Foie gras ist und bleibt delikat. Die Vorspeise weckt Leidenschaften - sowohl beim Gourmet als auch beim Tierschützer. In Frankreich gehört Foie gras ganz selbstverständlich zum Festanlass: Als Tournedos Rossini, wo die getrüffelte Gänseleber auf Rindsfilet serviert wird, in Strassburg, wo die frische Gänselebertranche Apfelscheiben an einer Portweinsauce begleiten, oder als klassische Vorspeise mit getoastetem Brioche-Brot und einem Sauternes.
Der französische Gaumen und die Foie-gras-Industrie begehren die Köstlichkeit des Fettgeflügels zu gleichen Teilen. Etwa 80 Prozent der weltweit jährlich rund 25 Tonnen Geflügelfettlebern werden in Frankreich produziert. Vor allem im Elsass und im Périgord wird die Delikatesse vermarktet, verarbeitet oder auch frisch vertrieben. Der deutsche Ausdruck Stopfleber führt das Dilemma vor Augen, denn die delikate, überfettete Leber wird nur durch Mästen erreicht. Die etwa sechsmonatigen Gänse werden in den letzten zwei, drei Lebenswochen mehrmals täglich, teils durch biegsame Schläuche, teils durch einen Trichter, gewöhnlich mit einem Brei aus Mais und Fett gestopft.
Neu ist die Idee der Stopfmast keineswegs: Auf 4500-jährigen ägyptischen Fresken ist sie bereits festgehalten, auch aus dem Römischen Reich sind Berichte über das Geflügelstopfen mit getrockneten Feigen überliefert. Vor 200 Jahren verbreitete sich das Stopfen in Westeuropa aufgrund der regen Nachfrage wieder, heute ist es aufgrund der Tierschutzverordnung - auch in der Schweiz - weitgehend verboten.
Nicht so in Frankreich: Die französische Nationalversammlung deklarierte 2005 die Foie gras als nationales gastronomisches Kulturerbe und nahm sie vom Tierschutzgesetz aus. Seither opponieren Tierschutzorganisationen gegen den Verzehr, denn Frankreich exportierte 2007 Foie gras für rund 111 Millionen Euro, wovon rund ein Drittel nach Spanien ging und 10 Prozent in die Schweiz. Erstaunlich ist diesbezüglich, wie in der Foie-gras-Debatte der Begriff Gänseleber die Gemüter erregt, denn über 95 Prozent der gestopften Geflügellebern betreffen Enten.
Coop und Migros haben reagiert
Die Diskussion um die gestopfte Gänseleber ist kontrovers, kaum ein privater Gastgeber serviert hierzulande Foie gras, ohne sich vorgängig zu erkundigen, ob die Gäste auch Gefallen daran fänden - zu präsent sind die schrecklichen Bilder von panischen Gänsen im Würgegriff der Mäster. Kampagnen gegen den Verzehr haben Kunden vergrault und in der Folge bei den schweizerischen Grossverteilern zum Umdenken geführt. «Tierquälerische Produktion passt nicht zum Selbstverständnis von Coop», heisst es offiziell, und deshalb führt der Detaillist seit 2002 nur noch ungestopfte Gänse- und Entenleberprodukte. Bei Migros zeigt sich die kulinarische Kluft zwischen der Deutschschweiz, wo seit 2007 keine Stopfleberprodukte mehr angeboten werden, und der Romandie, wo sie erhältlich und wegen der gastronomischen und kulturellen Nähe zu Frankreich unerlässlich sind.
Wilde Wasservögel fressen zum Schutz gegen die Winterkälte Energiereserven an und lagern diese in Fettform auch in der Leber. Diesen natürlichen Prozess forcieren Foie-gras-Produzenten: Bei entsprechender Mast kann sich das Lebergewicht je nach Geflügelrasse bis zu über 1 Kilogramm verdrei- oder vervierfachen. Selbstständig überfressen sich die Masttiere nicht in diesem Ausmass, doch bieten die natürlichen Fettlebern eine gewissenhafte Alternative. Qualitativ halten sie aber nicht ganz mit der traditionellen Stopfleber mit. Die grössten Lebern sind bei Weitem nicht die delikatesten, denn Masshalten im Stopfen und vernünftige Tierhaltung optimieren die Qualität, zudem beeinträchtigt das tiereigene Stresshormon den Geschmack. Der Connaisseur wird denn eine frische Gänseleber von etwa 500 Gramm wählen. Nur auf Profit aufgeblähte Maxilebern schrumpfen in der Pfanne, verlieren das aromatische Fett, die Struktur und fallen zusammen.
Viele ungeahnte Möglichkeiten
Mengenmässig kommt in der Deutschschweiz die elegante Gänseleber wie die etwas rustikalere Entenleber jedoch nur selten frisch gebraten auf den Teller. Meist wird sie fertig zubereitet gekauft und kalt serviert. Delikat entwickelt die Foie gras ihren unvergleichlichen Goût im raffinierten Zusammenspiel mit Fruchtzucker und -säure bei Feigen, Beeren oder Äpfeln, im reduzierten Kompott oder Chutney, mit pointiertem Aceto Balsamico oder an einer Sauce mit Portwein.
«GeschmacksträgerderLeberistdasFett»
Carlo Ruess: Weil der delikate Geschmacksträger der Leber das Fett ist. Der höhere Fettanteil der Stopfleber intensiviert diesen einmaligen Goût. Wiegt eine Leber allerdings mehr als 700 Gramm, stimmt das Verhältnis nicht und das Leberschnitzel schrumpft unverhältnismässig zusammen.
Was bieten Sie Ihren Kunden an?
Ruess: Wir überlassen den Entscheid unseren Kunden, ob sie gestopfte, ungestopfte oder gar keine Foie gras kaufen möchten. Bewusst bieten wir jedoch hohe Qualität an, von Produzenten, deren Tierhaltung durch einen unabhängigen Inspektionsdienst nach strengen tiergerechten Kriterien kontrolliert wird. Das Sortiment in unseren acht Filialen ist unterschiedlich, doch gehen wir gerne auf individuelle Bestellungen im Rahmen unserer Produktepalette ein: Frische rohe Gänseleber, im Torchon oder als Millefeuille mit schwarzem Trüffel. Nichtgestopfte, sogenannte Foie-maigre-Produkte von Enten wie Gänsen führen wir beispielsweise als Mousse de Canard oder Mousse d?Oie truffé.
Ruess: An der Konsistenz. Sie darf nicht zu hart sein, sonst wäre sie überfettet. Ein weiteres Kriterium ist, dass die Leber keine blutunterlaufenen Eindrücke haben darf, das liesse auf einen groben, nicht fachgerechten Umgang mit der Delikatesse schliessen.
Ruess: Ich schneide sie in daumendicke Escaloppes und brate sie - eventuell in Mehl gewendet und ganz ohne Fettzugabe - kurz und scharf an. Dazu schätze ich den Kontrast eines säuerlichen Salates; dazu trinke ich ein Glas Champagner, Sauternes oder Gewürztraminer.