Der Unmut bei der Interessengemeinschaft «Freunde der NZZ» wird grösser. Der Weggang von Gerhard Schwarz, dem stellvertretenden «NZZ»-Chefredaktor und Wirtschaft-Ressortleiter, zu Avenir Suisse sei ein weiterer Schlag für die «NZZ». Denn die Zeitung verliert damit ihren profiliertesten Journalisten. Dies nach einem noch herberen Schlag vor gut zwei Wochen: Der NZZ-Gruppe gelang es nicht, die Basler Zeitung Medien zu kaufen.
Laut den «Freunden der NZZ» gehören rund 150 Aktionäre der NZZ zu ihrer Gruppe, die zusammen 10 bis 15% der Aktien halten sollen. Das Gründungskomitee setzt sich aus dem Vermögensverwalter Erhard Lee, Oliver Benz und dem PR-und Kommunikationsspezialisten Edwin van der Geest zusammen.
Verwirrung um Immobilienwert
Die kritischen NZZ-Aktionäre monieren, dass der Verwaltungsrat zu wenig unternehmerisch handle. So werde der reiche Immobilienschatz des Verlagshauses ungenügend bewirtschaftet. «Die NZZ besitzt Liegenschaften mit einem Brandversicherungswert von 635 Mio Fr.», steht im Newsletter der Freunde. Damit könnte die NZZ Verluste oder schrumpfende Gewinne im Verlagsgeschäft tragen.
NZZ-Sprecherin Bettina Schibli erklärt: «Die Liegenschaften sind bewirtschaftet und werden fast ausnahmslos betrieblich genutzt. Nicht betrieblich genutzte Flächen werden ebenfalls bewirtschaftet und sind drittvermietet.» Dabei verweist sie auf den letzten Geschäftsbericht. Dort beträgt der Brandversicherungswert der Sach- und Immateriellen Anlagen zusammen 635 Mio Fr. und nicht nur die Immobilien allein. Die «NZZ-Freunde» korrigierten auf Hinweis der «Handelszeitung» den geschätzten Immobilienwert auf knapp 400 Mio Fr.
Die «Freunde der NZZ» glauben ferner, dass die NZZ von der Publigroupe über den Tisch gezogen wurde. Der Werbevermarkter hat nämlich das Anzeigengeschäft von der NZZ erneut erhalten, obwohl NZZ-CEO Albert P. Stäheli stets betonte, dass der Anzeigenverkauf in Eigenregie zum Kerngeschäft gehört. Die NZZ habe wohl spekuliert, so die Gruppierung, dass Publigroupe ihren Einfluss über ein Vorkaufsrecht bei der Basler Zeitung Medien geltend machen würde. Schliesslich besass die Publigroupe 37% an der «Basler Zeitung». Doch dieser Einfluss sei offenbar nicht genutzt worden.
Für die «Freunde der NZZ» hätte die Integration der «Basler Zeitung» in die Freie Presse Holding der NZZ durchaus Sinn gemacht, allerdings erschraken sie über den hohen Preis. «Es war die Rede von einem Kaufpreis von 80 Mio Fr. bei gleichzeitiger Übernahme von Schulden der BaZ-Gruppe in der Höhe von 120 Mio Fr. - zusammen 200 Mio Fr. Zum Vergleich: Die ganze NZZ-Gruppe wird heute an der Börse ebenfalls mit rund 200 Mio Fr. bewertet und «ist wohl sicher viel mehr Wert als die ‹BAZ›», meint Edwin van der Geest. Doch NZZ-Sprecherin Schibli dementiert: «Die vertraglich neu vereinbarte Zusammenarbeit mit der Publigroupe steht in keinem Zusammenhang mit dem ‹BaZ›-Deal.»
VR-Kandidaten übergangen
Die «Freunde der NZZ» greifen nicht den CEO an, sondern den Verwaltungsrat der NZZ. Allein Mitglied der FDP zu sein, sei kein Kriterium, um einen Sitz im VR zu besitzen. Insbesondere der VR- Präsident Conrad Meyer ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie portieren deshalb zwei eigene Kandidaten für den VR: Alex Seidel, den ehemaligen VR-Präsidenten und CEO des Nahrungsmittelkonzerns Unilever, und den Immobilienhändler Urs Ledermann, Inhaber der Ledermann Immobilien und VR-Präsident der Mobimo Holding.
Die «Freunde der NZZ» ärgern sich auch, «dass die beiden Kandidaten weder vom VR der NZZ kontaktiert noch für ein Gespräch eingeladen wurden.» Es sei ihnen nur mitgeteilt worden, dass es gelungen sei, eigene Kandidatinnen beziehungsweise Kandidaten für den VR zu gewinnen. Die «SonntagsZeitung» vermutet, dass Carolina Müller-Möhl VR-Kandidatin sein könne. Gegen sie werden die «Freunde der NZZ» jedoch kaum opponieren. Schliesslich gründete ihr verstorbener Mann die BZ Bank, bei der Erhard Lee, der zum Gründungskomitee der «Freunde der NZZ» gehört, früher arbeitete.
Meyer gibt keine Namen preis
Die NZZ-Gruppe weist die Vorwürfe der «Freunde» weit von sich. «Der VR hat im Zusammenhang mit allfälligen Neuwahlen in den Verwaltungsrat der NZZ-Mediengruppe ein breites Evaluationsverfahren lanciert. Unter anderem wurden auch uns genannte Kandidaten mit berücksichtigt. Das Verfahren ist jedoch ein vertraulicher Prozess, zu welchem keine Auskünfte gemacht werden. Der VR informiert zu gegebenem Zeitpunkt», sagt VR-Präsident Meyer.