Es gibt sie doch, jene Märchen, die man eigentlich aus dicken Büchern kennt. Eines handelt von Miguel Rodriguez, der im internationalen Uhrenbusiness das hingelegt hat, was man gemeinhin eine Bilderbuchkarriere nennt. Der 56-Jährige stammt aus Spanien, einem Land, das mit Uhrmacherei traditionell nicht viel am Hut hat.

Den Erfolgsweg verdankt der Selfmademan der politischen Vergangenheit seines Heimatlandes. «1968 musste ich wegen meines Widerstands gegen das Franco-Regime, wegen anhaltenden Kampfes für Demokratie aus Spanien flüchten. Mit auf heute umgerechnet 3 Euro in der Tasche erreichte ich die Schweiz.»

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Danach halfen Fortüne und Zufall kräftig mit. «Zuerst arbeitete ich als Kellner, dann als Kochhilfe und Tellerwäscher in einem Spital. Irgendwann in den 70er Jahren, die politische Situation in Spanien hatte sich gewandelt, fragte mich ein spanischer Bekannter, ob ich ihm eine Schweizer Uhr mitbringen könne.» So landete Rodriguez in jenem Metier, welches ihn bis heute beschäftigt. Nicht ganz auf «legalem Weg», wie Rodriguez bestätigt. Die hohen spanischen Zölle veranlassten ihn, sein ganzes Geld zusammenzukratzen, die erbetene Uhr zu kaufen und nach Spanien zu schmuggeln. Dort war der Besteller zwischenzeitlich von der Bildfläche verschwunden. Nach einigem Suchen fand sich ein anderer Käufer, der allerdings mehr als eine einzige Uhr haben wollte. «Also schmuggelte und verkaufte ich. So entwickelte sich mein Bezug zu Uhren.»

Der wiederum mündete Ende 1978 in der eigenen Uhrenmarke Lotus. Indessen träumte Rodriguez von Festina, einer eidgenössischen Marke mit Tradition. «Das war wie eine Spielzeugeisenbahn, die ich besitzen wollte, aber nicht bekommen konnte. Wenn mir anfangs jemand gesagt hätte, die wird dir eines Tages gehören, hätte ich ihn nur ausgelacht.» Mit 36 konnte der Spanier Festina kaufen. Sein Traum ging in Erfüllung.

Positive wie negative Erfahrungen mit Radsport

Der daran anknüpfende Erfolg basierte zu einem guten Teil auf gezieltem Radsport-Sponsoring. In dieser Hinsicht besitzt Rodriguez trotz gewisser Rückschläge bis heute seine eigene Philosophie: «Eine Firma, die gut verdient, besitzt die Verpflichtung, einen Teil des Gewinns wieder an die Gesellschaft zurückzuführen. Nicht nur auf dem Weg über Steuern, denn dann wandert das Geld in unliebsame Kanäle, werden Waffen gekauft und Kriege geführt. Ich wollte ein Team von Radfahrern unterstützen.»

Das Festina-Profi-Team allerdings bereitete seinem ambitionierten Förderer durch einen beispiellosen Dopingskandal stressige Tage und schlaflose Nächte. Rodriguez bezeichnet die damaligen Wochen als schlimmste Epoche seines umtriebigen Lebens. «Wir als Festina hatten mit der Sache gar nichts zu tun. Aber wir konnten auch nichts beeinflussen. Dieser Skandal hätte in der Tat mein mühsam aufgebautes Lebenswerk zerstören können.» Trotz ungemeiner innerer Anspannung reagiert der Spanier äusserlich gelassen. Er und seine Mannschaft hielten sich still, sodass der Kelch letztendlich an Festina vorüberzog.

Weil Rodriguez gleichwohl nicht tatenlos zusehen wollte, unterstützte er anschliessend fünf Jahre lang eine französische Anti-Doping-Stiftung. Eine andere Stiftung fördert junge Menschen, die gerne studieren möchten, sich aber kein Studium leisten können. Rodriguez schiesst in die Stiftung Geld ein, obwohl der Erfolgsmensch mehr an den Willen als an Intelligenz, mehr an den Erfolg harter Arbeit als an denjenigen reiner Klugheit glaubt. «Ich habe schon immer geschuftet, wenn andere schliefen. Mindestens 12 Stunden jeden Tag. Nur das bringt einen definitiv weiter.»

Festinas Preise haben eine soziale Komponente

Sehr viel weiter, wie man an den Geschäftszahlen deutlich ablesen kann. Etwa 3,5 Mio Zeitmesser bringen die verschiedenen Marken der in Barcelona beheimateten Festina-Gruppe jährlich an die Frau oder den Mann. Diese Zahl kommt nicht von ungefähr. Rodriguez verfolgt eine ausgesprochen eindeutige Produkt- und Marketingstrategie. «Wir kalkulieren die Preise unserer Produkte auch mit Blick auf eine soziale Verantwortung. Wir wollen, dass alle Seiten zufrieden sind. Auch unsere Kunden. Und das passiert nur, wenn die Publikumspreise stimmen. Sehen Sie, ich kann nicht verstehen, dass ein Krokoband irgendwo 300 Fr. und mehr kostet. Das Leder kommt aus Zentralamerika, wo die Löhne niedrig sind. Zum Spass frage ich dann mitunter: Werden bei euch die Alligatoren wohl mit der Flasche gross gezogen, weil eure Lederbänder derart viel kosten?»

