Andeer-Marmor aus Graubünden, Stahl, grosse Glasflächen und Treppen mit sanft schwingenden Stufen: Die Materialien und die auf Bauhaus-Philosophie reduzierte Architektur der Firma Outils-Rubis in Stabio sind sichtbarer Ausdruck der Corporate Identity, die durch alle Bereiche geht. In den Produkten wird sie im funktionellen Design sichtbar und in der Firmenkultur in den Zertifizierungen SA 8000 (Social Accountability).

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Die Firma produziert und exportiert seit über 60 Jahren Präzisions-Pinzetten in die ganze Welt. Der Name Rubis stammt von den ersten Präzisions-Pinzetten, mit denen früher Rubine in Uhrwerke eingesetzt wurden. Inzwischen ist Rubis zum Hoflieferanten grosser Kunden wie Motorola, Siemens, General Electric, IBM, Hewlett Packard, NEC und Toshiba avanciert. Parallel zu den Industrie-Produkten hat das Tessiner Unternehmen sein Know-how für Kosmetik und Luxus-Konsumgüter eingesetzt. 90% der Produkte gehen nach Nordamerika, Europa und Asien, nur 10% bleiben in der Schweiz. Rund 40 Mitarbeiter allesamt Grenzgänger fertigen die Produkte in der Endphase in Handarbeit und verleihen dem Produkt damit den letzten Schliff. Der erste Teil der Arbeitsabläufe ist geschickt automatisiert. Dies sei «ein Must, soll der Standort Schweiz erhalten werden».

Mit 30 an die Spitze

Als Fides Baldesberger 1984 das Aktienkapital ihres drei Jahre zuvor verstorbenen Vaters übernahm, stand das Unternehmen kurz vor dem Zusammenbruch. Der Geschäftsführer war bereits über 70 und wurde kurz danach ausgewechselt. Fides Baldesberger war noch keine 30, doch wusste sie gleich: «So gut wie er kann ich es auch.»

Das Chaos, dem sie sich gegenüber sah, war perfekt: «Uralte Gebäude, völlig überholte Strukturen, veraltete Maschinen, die Kunden waren abgewandert, neue Produkte nicht in Sicht. Es war schrecklich.» Dass es ihr gelungen ist, das marode Unternehmen zu einem weltweit erfolgreichen Hersteller von Präzisions-Pinzetten für Kosmetik, Luxus-Konsumgüter, Elektronik und Industrie zu führen, hat viele Gründe. Einer davon ist, so glaubt sie, dass man damals von ihr nicht das erwartete, was man von einem männlichen Nachfolger erwartet hätte. «Ich konnte also nur gewinnen.» Fides Baldesberger musste Prioritäten setzen und im Grunde eine völlig neue Firma starten, neue Märkte erobern und neue Produktelinien kreieren.

Darüber, dass Gebrauchsgegenstände trendig, schön und elegant sein können, hatte sich zuvor niemand Gedanken gemacht. Schliesslich sind Kosmetik-Pinzetten und Scheren keine Kultartikel. Inzwischen haben die ästhetischen Produkte mit ihrem funktionellen Design eine Menge Preise gewonnen und sind weltweit zwischen den USA, Europa und Asien zu Lifestyle-Objekten in Trendblättern, Frauenzeitschriften und Männermagazinen avanciert. Bloss etwas findet die Rubis-Chefin schade: «Nur in der Schweiz ist unser Markt sehr klein. Doch gilt ja bekanntlich der Prophet nichts im eigenen Land.»

Ohne Ökonomiestudium, doch mit einem Rucksack voll Erfahrungen hat Fides Baldesberger ihr Ziel erreicht. Vom Studium der Kunstgeschichte hat sie gelernt zu relativieren, «weil in der Kunst auch alles relativ ist». Nach ihren USA-Studien hat sie zwei Jahre als Gemmologe bei Libanesen gearbeitet und dabei den Handel mit Edelsteinen gelernt und hautnah die Regeln der Geschäftswelt gespürt. Das war wohl die beste Handelsschule, davon ist sie überzeugt.

