöglichen Freiraum lassen.
4. Einflussnahme durch Überzeugen und Hinterfragen.
5. Gute Leistungen anerkennen, schlechte kritisieren.
Zur Person
Felix Richterich führt Ricola in dritter Generation. Von 1990 bis Ende 2003 war er CEO, seit 2001 ist er VR-Präsident. Per Anfang 2004 gab er die operative Leitung an Adrian Kohler ab. Der 46-jährige Richterich ist verheiratet und hat zwei Kinder.