Überraschend glatt ging am 11. November der Auftritt für Willy Kissling über die Bühne. Gleich zu Beginn der Pressekonferenz gab der Präsident des Forbo-Konzerns bekannt, dass er in der wichtigsten Frage in den Ausstand trete: Das Kaufinteresse der Private-Equity-Gesellschaft CVC Capital Partners an Forbo werde von seinem designierten Nachfolger Rolf Watter behandelt. Da Kissling gleichzeitig im Beirat der CVC sitzt, wollte er jeglichen Verdacht einer Interessenkollision vermeiden. Während Watter in der Folge mit Fragen gelöchert wurde, konnte Kissling daneben geruhsam zurücklehnen. Er, der sonst jeweils für die schlechte Performance der von ihm präsidierten Konzerne Forbo und Unaxis herhalten musste, genoss die neue Situation sichtlich: Seine problematische Doppelrolle bei Forbo und CVC war überhaupt kein Thema. Entsprechend locker und zu manchem Spässchen aufgelegt, gesellte er sich nach dem Anlass zum Smalltalk in der Lounge des noblen Zürcher Hyatt-Hotels.

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Ganz so einfach, wie es Kissling suggerierte, lassen sich seine Funktionen bei Forbo und CVC indes nicht trennen. Vielmehr lassen Recherchen der BILANZ auf Interessenkonflikte schliessen. Wie verschiedene Insider berichten, beauftragte Kissling Mitte 2003 das Forbo-Management damit, Kontakt mit dem Schweiz-Chef von CVC, Christian Wildmoser, aufzunehmen, um einen Verkauf der Bodenbelagssparte mit einem Umsatz von gut 700 Millionen Franken zu evaluieren. Kissling war zu diesem Zeitpunkt als Vizepräsident zuständig für den Strategie-Ausschuss im Verwaltungsrat. Er sagt auf Anfrage: «Ich habe mich immer für Forbo-eigene industrielle Lösungen eingesetzt. Über Ereignisse im Forbo-Konzern vor meiner Zeit als Präsident des Verwaltungsrats habe ich nichts zu sagen.» Christian Wildmoser von CVC bestätigt, Gespräche mit dem damaligen Forbo-Management geführt zu haben, will sich zu den Umständen jedoch nicht äussern.

Die Konzernleitung kam nach einer ersten Sondierung zur Empfehlung, die Sparte Bodenbeläge – das Kerngeschäft von Forbo – zu behalten. Als Alternative schlug sie vor, eine strategische Partnerschaft mit dem französischen Konzern Tarkett zu prüfen, was bei Kissling auf keine Zustimmung stiess. Stattdessen habe dieser bei der Zürcher Firma Dr. oec. Eugen W. Schmid & Partner ein Management-Audit zur Leistungsbeurteilung seiner Kader in Auftrag gegeben. Ins Grand Hotel Bad Ragaz – dessen Präsident Kissling ist – seien die Forbo-Manager darauf vorgeladen worden, um sich «disziplinieren zu lassen», wie es ein Betroffener formuliert. Zudem habe Kissling den federführenden Personen das Mandat für Gespräche mit möglichen Partnern entzogen. Auch der Vorschlag, die Differenzen bezüglich Strategie an einer Klausurtagung zu klären, sei von ihm abgeblockt worden.

Nach dem Zerwürfnis mit dem Management forcierte Kissling seine Idee eines Verkaufs der Bodenbelagssparte auf der Ebene des Verwaltungsrats, stiess laut einem Insider beim damaligen Präsidenten Karl Janjöri indes ebenfalls auf Ablehnung. Auch in dieser Phase sei der Name CVC gefallen. An der VR-Sitzung vom 26. Januar 2004 habe Kissling die Gretchenfrage – Verkauf: ja oder nein? – erneut aufs Tapet gebracht und einen Machtkampf inszeniert. Nach einem harten Ringen gab Janjöri schliesslich auf und erklärte seinen sofortigen Rücktritt. Offiziell kommuniziert wurde der Stabwechsel erst fünf Wochen später: Am 4. März gab Forbo bekannt, dass Willy Kissling das Präsidium übernimmt und der frühere Selecta-Chef This E. Schneider CEO Werner Kummer ablöst.

Zunächst gelang es Kissling nach dem Stabwechsel tatsächlich, den Verkauf der Sparte Bodenbeläge voranzutreiben: Am 20. August informierte Forbo die Öffentlichkeit darüber. Doch hinter den Kulissen begann Kisslings Einfluss bereits wieder zu bröckeln. Die Beratungsfirma Arthur D. Little besass bei Forbo den Auftrag, eine strategische Auslegeordnung vorzunehmen – die von Kissling bevorzugte Firma Bain kam dagegen nicht zum Zug, wie ein Beteiligter sagt. Mit Folgen: Prompt erhielt die von Kissling verkündete Weichenstellung bei Arthur D. Little ein schlechtes Zeugnis. Statt sich vom Kerngeschäft zu trennen, rieten die Berater zu einem Verkauf des gesamten Konzerns, um ihn dann zu restrukturieren.

