Herr Humer, wie viel Einfluss macht Roche bei Genentech geltend?
Wir greifen nicht ins Tagesgeschäft von Genentech ein. Trotz unserer Mehrheit lassen wir Genentech die unternehmerische Freiheit. Allerdings besteht ein reger Austausch in der Forschung.

Warum führen Sie Genentech an so langer Leine?
Genentech ist ein Teil von Roche, aber auch ein unabhängiges Unternehmen. Wenn diese Unabhängigkeit verloren ginge, würde die Genentech-Kultur zerstört. Ein sehr grosser Anreiz für die Mitarbeiter fiele weg. Man muss ein Unternehmen wie Genentech, das in einem anderen Kulturkreis zu Hause ist, auch anders führen.

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Inwiefern anders führen?
Wenn Genentech zu hundert Prozent Roche gehören würde, wie sollten die Leute in Kalifornien dann ihren Erfolg messen? Heute schauen sie den Genentech-Aktienkurs an, das ist ihr Erfolg. Und das ist in diesem Kulturkreis etwas enorm Wichtiges. Es ist auch gut, dass Genentech selbst bestimmt, in welchen Bereichen geforscht wird.

Forschen Roche und Genentech auch gemeinsam an Medikamenten?
Nehmen Sie das neue Krebsmittel Avastin: Genentech hat dort bislang allein gearbeitet, jetzt leiten wir die weltweite Entwicklung zusammen ein. Solch ein Programm wird von einem Projektteam geleitet, in dem Mitglieder beider Unternehmen sitzen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit konkret?
Wir haben ein Joint Development Committee, das sich projektbezogen alle sechs bis acht Wochen trifft. Ausserdem ein Steering Committee, das die Projekte als Ganzes begutachtet und einmal im Quartal zusammenkommt. Ausserdem gibt es eine ganze Reihe untergeordneter Teams mit Leuten aus der Produktion, aus dem Marketing und aus der Entwicklung.

Gab es je Konflikte um das Mass an Unabhängigkeit?
Nein, von Beginn an wurde seitens Roches viel Wert auf die Eigenständigkeit von Genentech gelegt. Man muss dennoch die Unternehmen als sich entwickelnde Organismen sehen. Ganz sicher hat sich das Verhältnis von Genentech und Roche in den letzten zehn Jahren verändert – zum Positiven verändert. Für uns war es neu, in Kalifornien ein Unternehmen zu haben. Bei Genentech fragte man sich, wie sich die neuen Eigentümer verhalten würden. Mit den Jahren hat sich Vertrauen aufgebaut. Heute müssen nicht mehr alle Meetings von Angesicht zu Angesicht stattfinden, vieles diskutieren wir in Videokonferenzen.

Es kann doch nicht immer alles reibungslos laufen …
Im Geschäftsbetrieb passiert es immer wieder, dass man sagen muss: Moment, da müssen wir nochmals diskutieren.
Sind hier die Interessen der Minderheitsaktionäre von Genentech gewahrt? Werden unsere Interessen wirklich berücksichtigt?

Kostet das viel Energie?
Man muss viel Zeit für Beziehungspflege aufwenden. Sehr viel. Ganz klar: Das ist auch Stress für eine Organisation. Unsere Mentalität musste sich ändern. Es ist viel anstrengender, manchmal auch frustrierend, wenn man Recht zu haben glaubt und nicht befehlen kann. Wir mussten lernen, zuzuhören und vom anderen etwas anzunehmen.