Fidel Castro ist zornig, und das Volk ist es, das den Unmut des Despoten am heftigsten spürt. Während eines viereinhalb Stunden langen Fernsehauftritts zetert, wütet, schimpft und hadert der Máximo Líder von Kuba auf das amerikanische Magazin «Forbes». Wer weiss, dass ein Auftritt des bald 80-jährigen Greises für seine Untertanen schwer zu umgehendes Pflichtprogramm ist.
Aus der Binnensicht des in die Jahre gekommenen Revolutionärs ist der Zorn jedoch mehr als verständlich. «Forbes» hatte ihn in der Liste der wohlhabendsten Könige und Diktatoren auf Platz sieben taxiert mit einem angeblichen Vermögen von rund 900 Mio Dollar.
Eine grössere Schmach und einen schlimmeren Vorwurf kann es für einen bekennenden Kommunisten kaum geben, als zu den Mega-Reichen zu zählen und gleich auf Ölscheichs und den Fürsten von Monaco zu folgen. Insbesondere dann, wenn der verschwindend kleine Sektor der Privatwirtschaft auf Kuba unter horrenden Steuern leidet, wenn teils Lebensmittel und Energie rationiert sind.
Es ist aber beileibe nicht das erste Mal, dass dem in die Jahre gekommenen Revoluzzer indirekt vorgeworfen wird, sein Dasein auf einer der letzten kommunistischen Bastionen mit Segnungen zu versüssen, wie sie besser einem Feudalherren zu Gesichte stünden und wie er sie auch aus seiner Jugend gekannt haben muss.
Wohlhabend aufgewachsen
Castro ist der Sohn eines reichen Plantagenbesitzers, wurde dann Rechtsanwalt, der massgeblich ärmere Klienten hatte, und ging aus politischer Überzeugung nacheinander in den Untergrund, ins Gefängnis und die zeitweilige Armut.
Im Herbst 1990 berichtete die sowjetische Zeitung «Komsomolskaja Prawda», dem Herrscher über die Pazifikinsel stünden ständig 32 Häuser in allen Regionen des Landes zur Verfügung, dazu ein Heer von 9700 Leibwächtern und zwei unterirdische Bunker. Seine ungewöhnlich grosse Zuneigung zum weiblichen Geschlecht drückt sich in der Zahl seiner Kinder aus: Sieben, die er anerkannt hat, und weitere sechs, die ihm dem Munzinger Archiv zufolge nachgesagt werden.
Das amerikanische Magazin «Forbes» hatte ihn erstmals 1998 geschätzt auf vergleichsweise bescheidene 100 Mio Dollar. Damals war immerhin die englische Königin noch reicher als Fidel. 2005 hatte er dann angeblich schon 550 Mio Dollar.
Allerdings, und das macht die Rechnung von Forbes angreifbar, beruhen die Angaben grossteils auf Vermutungen. Das Magazin hat eine einfache Regel angewandt, um sich an die Höhe der Vermögen anzunähern: Nicht die Reichtümer selbst wurden mitgezählt, sondern lediglich die Einkommen, die wiederum mit den Vermögensgegenständen erzielt werden. Und da wird Castro die Kontrolle über ein Netz an staatseigenen Firmen zugeschrieben. Ausserdem verlässt sich «Forbes» auf Aussagen ehemaliger Staatsdiener, nach denen Castro in den vergangenen Jahren nach Gutdünken Geld aus dem laufenden Geschäft der Konzerne gezogen haben soll. Auf die Summe von 900 Mio Dollar kommt das Magazin, indem es den Wert aller von Castro kontrollierten Firmen schätzte, und dann einen nicht veröffentlichten Anteil annahm, den Castro regelmässig abgezweigt haben soll. Die Schätzung sei konservativ, wie das Magazin erläutert. Denn die Zinsen von Schweizer Nummernkonten, die Castro gerüchteweise angelegt haben soll, wurden nicht mit eingerechnet.
Castro selbst wehrt sich gegen den «abscheulichen Rufmord» mit dem Argument, jeder sehe, dass mit den Einnahmen dieser Firmen Importe bezahlt würden laut dem Regierungsorgan Granma im Wert von 44 Mrd Dollar allein seit 1996. Und verweist lieber auf Wohltaten.
Zu seinem Fernsehauftritt brachte er eigens Francisco Soberón mit, Präsident der kubanischen Zentralbank. Der attestierte pflichtschuldigst, kein Mitglied der Nomenklatura und schon gar nicht der Führer selbst könnte bei den rigiden Devisenbestimmungen Geld ausser Landes schaffen. Castro nennt seinen Lebensstil immer bescheiden. Bei früherer Gelegenheit sagte er, sein Vermögen passe in die Hemdtasche des amerikanischen Präsidenten Bush.
Forbes selbst allerdings sagt, und das entwertet ihre Rechnung dann doch ein wenig, es handle sich bei der Vermögensangabe etlicher Staatslenker, darunter Castro, mehr «um Kunst als um Wissenschaft». Was daran liegt, dass in hermetischen Systemen die Informationsbeschaffung schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist.