Auf den Kohlenstoffmärkten herrschte bisher «Wild Wild West». Weil der im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Handel mit Emissionsgutschriften kaum reguliert war, bot er ordentlich Raum für das Treiben von Schindluder. Das fiel der Schweizer Firma South Pole im vergangenen Jahr auf die Füsse, ihr Flaggschiffprojekt Kariba musste sie in der Folge einstellen, der CEO und Mitgründer nahm den Hut. Der tiefe Fall des Klimazertifikate-Marktführers zerstörte das Vertrauen in den ohnehin umstrittenen Emissionshandel weiter.
Jetzt hat die UN-Klimakonferenz nachgebessert. Bei der COP 29 in Baku einigten sich die Teilnehmenden auf Regulierungen für den Handel mit CO₂-Zertifikaten – bisher waren viele der Mechanismen und Prozesse eher theoretisch gewesen. Künftig gibt es Qualitätsstandards für die Zertifikate, die sicherstellen sollen, dass nur echte und nachweisbare Emissionsreduktionen gehandelt werden können. Ein UN-überwachtes Gremium soll die Programme bewerten und genehmigen. Das schafft Transparenz und Vertrauen, insbesondere für Länder und Unternehmen, die Zertifikate erwerben möchten. Ausserdem dürfen Käuferländer die gehandelten Reduktionen nur dann in ihre Klimabilanz einrechnen, wenn die Reduktionen aus dem Verkäuferland abgezogen wurden.
Das ist wichtig für die Schweiz, die als eines von wenigen Ländern auf die umstrittene Auslandskompensation setzt. Ihr Pionierklimaprojekt – die Finanzierung von Elektrobussen in Bangkok – geriet sprichwörtlich unter die Räder: Nach einer Recherche des «Beobachter» zu arbeitsrechtlichen Problemen droht der Bund, das Prestigeprojekt zu stoppen.
Mit den neuen Regeln kann die Schweiz nun leichter hochwertige und glaubwürdige Zertifikate aus internationalen Projekten erwerben. Das Gleiche gilt für die Schweizer Wirtschaft. Die Zertifikate können als Kompensation für unmittelbar schwer vermeidbare Emissionen verwendet werden, wodurch die Klimaziele kosteneffizienter erreicht werden.
Zudem können neue Klimaprojekte leichter zugelassen werden, die bisher aufgrund mangelnder Klarheit oder Vertrauensdefiziten zurückgehalten wurden – darunter Direct Air Capture (DAC) zur CO₂-Entfernung aus der Atmosphäre. Weil die Schweiz bei dieser und bei anderen innovativen Technologien mit führend ist, könnte dies die Investitionssicherheit für Unternehmen stärken.
Das neue Rahmenwerk für den Emissionshandel ist allerdings nicht fehlerfrei. So besteht zum Beispiel keine echte Rechenschaftspflicht: Wenn sich Länder nicht an die Regeln halten, drohen ihnen keine wirklichen Konsequenzen. Die Schweiz könnte Mängeln entgegenwirken, indem sie selbst höhere Standards anlegt. Beispielsweise bei den Zeiträumen für eine dauerhafte Kohlenstoffspeicherung – hier haben sich die Staaten nämlich auf keinen Mindeststandard verständigt, obwohl Studien gezeigt haben, dass der aus der Atmosphäre entfernte Kohlenstoff mindestens tausend Jahre lang gespeichert werden muss, um CO₂-Emissionen wirksam zu neutralisieren.
Eigene, strenge Schweizer Standards würden das Vertrauen in Auslandskompensationen stärken und Risiken reduzieren. Zudem kann die Schweiz so zur nachhaltigen Entwicklung und zu technologischen Fortschritten im globalen Süden beitragen. Das würde ihre Rolle als Vorreiterin in der internationalen Klimapolitik unterstützen.