Die Branche der Finanzmarktdatenanbieter bewegt sich in einem ein Milliardenmarkt: 6,9 Mrd Dollar Umsatz hat sie im Jahr 2001 erzielt, 2003 waren es noch 6,7 Mrd Dollar gewesen. Dabei stagnierte bereits in den fünf Jahren zuvor das Wachstum. Die neusten Zahlen für 2004 werden erst im April veröffentlicht, wenn Inside Market Data Reference (IMD) die jüngste Ausgabe ihrer jährlichen Sektoranalyse der Finanzmarktdatenanbieter vorstellt.
Gross sind die Hoffnungen auf Wachstum unter Beobachtern aber nicht. Auch wenn sich die Finanzwelt langsam vom Platzen der New-Economy-Blase erholt. Das Resultat ist vor allem eins: Ein erbitterter Kampf um Marktanteile zwischen Bloomberg und Reuters mit Thomson Financial als hartnäckigem Dritten im Bund.
Seit 2001 gingen innerhalb zweier Jahre rund 20000 Arbeitsplätze in der Londoner City und gegen 60000 an der Wall Street verloren. Die verbleibenden Angestellten spürten den Rotstift, als kostspieliger Schnickschnack gestrichen wurde. Darunter fanden sich auch viele Datenabonnements, was Reuters an den Rand des finanziellen Kollapses brachte mit einem Verlust von fast 500 Mio Pfund in 2002.
Bloomberg hat Reuters an der Spitze abgelöst
Obwohl in der breiten Öffentlichkeit am ehesten als Nachrichten- und Fotoagentur bekannt, stammen nur 7% des Umsatzes von Reuters aus dem Mediengeschäft. Der Rest geht fast ausschliesslich auf das Konto von Dienstleistungen an Finanzmarktakteure, ein Gebiet, in dem Reuters über lange Zeit den Spitzenrang vor Bloomberg belegte. Doch das Blatt hat sich zu Gunsten des New Yorker Konkurrenten gewendet, und mit Thomson Financial ist ein Player im Markt, der die Schwäche von Reuters nutzen will. Die Zeiten sind vorbei, als jeder Anbieter in seinem eigenen Gärtchen wuchs.
Die Jagd auf Marktanteile der Konkurrenten ist eröffnet und damit fiel der Startschuss zu Restrukturierungen. Thomson Financial begann damit bereits 1997, stiess für 7 Mrd Dollar Assets ab und kaufte für 9 Mrd Dollar neue dazu. Angebote aus der unendlichen Produkteliste von Thomson (unter anderem Datastream, First Call) wurden koordiniert und unter dem neuen Flaggschiff «Thomson ONE» in variablen Kombinationen zusammengeführt. Gemäss IMD könnte es vielleicht noch etwa ein Jahr dauern, bis diese Investitionen sich in markanteren Marktanteilsgewinnen niederschlagen.
Vereinfachung wurde auch bei Reuters verordnet, allerdings eher notgedrungen. Neben einem massiven Personalabbau von 4300 Stellen seit 2001 wurde die Produktpalette von 1300 auf etwa 50 zusammengestrichen. Über die nächsten zwei Jahre sollen Kunden von den alten Systemen auf die neuen wechseln. Gleichzeitig wurden Akquisitionen getätigt (die jüngste ist der Kauf der Nummer vier im Geschäft, Telerate) und neue Initiativen gestartet, die sich besonders gegen Bloomberg richten. Neu wird auf der US-Website des Unternehmens beispielsweise ein Fernsehprogramm angeboten, ähnlich wie Bloomberg TV. Ausserdem wurde versucht, im Fixed-Income-Bereich stärker Fuss zu fassen, wo Bloomberg dominiert.
Doch Bloomberg konnten diese Attacken bis jetzt nichts anhaben. Die private Gesellschaft, die keine Daten zum eigenen Unternehmen veröffentlicht, bietet nämlich schon seit Jahren lediglich ein Produkt an. Der Fokus liegt auf dem Top-Kundensegment, wo die Einnahmen am höchsten sind, während Thomson und Reuters auch in den tieferen Ligen fischen. Unter Händlern gilt Bloomberg als das bessere Produkt und die Treue dazu ist es laut IMD, welche es dem Unternehmen erlaubte, höhere Preise durchzusetzen. Gleichzeitig kursieren aber jede Menge Gerüchte, dass Bloomberg das Wachstum mit massiven Preisnachlässen fördere.
Thomson lässt sich für den Frontalangriff Zeit
Der neuen Nummer eins kommt zweifellos zugute, dass Reuters weiterhin eine Baustelle ist und sich Thomson mit dem Frontalangriff Zeit lässt. Beobachter fürchten jedoch Selbstgefälligkeit, sodass das alte Bloomberg-System veraltet. Dies könnte kleineren Konkurrenten Möglichkeiten eröffnen, die sich wie Interactive Data Corp oder SunGard bereits in Nischen etablieren.
Die grösste Gefahr stammt jedoch von den Börsen. Wo Zeit Geld ist, macht es Sinn, Marktdaten zum Beispiel direkt von der London Stock Exchange zu beziehen und diese mit den wachsenden technischen Möglichkeiten selber auszuwerten. Vielleicht sollte Michael Bloomberg sich also beeilen. Obwohl vom Unternehmen dementiert, halten sich Gerüchte, dass der Mehrheitsaktionär seinen Anteil verkaufen wolle. Das Gerücht hält sich umso eher, als dass immer wieder von Gesprächen zwischen Microsoft und Bloomberg-Leuten berichtet wird.
Silvia Jelenz, New York
Die drei Grossen
Bloomberg Reuters Thomson Financial
Sitz New York, USA London, GB New York, USA
Umsatz 2003 keine Angaben 3.2 Mrd Pfund 1.5 Mrd Dollar
7.13 Mrd Fr. 1.77 Mrd Fr.
Mitarbeitende 8200 14700 7700
Eigentümer Michael Bloomberg Breit gestreutes Thomson Corporation,
(Gründer, etwa 70%), Aktionariat (Fidelity Familie Thomson ist
Merrill Lynch (20%) Invest. UK mit 6% Mehrheitseigentümerin
grösster Aktionär)
Börsenkotiert Nein London Thomson Corporation:
New York, Toronto
Marktanteil 43% 40% 6%
Quelle: Unternehmensangaben/IMD-Referenzen