Sind die Schrauben original? Stimmt die Farbe des Sitzleders? Ist der Wagen wirklich in Monza durchs Ziel gefahren? Diese und andere Fragen werden im Vorfeld der Ferrari-Auktion im Palace Hotel in Gstaad gestellt und auch beantwortet. Die in der Tiefgarage präsentierten dreissig Ferrari werden von den Gästen bestaunt, beurteilt und im Wert geschätzt. Erst wenn der Hammer an diesem Samstag im Dezember aufs Auktionspult knallt, wird mit dem Verkaufspreis eine letzte Wahrheit ausgesprochen.
Dass die Meinungen über die einzelnen Automobile voneinander abweichen, liegt an der Heterogenität der Gäste, die diese seit 1998 im «Palace» stattfindende Auktion besuchen: Die einen sind klassisch dezent gekleidet, andere kommen wie ein Dandy aus einer Oscar-Wilde-Erzählung daher, weitere tragen einen roten Ferrari-Overall und Schildmütze. Ferrari ist ein zu komplexer Markenmythos, um nur eine Stilgruppe anzusprechen: In Gstaad treffen sich Nostalgiker, die dem italienischen Fünfziger-Jahre-Heroismus nachträumen, Highspeed-Freaks, die sich mit «Schumi» identifizieren, und Technikfetischisten, die ihr höchstes Glück erleben, wenn sie ihren Kopf ganz tief unter einer geöffneten Motorhaube versenken.
In den letzten Jahren hat sich ein Markt für Formel-1-Sammler etabliert. Allerdings gibt es kostengünstigere Hobbys, als den eigenen Wagen an den Nürburgring transportieren zu lassen, dort ein paar Mechaniker zu engagieren, um dann zwei Runden zu fahren. Gleich drei Formel-1-Wagen kamen am 18. Dezember im Palace Hotel unter den Hammer. Der F-399, den Michael Schumacher im Jahr 1999 gefahren hat, erreichte einen Preis von 980 000 Franken.
Als sich die Ferrari in den späten achtziger Jahren in Spekulationsobjekte verwandelten, wurde intensiv restauriert – und das nicht immer mit Originalteilen. Gelegentlich wurden aus einem Auto zwei gemacht. Oder es wurde ein Mercedes-Motor eingebaut. Als Folge der Mogeleien und Spekulationen ist der Markt geplatzt wie eine Seifenblase. Wagen, die vor über einem Jahrzehnt noch für eine Million gehandelt wurden, haben heute einen Verkaufswert von einem Viertel davon. So sind die Autos wieder dort gelandet, wo sie hingehören: bei den Sammlern. Ausgewählte Fahrzeuge wie der in Gstaad für 1,3 Millionen Franken verkaufte California Spyder, Baujahr 1958, bleiben unerhört teuer.
Dass sich die Marke Ferrari aber trotz der geplatzten Spekulationsblase massiv wertbeständiger zeigt als Rolls-Royce oder Bentley, liegt einerseits am universellen Appeal des italienischen Stils, andererseits an der Renngeschichte der Boliden. Und im Vergleich zu Alfa Romeo oder Mercedes, die ebenfalls hervorragende Historie geschrieben haben, hat man in Maranello nie Autos für den Massenmarkt produziert. Allenfalls der Traum vom Ferrari war demokratisiert – nicht aber die Autos selbst.
«Die Besitzer interessanter Ferrari mit einer Renngeschichte wollen oftmals nicht verkaufen, weil sie annehmen, dass die Wagen an Wert gewinnen», sagt Simon Kidston, Auktionator bei Bonhams. Da rufe kaum einer an und sage, dass er einen Ferrari Lusso zu verkaufen habe. Kidston muss diese Autos suchen, wenn er an der Auktion einen ausgewogenen Mix an Autos präsentieren will. Diese Mischung ist notwendig, denn sonst würden die Deals möglicherweise an der Hotelbar statt im Auktionsraum stattfinden. Wenn ein Wagen den geschätzten Mindestwert nicht erreicht, dann versucht Kidston, ihn nach der Auktion zu verkaufen. Falls dies nicht klappt, bedeutet dies sehr viel Zeitaufwand – und null Verdienst. Kidston braucht also gute Kontakte, um zwischen Angebot und Nachfrage vermitteln zu können.
Je billiger der Wagen, umso grösser wird der Einfluss berühmter Vorbesitzer. Etwa beim Ferrari Berlinetta, der einst Filmproduzent Dino De Laurentis und danach Clint Eastwood gehörte und nun für 500 000 Franken verkauft wurde. Und wenn ein unspektakuläres Modell das Rennen in Le Mans gewonnen hat, kann dies den Wert verzehnfachen. Wenn es sich aber um einen bereits sehr wertvollen GTO handelt, dann macht ein Le-Mans-Sieg einen Mehrwert von rund zehn Prozent aus.
«Eine Restauration kann man kaufen, die Geschichte nicht», meint Christian Traber, Präsident des Ferrari Club Switzerland. Gute Autos mit einer intakten Geschichte dürften auch weiterhin ihre hohen Werte behalten können. Und ein gut gewartetes Auto sei immer noch viel günstiger, als wenn ein schlechter Wagen mit Originalteilen restauriert werden müsse, meint Traber.
Welche Teile original sind, das wissen Ferrari-Experten wie Marcel Massini aus Bern, der für solvente Auftraggeber die Geschichte der Fahrzeuge recherchiert. Einmal habe ein Bekannter im Kofferraumdeckel seines Ferrari einen Kleber mit einer sechsstelligen Nummer entdeckt. «Ich habe herausgefunden, dass dies ein italienisches Zulassungszeichen aus dem Jahr 1951 ist», sagt Massini, «wusste aber nicht, von welcher Stadt.» Bis er eruierte, dass Rom zur fraglichen Zeit die einzige Stadt mit sechsstelligen Zulassungszeichen war. Also ging er nach Rom, wo er auf dem Verkehrsamt den Namen des Erstbesitzers erfahren konnte.
Solche Einsätze seien zwar keineswegs kostengünstig, meint Ferrari-Experte Massini, aber wenn es um eine Million Franken gehe, könne sich eine solche Recherche schon lohnen. Die Mehrheit seiner Kunden stammt aus den USA; dort gibt es Sammler, die über hundert Ferrari besitzen. Und die bereit sind, einen Wagen für 25 000 Dollar nach Norditalien transportieren zu lassen, um ein paar Runden um den Comersee zu drehen.
Silvio Mazzola ist mit seinem Ferrari SWB, Jahrgang 1962, quer durch Italien gefahren; der Riviera entlang, durch toskanische Dörfer. Nun ist er nach Gstaad gekommen, um den Wagen für 175 000 Franken zu verkaufen. Ein Ferrari sei heute eine Illusion, meint Mazzola, denn wenn man mit einem F-40 mit 80 Kilometern pro Stunde auf der Strasse fahre, sei der Motor schnell einmal überhitzt. Hinzu komme die Verkehrsdichte – «nun gut, es gibt Leute, die sich damit trösten, immerhin mit einem Ferrari in der Kolonne zu stehen». Und wenn man mit einem alten Ferrari durch eine Stadt fahre, dann hätten allenfalls Buben Freude daran und ein paar Tankwarte, sofern es überhaupt noch welche gebe, meint Mazzola. Das einzige Auto, das heute noch für Aufmerksamkeit sorge, sei der AC Cobra, so Mazzola. «Ach ja, und natürlich der Fiat 500.»