Die Wände in Frank Gulichs Büro an der Zürcher Talstrasse sind weissgetüncht, kahl, nur ein paar lose Schrauben künden an, dass hier bald Kunst hängen soll. Moderne Bilder sicher, nordamerikanischer Provenienz wahrscheinlich. Der Schreibtisch aufgeräumt, kein Durcheinander. Ein Laptop, die Familie auf einem Sideboard gerahmt vereint. Die Ehefrau, zwei Kinder, Buben im Alter von vier und sechs Jahren.

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«Frank Gulich, wenn Ihr Sechsjähriger fragt, was Sie eigentlich den ganzen Tag so tun, was antworten Sie ihm dann?» Gulich, 39-jährig, zieht die Augenbrauen hoch, streicht mit der Rechten übers schmale Kinn, um dann, leicht belustigt, zur Antwort zu geben: «Der Papi fährt am Morgen ins Büro und kommt am Abend zurück das reicht ihm in der Regel.»

Frank Gulich führt als CEO und Delegierter des Verwaltungsrates die Geschicke der Anova Holding, welche wesentliche Beteiligungen des Industriellen Stephan Schmidheiny umfasst. Letzterer hat die Leitung der Holding im vergangenen August abgegeben, um die Diskussionen im Rahmen der wieder aufgeflammten Asbest-Debatte neuen Köpfen und Stimmen anzuvertrauen. Die Anova hielt unter ihrem früheren Namen Amiantus bis 1989 die Eternit-Beteiligungen. Neuer Verwaltungsratspräsident wurde in der Folge der Ausserrhoder Ständerat und Fast-FDP-Präsident Hans-Rudolf Merz.

Für Konstruktive Asbest-Lösungen

Eternit, Asbest immer wieder dieses Thema. Frank Gulich will darüber nicht allzu viele Worte verlieren, das stellt er schon zu Beginn des Gespräches klar, schliesslich sei die nicht an der Börse kotierte Anova auch auf anderen Gebieten tätig, in Immobilien etwa, im Asset Management und in der Kunst. «Zum Thema Asbest kann ich momentan nur so viel sagen: Wir müssen neue Lösungen finden, und wir wollen neue, konstruktive Lösungen finden.»

Draussen vor dem Fenster dunkelt es langsam ein, Feierabendverkehr kommt auf. In den Büros der Anova, die alle Bereiche zusammengerechnet rund 30 Personen beschäftigt, rüstet man sich bereits für den nächsten Abend. Auf dem Löwenbräu-Areal, in den Räumen der Daros AG auch sie gehört zur Holding , wird dannzumal eine Ausstellung mit zeitgenössischer Fotografie aus Lateinamerika eröffnet werden. Kunst, wie sie auch Frank Gulich gefällt.

Den Zugang dazu, zu Bildern, zu Werken, zur Kultur im Allgemeinen, den hätten ihm seine Eltern bereits in jungen Jahren eröffnet: «Immer wenn wir in die Ferien fuhren, haben wir bei Schlössern und bemerkenswerten Bauwerken Halt gemacht und uns das Ganze angeschaut.» So sei seine Faszination für die Kunst nach und nach geweckt worden, «ein Sammler oder absoluter Kenner bin ich deshalb aber noch lange nicht».

Der Umgang mit dem Schönen sei gut und recht, auch bewege er sich gerne inmitten von Menschen, die geistig offen seien, Ideen hätten und Pionierrollen einnähmen, sagt der in elegantes Grau gekleidete Manager. Selber aber sei er ein Mensch, der rational handle, vom Hirn gesteuert, nicht emotional, vom Bauch gelenkt. Und damit sei er bis heute immer gut gefahren.

Geboren wurde Gulich als Sohn eines Unternehmensberaters in Deutschland, von wo der Name auch stammt. Aufgewachsen ist er zusammen mit seinem Bruder hoch über dem Zürichsee, in Zumikon. Dass das Leben nicht nur aus Spiel und Spass besteht, das realisierte er als Kind jeweils an den Wochenenden, wenn er seinen Vater ins Büro begleiten durfte. Dieser sei damals für eine Werbeagentur tätig gewesen, in deren kreativer Abteilung immer diese tollen Abziehbildchen herumgelegen hätten «und die durfte ich meistens einstecken und mit nach Hause nehmen; Sticker von Coca-Cola und anderen grossen bekannten Unternehmen». Insofern sei sein erster Eindruck von Arbeit ein durchaus positiver gewesen, schmunzelt Gulich, denn wenn man dafür belohnt wird, dass man irgendwo hereinschaut, dann kann so schlecht der Arbeitsalltag ja nicht sein.

Dies Urteil relativieren musste er jedoch schon bald einmal als Caddy, der den anderen die Golfschläger hinterher schleppte. Zwei Stunden lang und länger, um dann bei schlechtem Ergebnis des Spielers am Ende der Runde auch noch die alleinige Verantwortung dafür tragen zu müssen. Einfach zu ertragen sei dies nicht immer gewesen, amüsiert sich Gulich noch heute über die Erlebnisse auf dem grünen Rasenteppich.

Nach dem Gymnasium und unzähligen während der Ferien geputzten Schulzimmern entschied sich der damals Sportbegeisterte für ein Jura-Studium. Ein Vernunftsentscheid eigentlich, habe er ursprünglich doch Sportarzt werden wollen. Sein Gesicht heitert auf, wenn er an die Zeit von vor 20 Jahren zurückdenkt, jene Jahre, in denen er fit wie ein Turnschuh für den FC Küsnacht in der 1. Liga kickte. Nicht ohne Folgen. Kleinere und grössere Verletzungen hätten ihn praktisch monatlich in Kontakt mit der Sportmedizin gebracht, ein Gebiet, das ihn fasziniert hat und ihm als Betätigungsfeld beruflicher Natur durchaus erstrebenswert erschien. «Die Leute aus meinem Klub waren immer eher auf den FCZ ausgerichtet, ich aber wollte mich um die Stars von GC kümmern.»

