Viele Manager scheinen überfordert. Die Ursachen dafür sieht der ehemalige Sulzer-Manager Fritz Fahrni einerseits bei Führungsfehlern von Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten, andererseits bei Neid und Machtkämpfen als auch zum Teil in äusseren Umständen. Fehlt es an Verantwortung? Sind die Manager realitätsfremd? Fahrnis Ratschläge an die heutige Generation von Führungskräften rücken andere Momente in den Vordergrund. Denn der Wert eines Managers messe sich nach wie vor an seiner Wertschöpfung für Kunden, Mitarbeiter und Geldgeber.

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- 1. Teamgeist statt Eigensinn: Fahrni misst dem Teamgeist einen grösseren Stellenwert als dem Einzelkämpfertum bei. Nur durch intensive Teamarbeit liessen sich auch das individuelle Potenzial entfalten und die Schwächen des Einzelnen kompensieren. «Es gibt zu viele Teams mit gleich gelagerten Leuten, und es wird zu wenig Wert auf Komplementärität gelegt.» Erforderlich sei ein stetes Abwägen der

momentan benötigten Fähigkeiten.

- 2. Erfahrung zweitrangig: Das Management nur mit unverbrauchten, jungen Kräften zu besetzen, sei ebenso eine Marotte, wie nur langgediente Leute zu holen. «Wichtig in einer Geschäftsleitung ist eine Mischung von Willen zu Neuem, Erfahrung und Können.» Bei ausschliesslich 60-Jährigen sei die Gefahr von konservativen Entscheiden zur Bestandessicherung gross. Habe es umgekehrt nur Junge, fehle die Balance. «Der CEO braucht nicht der Erfahrenste zu sein.» Gefragt seien vielmehr Überblick und Tatkraft, um Chancen rasch nutzen zu können.

- 3. Balance der Triebkräfte: Laut moderner Gehirnforschung sind ökonomisch gesehen drei Triebkräfte relevant: Die Balance, das Abwägen von Chancen und Risiken, dann die Neugier, etwas auszuprobieren, und als Drittes der Vorwärtsdrang. Fahrni stützt seine Theorie darauf ab: «Eine Geschäftsleitung aus lauter Goalgettern ist blind für Chancen und Risiken. Sie sieht vielfach effizientere und einfachere Wege nicht.» Ein zurückhaltender CEO müsse Personen zur Seite haben, die für Produkte neugierig sind, beim Verkauf vorandrängen und bei der Logistik gewissenhaft sind. «Kommunizieren diese Teammitglieder miteinander, ist es unwichtig, wer CEO ist.»

- 4. Bodenhaftung behalten: Wenn die Arroganz ins Kraut schiesst, wird die Managerzunft leicht zum isolierten Biotop und schlechten Vorbild. Als Mittel dagegen empfiehlt Fahrni, diesen Abgehobenen weniger Aufmerksamkeit zu schenken. «Bei Erfolg sollte der CEO auch die Grösse haben anzuerkennen, dass die Randbedingungen stimmten.» Und bei Misserfolg solle er nicht die Fehler bei anderen suchen.

- 5. Reputation in der Branche: Wichtiger als die Darstellung in den Medien sei für den CEO, dass die Firma und deren Kunden über seine Absichten und Werte genau Bescheid wissen. «Der CEO muss darum besorgt sein, dass man in der Branche gut über ihn und den Betrieb redet. So wie in den Medien dargestellt, ob gut oder schlecht, ist man nie ganz.» Der CEO brauche ein «gesundes Selbstvertrauen und ein tief verwurzeltes Wertebewusstsein».



- 6. Zuwarten können: Ein CEO ist immer im Spannungsfeld zwischen der Innovation und den Ansprüchen der Umgebung. Das Neuste wird manchmal von der Zeit gar nicht aufgenommen. Genauso seien die Stabilität und vorhersagbare Entwicklung des Betriebs zu berücksichtigen. «Der CEO muss zuwarten können, bis die Gelegenheit

aus der Gesamtsicht gut ist, auch wenn der Druck von aussen gross sein mag.»

- 7. Persönliche Ethik: Fahrni setzt hinsichtlich Gehältern auf die Ethik des Einzelnen und weniger auf feste Regeln. Er schätzt, dass sich etwa 95% der Verantwortlichen an die ethischen Regeln halten. «Für das, was ich arbeite, wage und einsetze, darf ich etwas verdienen.» Auswüchse liessen sich aber auch bei guten Unternehmensgrundsätzen nie ganz vermeiden.

- 8. Klügere Erfolgskontrollen: Nicht mehr Messgrössen, sondern intelligentere Kontrollmechanismen wünscht sich Technologieprofessor Fahrni. «Es wird nach wie vor zu viel Gewicht auf Outputgrössen gelegt, während die verursachenden Inputgrössen vernachlässigt werden. Durch Überwachung und Korrektur des Inputs erzeugt man viel mehr Wirkung und Qualität.»