Obwohl «Senor Festina» nichts, aber auch gar nichts gegen Luxus hat und seinen 115000 Euro teuren Mercedes 500 SL mit Freuden durch die Lande chauffiert, zeigt er immer wieder soziale Verantwortung. In Südchina unterhält Rodriguez eine Fabrik für Uhrengehäuse und -bänder. Als er sie von einem Mitbewerber übernommen hatte, setzte er sich massiv für spürbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. Teilweise gegen den erklärten Willen der Behörden. Am Ende hatte Rodriguez auch hier seinen Kopf durchgesetzt. «Wir haben bessere Verpflegung und Dienstkleidung eingeführt. Dazu den 8-Stunden-Arbeitstag bei gleicher Bezahlung. Und trotzdem produzieren wir so viel wie zuvor in 12 Stunden.»

Festina-Uhren für Chinesen sind derzeit hingegen nur schwer vorstellbar. «Wir versuchen, Armbanduhren zu machen, die 80% der Europäer gefallen könnten. Das ist Herausforderung genug.» Vielleicht macht sich Miguel Rodriguez deswegen so rar. Auf Interview-Anfragen reagiert er extrem zurückhaltend. «Als Person bin ich nicht wichtig. Bedeutsam sind unsere Produkte sowie die Philosophie, Design und Qualität zum richtigen Preis anzubieten. Ausserdem das ganze Team drum herum. Meine Wenigkeit spielt da eine wirklich untergeordnete Rolle.» Bei aller Bescheidenheit bezüglich seiner eigenen Person hat der erfolgreiche Uhrenfabrikant noch einiges vor. Dazu gehören weiteres Wachstum durch Verbreiterung der Markenpalette und die Fokussierung auf höherwertige Produkte.

Was passiert mit den beiden Mechanik-Marken?

Eher leise und zurückhaltend hat Rodriguez im vergangenen Jahr die Mechanik-Marken Leroy und Perrelet erworben. Daraus, dass es dort viel zu tun gibt, macht er keinen Hehl. Als Statthalter wurde der erfahrene Manager Herbert Arni etabliert. Der soll und muss beweisen, dass die Festina-Gruppe auch in neuen Geschäftsfeldern erfolgreich sein kann. Ja, und dann soll es schliesslich auch noch in die Breite gehen. «Aber dazu kann und will ich gegenwärtig noch nichts sagen. Die Zeit ist noch nicht reif dafür. Warten Sie es ab. Sie werden staunen.»

Festina-Gruppe

Mit Schweizer Produktionsstätten

Die Festina-Gruppe wurde 1978 vom Spanier Miguel Rodriguez ins Leben gerufen und befindet sich bis heute in seinem Alleineigentum. Der Hauptsitz der Unternehmensgruppe steht in Barcelona. Derzeit umfasst das Markenportfolio unter anderem Festina, Lotus, Jaguar, Candino, Calypso, Leroy und Perrelet.

Mit jährlich mehr als 1 Mio verkauften Uhren und zweistelligen Zuwachsraten ist Lotus die führende Marke auf dem spanischen Markt. Weltweit stehen etwa 2000 Beschäftigte bei Festina auf den Gehaltslisten. Produktionsstätten gibt es in der Schweiz, in Asien und in Spanien. In Córdoba ist das Gold-Zentrum der Festina-Gruppe ansässig. Dort gehen das Design und die Herstellung von Golduhren über die Bühne. Die Gruppe unterhält ein Qualitätssicherungs-Labor, in dem sämtliche Komponenten und Fertigprodukte erprobt sowie einer strengen Kontrolle unterzogen werden.

Uhren (mit Ausnahme von Leroy und Perrelet), die auf dem Zifferblatt das Swiss made tragen, entstehen in einer firmeneigenen Produktionsstätte in Herbetswil. Dort können täglich bis zu 2000 Uhren fertig gestellt werden.

Tochtergesellschaften der Festina-Gruppe gibt es in der Schweiz, in Frankreich, Deutschland, Italien, Tschechien und Chile.

Global betrachtet ist die Festina-Gruppe auf fünf Kontinenten in mehr als 65 Ländern operativ tätig.

Festina

Zurück in den Radsport

Ein Rad-Profiteam wird sie kaum mehr stellen, die Uhrenmarke Festina. Anderseits sind die Spanier überzeugt von der Publikumswirksamkeit der Pedaleure. Auf Umwegen ist man deshalb im Schweizer Radsport wieder mit dabei: Festina hat einen Drei-Jahres-Vertrag als offizieller Zeitnehmer der Tour de Suisse sowie der Tour de Romandie unterschrieben.

Schon seit vielen Jahren tritt Festina als Zeitnehmer bedeutender Radsportveranstaltungen, wie etwa der Tour de France, auf. Nun wird der Uhrenhersteller sein Know-how und seine Sachkompetenz auch in den Dienst der beiden Schweizer Sportereignisse stellen. Der Generaldirektor von Festina Schweiz, Jean-Claude Schwarz: «Mit diesem Sponsoring stellen wir erneut unser Engagement für den Radrennsport unter Beweis und unterstreichen die Wichtigkeit des Schweizer Markts.» Die 1902 in der Schweiz gegründete Festina war bereits früher jahrelang offizieller Zeitnehmer der Tour de Romandie.