Es ist klar: Die Marken der grossen Schweizer Konzerne, von Swatch ebenso wie von Richemont, investieren Millionen von Franken in ihre Produktionsstätten. Investitionen sind ein Muss. Laufend werden die Firmenstandorte oder Aussenstellen erneuert, umgebaut, ergänzt, erweitert. Zum Teil entstanden wie beispielsweise von Breitling Chronométrie SA in La Chaux-de-Fonds nahe des Regionalflugplatzes Les Eplatures komplett neue Produktionsstätten auf der grünen Wiese. Oder es wird, wie aktuell bei IWC, ausgebaut. Die Schaffhauser ergänzen ihren historischen Firmentrakt mit einem durch Glas und Stahl dominierten Annexbau, in dem die handwerklichen Abteilungen untergebracht werden.
Rasch im Rückstand, wenn nicht investiert wird
Investitionen sind auch für die Zulieferer unabdingbar. Fehr & Cie stellt Zifferblätter für Uhren aus dem mittleren und oberen Preissegment her und ist seit über 70 Jahren in La Chaux-de-Fonds domiziliert. Und obwohl Fehr letztes Jahr wie alle Zulieferfirmen die schlechte Konjunktur spürte, obwohl die Bestellungseingänge massiv zurückgegangen waren, fiel der Entscheid, die Produktionsstätte ums Doppelte auf rund 1500 m2 zu erweitern und auf den Stand der modernsten Technologie zu bringen. Man wolle damit antizyklisch handeln, wird der Delegierte des Verwaltungsrates von Fehr & Cie zitiert. Und vermutlich wollte Fehr auch ein Zeichen setzen, dass auch anspruchsvolle und teure Schweizer (Teil-)Produkte eine rosige Zukunft haben.
Antizyklisches Verhalten allein kann es aber nicht sein, dass eine Vielzahl von Uhrenherstellern in den letzten Jahren neu gebaut und erweitert hat. Interessanterweise scheint dabei Architektur durchaus als Imageträger eingesetzt zu werden.
Als Montblanc sich 1996 entschieden hatte, eine eigene Uhrenmarke zu lancieren, wollte man wohl ebenfalls ein Zeichen setzen; die Monblanc Montre SA hat ihren Sitz in Le Locle in einer stattlichen Jugendstil-Villa gefunden, deren Entrée mit modernsten, transparenten Möbeln ausgestattet ist. Mit einem modernen Neubau, der ausschliesslich aus Glas zu bestehen scheint und von keiner einzigen Mauer unterteilt ist, wurde die Nutzfläche ums Dreifache auf rund 800 m2 erweitert. Er wurde im September 2003 offiziell eingeweiht und erhebt mit seiner Architektur und seiner leichten, transparenten Erscheinung den Anspruch, dass man Tradition mit Modernem kunstvoll verbinden kann.
Girard-Perregaux wäre zwar als alte Manufaktur kaum auf historisierende Imageträger angewiesen, dennoch scheint deren Eigner, die Gruppe Sowind aus La Chaux-de-fonds, traditionsreiche Gebäude richtiggehend zu sammeln. So ist das Uhrenmuseum in der Villa Marguerite angesiedelt, ein firmeneigenes Museum für Uhrmacherwerkzeug soll in einer weiteren, ebenfalls 1908 erbauten Villa namens Le Château untergebracht werden. Und seit Mitte letzten Jahres sind beide Marken Girard-Perregaux und JeanRichard auch unter demselben Dach vereint, einem Dach mit Uhrmachertradition natürlich. 1904 erbaut und 1918 erweitert, hatte das Gebäude die Tavanna Watch Co. beherbergt, welche später in Cyma umbenannt das Gebäude bis in die 60er Jahre belegte. Anschliessend war es Girard-Perregaux, danach Ebel.
Bis in die 90er Jahre war es dann Cristalor, welche hier Uhrengehäuse und Armbänder fabrizierte. Nach intensiven, 15-monatigen Renovationsarbeiten, die dem historischen Gebäude den alten Glanz wiedergegeben haben, werden hier an modernsten Arbeitsplätzen wieder Rohwerke, Gehäuse und Armbänder gefertigt, Uhren montiert und reguliert.
Zwei der ganz Grossen mit Millioneninvestitionen
Doch nicht alle grossen Marken setzen architektonisch auf historische Gebäude. So ist die Manufaktur von Patek Philippe in Genf seit 2003 in einem hochmodernen, funktionalen, rund 32 Mio Fr. teuren Gebäude untergebracht.