Zehn Jahre lang hat sie das Geschäft in Stabio in allen Bereichen Design, Markterschliessung, Produktion, Verkauf fast alleine geführt und absolut unbezahlbare Erfahrungen gemacht. Dazu kamen Entscheidungen, die sich manchmal später als Fehler herausstellten. Beispielsweise beim Umgang mit Banken oder in der Zusammenarbeit mit Designern. «Hat man diese Erfahrungen nicht selbst durchgemacht und versteht man vom Produkt und der Produktion nichts, sind die Voraussetzungen schlecht, je ein Produkt zu marktgerechten Preisen herzustellen», sagt sie heute.

Seit ein paar Jahren wird sie von einem Fabrikationsdirektor und seit einem Jahr von einem Verkaufsdirektor unterstützt. Eigentlich wollte sie mit dieser Neubesetzung mehr Freiräume für sich gewinnen. Doch sieht es vorerst nicht danach aus: Zwei neue VR-Mandate beim Roten Kreuz und der Swisscom nehmen sie derzeit noch stärker in Beschlag.

Unkonventionelle Führung

Als eine der ersten Schweizer Industrieunternehmen hat Outils Rubis die Zertifizierung SA 8000 (Social Accountability) erhalten. Damit verpflichtet sie sich, hohe Standards gegenüber ihren Mitarbeitenden und Lieferanten einzuhalten, Standards wie gerechte Entlöhnung und faire Arbeitsbedingungen. «Das Verhältnis zu unseren Mitarbeitern ist uns ganz wichtig. Darum sind wir offen für Ideen und Vorschläge. Aber wir erwarten nicht nur Ideen, sondern auch Lösungen», bemerkt sie.

Sie ist überzeugt, dass die Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen identifizieren auch deshalb, weil sie sehr gute Arbeitsbedingungen vorfinden und erfahren, was eine alles umfassende Corporate Identity auch für sie bedeutet.

Die Firma ist klein, man begegnet sich. Fides Baldesberger wird daher als zentrale Figur wahrgenommen. Sie sieht ihren Führungsstil als unkonventionell. «Das ist vielleicht nicht für alle Mitarbeiter immer einfach», räumt sie ein, denn es gebe schliesslich auch Menschen, die klar geführt werden wollen.

Doch da es keine Fluktuationen gibt und die meisten Mitarbeiter vom Eintritt ins Unternehmen bis zur Pension bleiben, sieht sie sich darin bestätigt, dass sie alle mit ihrer Arbeit und dem Umfeld zufrieden sind.



Zur Person

Fides Baldesberger, 1953, studierte in Genf Kunstgeschichte, Archäologie und Englischliteratur. Weiteres Studium in Amerika, am Gemological Institute mit Abschluss als Graduated Gemologist/GG. 1984 Eintritt in die Outils Rubis SA in Stabio. 1987 wird sie als Geschäftsführerin auch VR-Präsidentin der Firma. 1988 Unternehmerin des Jahres bei Veuve Clicquot, 2001 Unternehmerin des Jahres bei Ernst & Young. Mitglied der Rüstungskommission des Eidg. Departements VBS und Mitglied des VR der Swisscom.



Fides Baldesbergers Führungsprinzipien

1. Pragmatisch führen

2. Hohe Qualitätsstandards gegenüber Mitarbeitenden und Kunden

3. Ausdauer und Durchsetzungskraft

4. Zeitlich und finanziell Prioritäten setzen

5. Risiken abwägen - trotzdem innovativ sein

6. Nur das Beste ist gut genug



Der ewige Kampf des Branchenführers: Swiss Made und Design-Patente

«Made in Switzerland ist weltweit noch immer ein wichtiges Gütesiegel», sagt Fides Baldesberger. Grund genug, um auch in Zukunft in der Schweiz zu produzieren. «Wenn ich in Asien produzieren würde, hätte ich Qualität, Präzision und Design nicht mehr unter Kontrolle», be-tont sie. Verständlich, dass Kopien für die Rubis-Chefin ein «widerliches und ärgerliches Problem» sind.

Als Branchenleader bringt Rubis immer wieder neue Kreationen auf den Markt, die schon diverse Designpreise gewonnen haben und die eigene Handschrift tragen. Das gibt dem Unternehmen einen Vorsprung vor den Kopisten, die versuchen, sich an den Erfolg anzuhängen. Daher besitzt Outils Rubis SA in verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt über 20 Muster- und Design-Eintragungen, Gebrauchsmuster und Patente. (win)