Die Firma Fiege gehört zu denjenigen Logistik- und Speditionsunternehmen, welche grössere Tonnagen auf dem Schienenweg transportieren. Welche Erfahrungen machte man in jüngster Zeit mit dem Schienengüterverkehr?
Luigi Häfliger: Aus unserer Sicht ist es in jüngster Zeit eher schwieriger geworden, Transporte mit den Bahnen innert einer vernünftigen Frist und zu marktgerechten Preisen zu realisieren. Es vergeht immer noch viel zu viel Zeit, bis ein neues Projekt mit den Bahnen tatsächlich realisiert werden kann.
Jetzt funktioniert doch aber seit mehr als einem Jahr die viel gelobte durchgehende Traktion zwischen Nordeuropa und Italien. Hat sich dadurch die Situation nicht verbessert?
Häfliger: Man muss hier unterscheiden zwischen den Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, d.h. den Freeways zwischen Nordeuropa und Italien. Diese direkten Verbindungen funktionieren heute mit der One-stop-Strategie recht gut. Sobald aber diese Transporte mit Vor- bzw. Nachlauftransporten zu den Abgangsstationen verbunden sind oder von verschiedenen Bahnen durchgeführt werden, beginnen die Probleme. In dieser Beziehung ist eben erst ein kleiner Bereich des Schienenverkehrs wirklich liberalisiert.
Sind denn die Bahnen überhaupt in der Lage, einen flächendeckenden Transport in Europa anzubieten?
Häfliger: Dies ist praktisch unmöglich, dafür ist der Aufwand schlicht zu gross. Zudem müssten die Bahnen ihre Infrastruktur massiv modernisieren.
In Europa wird von den Politikern immer wieder gefordert, möglichst viele Gütertransporte auf die Schiene zu verlagern. Sind denn die Kunden auch bereit, die Schiene als Transportweg zu nutzen? Oder, anders gefragt, wer entscheidet, welcher Transportweg schlussendlich genutzt wird?
Häfliger: Es ist eigentlich ganz einfach: Die Ökologie hört beim Portemonnaie auf. Oder, anders ausgedrückt, den Kunden interessiert in erster Linie der Preis des Transportes und der Zeitpunkt, wann die Ware am Zielort eintrifft. Kein Unternehmen kann bzw. will mehr bezahlen für einen Transport auf der Bahn.
Fiege transportiert aber beispielsweise für einen Kunden aus der Getränkebranche Wein von Italien nach Grossbritannien auf der Schiene. Funktioniert das?
Häfliger: Nach langwierigen Verhandlungen mit den involvierten Bahnen ist es uns gelungen, diesen Transport zu realisieren.
Hier handelt es sich um Wein. Gibt es denn spezielle Güter, die sich besonders für den Schienentransport eignen?
Häfliger: Vor allem Massengüter und terminunempfindliche Güter eignen sich für den Schienentransport. Es gibt durchaus Verkehre, die sich in zeitlich vernünftiger Frist mit der Bahn abwickeln lassen, vorausgesetzt, die Transportqualität (Pünktlichkeit) stimmt.
Einer dieser Verkehre dürften die Papiertransporte sein, welche Fiege von Skandinavien nach Basel und Chiasso durchführt. Funktioniert das zu Ihrer Zufriedenheit?
Häfliger: Papierrollen sind zwar ideale Güter für den Schienentransport. Aber auch hier rückt Just in time immer stärker in den Vordergrund. Das heisst, Hersteller wie Empfänger wollen ihre Läger reduzieren, um Kosten zu sparen. Diese Transporte müssen also in zunehmendem Masse just in time abgewickelt werden.
Dieser zunehmende Druck, die Kosten zu reduzieren und damit auch die Transporte zu optimieren, bringt die Bahnen in Zugzwang, ebenfalls ihre Transportabwicklung zu optimieren. Sind diese dazu in der Lage?
Häfliger: Wenn die Bahnen in der Lage sind, in Zukunft die Pünktlichkeit der Züge, vor allem aber die zuverlässige Planbarkeit der Transporte zu verbessern, werden sie auch weiterhin eine Chance haben.
Dazu müssten aber auch die Güterzüge durch Europa prioritärer behandelt werden, d.h. es darf nicht mehr sein, dass die Personenzüge stets vor den Güterzügen die Vorfahrt haben.
Häfliger: Diese Regelung müsste so rasch wie möglich geändert werden. Aber auch die Trassennutzung könnte noch deutlich optimiert werden, vor allem an den Wochenenden.
Wie beurteilen Sie das derzeitige Tarifniveau von SBB Cargo im Inland?
Häfliger: Das Tarifniveau im Inland ist im Vergleich zum Ausland zu hoch. Dazu kommt, dass SBB Cargo derzeit versucht, mit der Einführung zusätzlicher Gebühren, wie z.B. Rangiergebühr oder Zustellgebühren, die dem Kunden verrechnet werden, die Ertragslage zu verbessern. Dies wiederum führt zu einer weiteren Verteuerung der Schienentransporte.
Wäre ein Engagement der Firma Fiege als Traktionär vorstellbar?
Häfliger: Das wäre für uns keine Alternative, denn es gibt genug Traktionäre, welche diese Aufgabe übernehmen können.
Bahnkunden beklagen oft die zu wenig ausgebildete Bereitschaft zu den Dienstleistungen rund um den Transport seitens der Bahnen.
Häfliger: Die Bahnen vertreten in zunehmendem Masse den Standpunkt, sie könnten die einzelnen Transportaufgaben in eigener Regie übernehmen, müssten also nicht unbedingt mit den Logistik- bzw. Speditionsfirmen zusammenarbeiten. Wir stellen fest, dass die Bahnen sich in vermehrtem Masse in den Vor- und Nachlauf des Transportweges einschalten und diese Transporte in eigener Regie durchführen wollen und dies dem Kunden auch bereits anbieten. Unserer Ansicht nach könnte ein verbesserter Dialog zwischen Bahnen und Logistiker zu einer weiteren Steigerung des Schienenverkehrsvolumens führen.
Die neuen Mitgliedsländer der EU im Osten Europas gewinnen in den kommenden Jahren als zukünftige Märkte für europäische Unternehmen stark an Gewicht. Welche Chancen sehen Sie, diese Märkte auf dem Schienenweg zu beliefern?
Häfliger: Für die Bahnen sind durchaus Chancen vorhanden, in Mittel- und Osteuropa neue Verkehrsvolumina zu generieren, vor allem im Kombinierten Verkehr.
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Zur Person:
Geboren: 1953
Familie: Verheiratet
Funktion: Mitglied der Geschäftsleitung der Fiege Logistik (Schweiz) AG und Leiter Bahnlogistik
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Fiege Logistik Schweiz
Über 480 Mitarbeiter. Vertreten in 45 Ländern weltweit.
Logistikfläche In der Schweiz über 71000 m2
Umsatz: 250 Mio Fr. (2004)