Und auch Rolex setzt modernste architektonische Zeichen. Im Kanton Genf wird der Hauptsitz der Gesellschaft renoviert und die gesamte Organisation an den drei Standorten Acacias, Chêne-Bourg, Plan-les-Ouates zusammengeführt. Bereits zum Jahrtausendwechsel wurde am Standort Chêne-Bourg eine neue Produktionsstätte vollendet, wobei nicht nur die verschiedenen Ateliers zusammengeführt, sondern auch die Produktionsmethoden auf den modernsten Stand gebracht wurden. Die Bauarbeiten in Plan-les-Ouates sollen Ende dieses Jahres abgeschlossen sein, jene am internationalen Hauptsitz in Les Acacias per Oktober 2006. In Biel hatte die Manufacture des Montres Rolex, welche die Uhrwerke herstellt, bereits zum eigenen 125-Jahr-Jubiläum das dritte Gebäude des Champs-de-Boujean eingeweiht.
Die rege Bautätigkeit scheint nicht nur den Glauben zu unterstreichen, dass die Schweizer Uhrenindustrie optimistisch in die Zukunft blickt, auch die Architektur suggeriert, dass man nicht nur moderne Technologie ein-, sondern sich auch mit ihr auseinander setzt.
Beton, Stahl und Holz versus Tradition des Hauses
Bei Vacheron Constantin, der ältesten Genfer Manufaktur, welche seit ihrer Gründung 1755 ihre Tätigkeit ohne Unterbruch ausübte, scheint es, als würde beim Neubau nichts dem Zufall überlassen. Auslöser des Projekts war, genügend Platz für die Herstellung technologisch anspruchsvoller Uhren zu schaffen und Arbeitssicherheit und -komfort der Uhrmacher zu verbessern. Der Standort in Plan-les-Ouates wurde wegen des nahen Flughafens und des guten Autobahnanschlusses gewählt.
Die baulichen Anforderungen für den internationalen Architekturwettbewerb umfassten neben einem präzisen technischen und funktionalen Programm auch besondere Image-Zielsetzungen. Das neue Gebäude soll nicht nur den internationalem Geschäftssitz mit der Manufaktur unter einem Dach vereinen, sondern auch die Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen vereinfachen.
Das Siegerprojekt will nun die neuen Technologien des 21. Jahrhunderts mit dem Geist der Aufklärung verbinden. Eine breit angelegte Betonstruktur dient als Fundament und bildet das Volumen des Gebäudes, das mit seiner langgezogenen Manufaktur und dem angegliederten Bürotrakt an ein liegendes L erinnert. Sie wird an den beiden Stirnseiten und dem Dach von einem wellenförmigen, über die gesamte Gebäudebreite gezogenen Band umschlossen. Dessen Aussenseite ist aus guillochiertem Edelstahl, in welchem auch grosszügige Fensterbänder und ein Innenhof ausgeschnitten sind. Die Innenseite dieser Hülle ist mit Holz verkleidet, was dem umschlossenen Raum Wärme gibt.
Die leichte Bauweise und die verglasten Längsseiten geben dem Gebäude einen transparenten und einladenden Charakter. Dies wird auch davon unterstützt, dass alle Innenräume nur mit Holz und Glaswänden unterteilt werden.
Fertig mit Geheimnissen: Die Ateliers werden einsehbar
Ateliers und Manufaktur werden im Erdgeschoss angesiedelt und sind bereits vom Eingang her einsehbar. Abteilungen wie Einkauf, Logistik oder Buchhaltung, die ja eng mit der Fertigung verbunden sind, werden im darüber liegenden ersten Stock einziehen. Für Generaldirektion und Marketing ist der zweite Stock vorgesehen, direkt unter dem für alle zugänglichen Restaurant mit Dachterrasse. Der gesamte Komplex ist zudem in einen grosszügigen Park mit geometrisch angeordnetem Baumbestand eingebettet.
Ob so viel Planung glaubt man schon fast nicht mehr an Zufall, dass ausgerechnet das von Vacheron Constantin als Logo verwendete Malteserkreuz auch noch im Gemeindewappen des neuen Standortes enthalten ist.
Zeitzeichen
«Ein Politiker ist ein Mensch, der mit der Zeit gehen muss - sonst muss er mit der Zeit gehen.»
Karl Farkas, 1893-1971, österreichischer Kabarettist
Zeitzeichen
«Ich trage nie eine Uhr. Die Uhrzeiger sind Peitschen für all jene, die sich als Rennpferde missbrauchen lassen.»
Francois Mitterrand, 1916-1996, französischer Spitzenpolitiker