Dass es letztlich doch nicht so weit gekommen ist, liegt primär an den vielschichtig gelagerten Interessen Gulichs. «Ein Leben lang Sportarzt, diese Tätigkeit schien mir dann doch zu einseitig gelagert.» Mit Jura, so sein Gedanke, müsse er ja nicht unbedingt Anwalt werden, da sei auch ein Einstieg in die Wirtschaft möglich. «Mir war schon immer wichtig, möglichst viel Freiheit zu haben und verschiedene Wege einschlagen zu können.»

Start bei Schmidheiny in Miami

Nach dem Studium zog es Gulich nach Deutschland, wo er in der Beratung tätig gewesen ist und gleichzeitig seine Dissertation zum Thema «Rechtliche Aspekte bei der Gründung einer Auffanggesellschaft» verfasste. Mit dem Master of Business Administration in der Tasche trat er 1993 ein erstes Mal in die Dienste von Stephan Schmidheiny, für den er Ende der 90er Jahre von Miami aus die Geschicke der Stiftung Avina lenkte, welche sich im sozialen Bereich in Lateinamerika stark macht. «Das Prinzip Not for Profit war für mich eine wichtige Erfahrung», sagt Gulich, «die Arbeit dort, etwa zu Gunsten von Strassenkindern oder im Umweltspektrum, hat in mir den Sinn für Nachhaltigkeit und langfristige Lösungen gefördert und mein Denken breiter abgestützt.»

Es sei dies eine äusserst spannende und lehrreiche Zeit gewesen, in einer Funktion, die sowohl eine soziale wie auch eine klar unternehmerische Komponente aufgewiesen habe, erinnert sich der heute 39-Jährige. Nach drei Jahren allerdings zog es die Familie wieder in die Schweiz zurück. Da bei seinem langjährigen Arbeitgeber kein passender Posten zu besetzen war, wechselte Gulich zur Jahrtausendwende zu Ernst Müller-Möhl und dessen Gruppe. Einen Tag, bevor Gulich seinen Posten bei Müller-Möhl antrat, verstarb dieser. «Das war ein absolutes Down für mich, eine total neue Ausgangslage, denn zu diesem Zeitpunkt war eigentlich gar nicht klar, welche Aufgaben ich innerhalb der Gruppe überhaupt übernehmen sollte.» Gulich besann sich auf sein Credo, wonach jede schwierige Situation eben auch eine Chance bietet; als CEO der Müller-Möhl-Gruppe entwickelte er ein persönliches Profil seiner Tätigkeit, das drei konkrete Säulen umfasste: Investor, Anwalt, Manager. Ein Mix, der auch bezüglich seiner neuen Aufgaben als Chef der Anova Anwendung finden soll.

Teamleader im «Family Office»

Die Anova Holding mit ihren Beteiligungen an Wertschriften-Portefeuilles, Immobilien und Kunst sieht Gulich als «Family Office», das im Team zu führen sei «eine Ausgangslage, die mir sehr passt». Teamfähig auf jeden Fall sei er, aktiv, keiner, der eine Situation passiv erleidend über sich ergehen lasse. Und was kann Gulich, der in den Verwaltungsräten von Ascom, der DKSH Holding AG (Diethelm-Keller SiberHegner) und COS sitzt, überhaupt nicht ausstehen? «Leute, die nach einem Entscheid, der vielleicht nicht genau das brachte, was man sich eigentlich davon erhofft hat, daherkommen und sagen: Ich habs ja schon immer gewusst, ich habs ja schon immer gesagt das finde ich total mühsam.»

Ein- bis zweimal die Woche schafft es der einst aktive Fussballer und Tennisspieler inzwischen noch ins Fitnesscenter, fit hält er sich an Wochenenden zudem mit Joggen und Wandern. Letzteres mit Vorliebe im Engadin. Dort, in der Bergwelt, findet er die Ruhe und Ablenkung, um Kraft für anstehende Aufgaben zu tanken. Allzu hoch hinaus wiederum darf es auf den Wanderungen und Biketouren durch den Alpenkanton allerdings auch nicht gehen; Gulich ist nach eigenen Angaben nicht schwindelfrei. «Auf Höhenwegen halte ich mich immer schön auf der sicheren Seite, bloss nicht nach unten gucken.»

Sowieso, vorderhand hat CEO Gulich eh keine Zeit, um nach unten zu blicken. Nach drei Wochen in der Startphase ist sein Blick nach vorne gerichtet, auf die Herausforderungen, welche die Anova in nächster Zeit noch für ihn bereithält.

Steckbrief

Name: Frank Gulich

Geboren: 26. Mai 1963

Zivilstand: Verheiratet, zwei Söhne

Wohnort: Zumikon ZH

Ausbildung: Dr. iur., MBA INSEAD

Funktion: CEO/VR-Delegierter der Anova Holding

Stichworte:

STEPHAN SCHMIDHEINY: «Hat stets eine Pionierrolle wahrgenommen, auch in Bezug auf den Ausstieg aus dem Asbest-Geschäft.»

ERNST MÜLLER-MÖHL: «Ein begnadeter Financier, der sich bis zu seinem Tod in Richtung eines Unternehmers entwickelt hat.»

FRANK GULICH: «Ein aktiver Mensch, der sich gerne unter geistig offenen, inspirierenden Leute bewegt.»