Zwar habe sich Kissling im Verwaltungsrat anfänglich gegen diese Empfehlung durchsetzen können. Doch die Meinung im Gremium begann zu kippen. Am 29. Oktober kommunizierte Forbo eine abrupte Kehrtwende: Statt des geplanten Spartenverkaufs wurde plötzlich eine Kapitalerhöhung angekündigt. Man sei von Aktionären zu diesem Schritt ermutigt worden, hiess es als Begründung.

Laut einem Insider habe vor allem Rolf Watter, der designierte Nachfolger, darauf hingewirkt, das Steuer herumzureissen. Gemäss einer andern Quelle aus dem Verwaltungsrat sei die Demission von Kissling per April 2005 auf einvernehmliche Weise zu Stande gekommen. Tatsache ist: Für Willy Kissling hat das Forbo-Abenteuer ein jähes Ende genommen. Seine Doppelrolle bei Forbo und CVC sowie sein ständiges Forcieren einer Abspaltung der Division Bodenbeläge – zunächst als Vizepräsident, danach als Präsident – haben ihn nun in eine heikle Situation manövriert. Gegenüber der BILANZ hält Willy Kissling fest: «Ich stehe in keinerlei finanzieller Beziehung zu CVC – weder direkt noch indirekt.» Diese Darstellung wird von Forbo-Insidern angezweifelt. Sie verweisen auf den CVC-Beirat Barthélemy Helg von der Bank Lombard Odier Darier Hentsch, dem gute Kontakte zu Kissling nachgesagt werden. Daneben sitzt auch der Industrielle

Thomas Schmidheiny, ein enger Weggefährte Kisslings, im Beirat von CVC. Das Gleiche gilt für Klaus Baumüller, den Chef von Schmidheinys privater Beteiligungsgesellschaft Spectrum Value Management. Sie beide lassen ausrichten: «Herr Schmidheiny oder die Spectrum Value Management waren zu keinem Zeitpunkt bei CVC investiert.» Dem widerspricht allerdings die – als glaubwürdig zu taxierende – Aussage eines Schmidheiny-Vertrauten, die bereits vor
Bekanntwerden der CVC-Avance erfolgt war.

Wie geht es nun weiter mit Forbo? Der designierte VR-Präsident Rolf Watter hat sich inzwischen zu mehreren Gesprächen mit dem Kaufinteressenten, CVC-Schweiz-Chef Christian Wildmoser, getroffen. Die britische Firma mit Niederlassung an der Zürcher Bahnhofstrasse besitzt weltweite Beteiligungen im Wert von neun Milliarden Dollar und will rund 500 Millionen Franken für Forbo zahlen – vorbehältlich einer erfolgreichen Due-Diligence-Prüfung.

Jurist Watter, nebenher Präsident von Cablecom sowie im VR von Zurich FS und Syngenta, verfolgt jetzt offenbar doch die Empfehlung von Arthur D. Little weiter, den Forbo-Konzern als Gesamtes zu verkaufen. Dies hat er taktisch klug eingefädelt: Indem er die Avance von CVC veröffentlicht hat, lockt er nun weitere Übernahmeinteressenten auf den Plan. Immerhin liegt die CVC-Offerte rund 10 Prozent unter dem Buchwert von Forbo. Eine Zerschlagung des Konzerns in seine Einzelteile könnte sich folglich lohnen. Bereits 2001 hatte die grosse amerikanische Private-Equity-Firma KKR ein Kaufangebot vorgelegt: Damals lag der offerierte Preis sogar bei rund 700 Millionen Franken, doch der Verwaltungsrat lehnte ab.

Laut einem Insider versucht Watter nun eine Auktion mit mehreren Bietern um Forbo in Gang zu bringen, um den bestmöglichen Preis herauszuholen – analog dem Rennen um die Winterthurer Centerpulse im letzten Jahr, bei dem Watter als Verwaltungsrat eine wichtige Rolle gespielt hat. Der Anwalt und Professor gilt als Meister bei Fusionen und Übernahmen, hat aber wenig industrielle Erfahrung.

So könnte die einstige Industrieperle Forbo, die Ende der Achtzigerjahre weit über eine Milliarde Franken Börsenkapitalisierung aufwies, schon bald ihre Eigenständigkeit verlieren. Bei der Produktion von Linoleum ist der Konzern aus Eglisau mit einem weltweiten Marktanteil von 60 Prozent unbestritten die Nummer eins. Bereits sind jedoch viele fähige Manager abgesprungen: Der Leiter der Sparte Bodenbeläge, Martin Richenhagen, hat an die Spitze des US-Milliardenkonzerns Agco gewechselt. Paul J. Hälg, der den Klebstoffbereich führte, ist CEO der Industriegruppe Dätwyler geworden. Weiter haben der Personalchef, der Informatikchef, der Chefcontroller sowie die Kommunikationschefin innert kurzer Zeit das Unternehmen verlassen. Sie alle mochten dem unaufhörlichen Niedergang von Forbo nicht mehr länger zuschauen.