- 9. Bereitschaft zu lernen: «Es ist niemand zu 100% kompetent, obwohl Managementbegriffe wie ‹beherrschen› und ‹vollständig im Griff haben› solches suggerieren.» Bei aller Innovation und allem Wissen gelte es, die Bereitschaft zu bewahren, zu lernen und zuhören zu können. «Im Spannungsfeld von innovativer Haltung und Zuhören können zeichnet sich der gute unternehmerische Charakter aus. Die Kunden, die Aktionäre und vor allem die eigenen Mitarbeiter wissen und können auch etwas. Oftmals sogar mehr.»

- 10. Lösungen transparent machen: Unsitten wie Abzocken und Starkult sind schlechter Führungsstil. Vielfach versteht der CEO laut Fahrni den Inhalt seiner Gedanken nicht zu vermitteln. «Die Erwartungen der Kunden, der Aktionäre und der Mitarbeitenden gilt es zu ergründen und mit den firmeneigenen Lösungsvorschlägen zu erfüllen.» Jedes Führungsmitglied müsse helfen, Lösungen zu erarbeiten und intern und nach aussen bekannt zu machen.



- 11. Gutes Betriebsklima: Zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen gibt es immer Spannungen. Darin sieht Fahrni auch eine Chance. «Der CEO braucht aber den Willen, den Mut und das Durchhaltevermögen, die Probleme auf den Tisch zu legen und auf Lösungen hinzuarbeiten. Das heisst, eine echte Interessenabwägung zu betreiben und auch den Kompromiss nicht zu früh zu suchen.» Die Anforderungen an die Charaktereigenschaften eines CEO bleiben für Fahrni ewig gleich, kurz: Für den Betrieb dazusein. Denn ein Betrieb werde immer durch Menschen geführt werden.



Der Dauersanierer von Sulzer mit der sozialen Ader

Fritz Fahrni (62) wurde bekannt als Dauersanierer von Sulzer. Als Präsident der Konzernleitung hatte der ETH-Maschineningenieur den Auftrag, das Maschinenbauunternehmen in einen Technologiekonzern umzubauen.1990 wurde der weltweit reputierte Schiffsmotorenbau stillgelegt. Zwei Jahre später traf die Grossgiesserei Oberwinterthur das gleiche Schicksal; die Papiermaschinenproduktion wurde ausgegliedert und in ein Joint Venture mit der deutschen Voight-Gruppe eingebracht.

1996 trennte sich Sulzer von der zukunftsträchtigen Umwelttechnik und

konzentrierte die Webmaschinenproduktion im Werk Zuchwil. Die Konzernleitung stiess danach die Sulzer Hydro nach Österreich ab und legte die traditionsreiche Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik still.

Hatte Fahrni als Präsident der Konzernleitung 1988 noch mit 34000 Mitarbeitern begonnen, so waren es bei seinem Rücktritt noch elf Jahre später nur noch 23000.

Der gebürtige Winterthurer räumte 1999, nach insgesamt 23 Jahren Sulzer-Zugehörigkeit, enttäuscht der «neuen Generation» von Ueli Roost und Fred Kindle den Platz, nachdem seine Abbau- und Optimierungsprogramme die Renditeerwartungen der Sulzer-Aktionäre offenbar nicht zu befriedigen vermochten.

Erst nach seiner Ägide setzte der eigentliche Kahlschlag bei Sulzer ein. Fahrni wurde zumindest noch eine «soziale Ader» und ein «guter Draht» zur Belegschaft nachgesagt.

Seit seinem Rücktritt belegt er an der ETH Zürich und der HSG in St. Gallen eine Doppelprofessur für Technologiemanagement und Unternehmensführung.

Fahrni war nach eigener Aussage bei Sulzer mit dem Anspruch der Integrität angetreten, wie er sie in der alten Schule bei den einstigen Konzernchefs Ulrich Bremi (ex Swiss Re) und Bill George (ex Medtronic) gelebt sah. «Ich wollte meinen Grundsätzen treu bleiben können, sodass ich mein Gesicht am Morgen noch anschauen

konnte und auch nicht das Risiko späterer Vorwürfe meiner Kinder einging.»

Im Clinch mit den Gewerkschaften habe er immer frühzeitig den Dialog gesucht. Ebenso mit den Mitarbeitern, sobald sich ein Entscheid abgezeichnet habe. «So war ich gefordert, einen Weg einzuhalten. Manchmal waren die Mitarbeiter nachher enttäuscht, aber sie waren durch dieses Vorgehen auch eher bereit, einen solchen Entscheid zu akzeptieren.» (EH)