Die Unternehmen nehmen die steigenden Frachtgebühren vorläufig in Kauf, wo die Schmerzgrenze liegt, ist nicht klar», sagt Conrad Tobler, Geschäftsleiter des Swiss Shippers'' Council (SSC). Die Verladerorganisation vertritt die Güterverkehrsinteressen von 225 Firmen von ABB bis Zürcher Kantonalbank (ZKB).
Die Frachtkosten der drei weltweit grössten Seefrachtunternehmen Kühne&Nagel, DHL Danzas und Panalpina erhöhten sich im ersten Semester dieses Jahres massiv. «Allein in den letzten 18 Monaten sind die Seefrachtraten bei den Asien-Europa-Verkehren um über 50% gestiegen», sagt Reinhard Lange, COO Sea and Air Logistics von Kühne & Nagel.Die Nachfrage sei weit höher als die vorhandene Kapazität, was bereits zu Gebührenerhöhungen im Dreimonatstakt geführt habe.
Die drei Logistikanbieter, die alle ihren Sitz in der Schweiz haben, sehen keine Entspannung: Lange rechnet auch im 2. Semester 2004 mit einem zweistelligen Anstieg der Frachtkosten. Mit derselben Rate rechnet Panalpina-Chef Bruno Sidler. Der Experte von Kühne & Nagel fügt hinzu: «In der zweiten Jahreshälfte ist die Nachfrage wegen dem Weihnachtsgeschäft traditionell stärker.» Zudem habe sich die Lage wegen dem Outsourcing-Boom westlicher Firmen in Niedriglohnländer wie China weiter akzentuiert. «Die Steigerungsraten infolge der Auslagerung sind nahezu irre», so Lange.
Bereits jetzt seien die Kapazitäten der Werften bis 2007 ausgelastet. «Zusätzlich eskaliert die Situation im Carriermarkt, es fehlt auch an Leercontainern», erklärt Lange. Die Experten sind sich einig, dass von der starken Nachfrage alle überrascht worden seien. Allerdings belasten die Engpässe die grossen Frachtunternehmen weniger als die kleinen Anbieter. Erstere sicherten sich günstige Preise über mehrere Monate ab und könnten jetzt davon profitieren, so Tobler. Kleinere Exporteure hingegen, die nur Kapazitäten kauften, wenn sie sie brauchten, litten viel mehr unter der jetzigen Situation. Martin Oeschger, Direktor des Verbandes schweizerischer Speditions- und Logistikunternehmen, fürchtet für die betroffenen Firmen erhebliche Ertragseinbussen: «Die Spediteure können die Frachtkosten unmöglich selber absorbieren, die Margen sind viel zu knapp.»
Verzögerungen absehbar
Lange rechnet mit verschärften Bedingungen im zweiten Halbjahr. Es sei auch mit Verzögerungen zu rechnen. Und da setzt Marktleader Kühne&Nagel klare Prioritäten: «Die loyalen Kunden werden zuerst bedient, die, die überall rumshoppen, werden Probleme haben und müssen bei uns hinten anstehen.»
Lange ist überzeugt, dass der Trend zum Outsourcing in Billiglohnländer trotz höheren Frachtgebühren weiterhin lohnen wird. Noch seien die Unterschiede bei den Produktionskosten gross. Die Frachtpreiserhöhung belastete den Transport von Niedrigwertprodukten natürlich mehr als von werthaltigeren Produkten wie Computern. Schweizer Firmen, die von der Frachtkostenexplosion betroffen seien, fänden sich vor allem in der Textilindustrie, aber auch bei den Warenhausketten.
Sicherheitskosten plagen
Neben Engpässen drückt auch der steigende Erdölpreis die Gebühren nach oben. Allerdings schätzt Tobler mögliche neue Sicherheitskosten als viel gravierender ein als höhere Treibstoffpreise. «Die Sicherheitsaufwendungen führten letztes Jahr zum grössten Kostenschub», wie er erklärt. Massnahmen wie Deklarationspflichten der USA im Nachzug des 11. September 2001 erhöhten die Frachtgebühren 2003 im einstelligen Prozentbereich. Sollte es künftig in China, Thailand oder Malaysia terroristische Attentate geben, seien weitere Sicherheitskosten absehbar.
Zuschläge für Luftfracht
Während die Reedereien über Treibstoffreserven verfügen, schlägt der Kerosinpreisanstieg bei den Luftfrachtgesellschaften voll durch. «Der Treibstoffzuschlag der Airlines hat sich in den letzten Monaten verdoppelt», sagt Lange. Zuschläge würden direkt den Kunden weitergegeben und betragen derzeit 10 bis 15% der Frachtkosten. Und: «Es geht nur noch nach oben.»
Bei DHL Danzas&Ocean, dem weltweit grössten Luftfrachtunternehmen, hat sich die Zuschlagsrate seit letztem Jahr von 2% auf 5,5% fast verdreifacht. Auch Swiss World Cargo und Lufthansa Cargo passen ihre Raten laufend nach oben an. Der Treibstoffzuschlag wird mit zwei Wochen Verzögerung parallel zum Anstieg des Index gehoben. Bei einem Indexstand von 215 zahlen die Kunden 0.25 Dollar pro Kilo Fracht drauf vor einem Jahr bei Indexstand 113 waren es nur 0.05 Dollar pro Kilo. «Am 15. Juni werden wir wissen, ob sich der Zuschlag weiter erhöht», sagt eine DHL-Sprecherin. Eine weitere Erhöhung ist zu erwarten, die Schmerzgrenze rückt näher.
Diese dürfte wohl erreicht sein, sobald die Frachtkosten die Ein-sparungen bei den Produktionskosten zunichte machten, findet Tobler. Dann würden die Hochlohnländer als Produktionsstandort wieder interessant. Dem sei zumindest vorläufig noch nicht so.