Damals, 1992, als er beim Zentralschweizer Milchverband den Direktorenposten antrat, suchte er eine Stelle mit viel Bewegungsfreiheit. Die hat er bekommen und genutzt. Fritz Wyss, heute 59-jährig, gilt in der Branche als Machtmensch. Das Etikett stört ihn nicht. «Zumindest dann nicht, wenn man den gross und mächtig gewordenen Emmi-Konzern mit meiner Person in Verbindung bringt», sagt Wyss, der 1993 die Emmi AG mitgründete.

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Empfindlicher kann der Sohn eines Berner Käsers reagieren, wenn ihm und Emmi wie in den letzten Jahren wiederholt Machtmissbrauch auf Kosten der Landwirte und Goliath-Gehabe vorgeworfen wird. «Das ist nicht sachbezogen. Fakt ist, dass es denjenigen Bauern, die mit uns arbeiteten heute besser geht, als denen, die sich für einen anderen Weg entschieden», wehrt sich Wyss dann vehement. Offen sagt er, dass er persönliche Angriffe nicht sonderlich gut ertrage.

Fritz Wyss wechselte 1992, nach elf Jahren an der Spitze der Chocolat Frey, vom Süssen zu Milchprodukten und Käse und hat in den vergangenen zwölf Jahren ein Unternehmen geprägt, das zu den wachstumsstärksten im Land gehört.

Noch vor sieben Jahre setzte der Luzerner Molkereikonzern gerade mal 300 Mio Fr. um. Vor drei Jahren war es bereits 1 Mrd Fr. Demnächst sind es 2 Mrd Fr. nach der Übernahme diverser Betriebe aus dem Swiss-Dairy-Food-Nachlass inklusive deren Käsegeschäft. Das rasante Wachstum, grösstenteils mittels Akquisitionen, wurde Wyss auch immer wieder zum Vorwurf gemacht.

Doch der Berner ging konsequent seinen Weg im Wissen, dass die europäische Marktöffnung im reglementierten Milchverarbeitungsgeschäft schrittweise erfolgt und ein Betrieb wie Emmi nur mit ständig neuen Innovationen und einer stringenten Exportstrategie erfolgreich sein kann.

Nie eine One-Man-Show

Eine One-Man-Show sei das nie gewesen, betont Wyss: «Ich habe stets eine Kultur gepflegt, in der hinterfragt wurde und Geschäftsleitung und VR immer zwischen mehreren Szenarien entschieden haben.» Bis heute befindet sich die Emmi AG zu gut 70% im Besitz der Zentralschweizer Milchbauern. Da war Wyss' Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte einfach darzustellen, immer wieder matchentscheidend. «In einem grossen Gremium ist das elementar», weiss er.

Fritz Wyss gilt als bodenständig und führt intuitiv. «Ich arbeite wenig mit schweren Dossiers», meint er selbst. «Doch diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich in Bezug auf Zahlen und Zusammenhänge ein relativ gutes Gedächtnis habe. So glaubt man dann, ich führe intuitiv. Doch ich arbeite recht viel, wenn die Leute es nicht sehen», fügt er mit Schmunzeln bei.

Wyss zieht die mündliche Kommunikation vor. «Das ist heute zwar nicht mehr so modern. Doch die detaillierten Dossiers mit vielen Excel-Tabellen bergen Gefahren. Es sieht alles wunderbar aus. Doch Fehler fallen oft nicht auf», stellt er fest.

Der langjährige Emmi-Chef steht für einen Stimmungswandel in seiner Branche. «Unser Sektor ist stark landwirtschaftlich geprägt. Man sagt nie, dass es einem gut geht, auch wenn es so ist. Lieber klagt man ein bisschen. Wir haben uns dafür entschieden, Gutes zu tun und auch darüber zu sprechen.» Zu diesem Mentalitätswechsel gehörte es, intern und extern zu betonen, dass man gute Zahlen erwirtschaftet.

Wyss predigte seinen Mitarbeitern immer und immer wieder, dass es nicht dasselbe sei, bei Emmi oder bei einem anderen Milchverarbeiter zu arbeiten. «Das mag man als Arroganz bezeichnet haben, aber es führte zu einem gewissen Stolz unter den Mitarbeitern. Dieser Stolz entfachte ein Feuer.» Dazu gehört bei Emmi, dass bei Stellenbesetzungen interne Bewerbungen bevorzugt und dann Weiterbildungen ermöglicht werden. Wyss: «Das motiviert und zeigt, dass man bei uns Anerkennung findet und Chancen hat.»

Das schnelle Wachstum, sagt Wyss, sei nur möglich gewesen, weil die Kontinuität auch in den Bereichsleitungen gewährleistet war und man nur gewisse Elemente wie Kommunikation und Finanzen zentralisiert habe. Der grosse Rest blieb dezentral organisiert.

Trotzdem hat Wyss das oberste Kader einst 30 Leute, heute 110 und das Kader früher 70 Manager und inzwischen 220 , regelmässig zusammengezogen und in die strategische Planung miteinbezogen. So fühlten sich zugekaufte Betriebe schneller integriert.

Geheimniskrämerei bringt nichts

Wyss schwört auf eine offene Kommunikation gegen innen und gegen aussen. Für ihn ist es das Bewusstsein, dass sich Geheimniskrämerei grundsätzlich nicht lohnt. «Denn irgendwo gibts dann doch ein Leck.» In seiner Branche hat sich Fritz Wyss immer wohl gefühlt. «Eine gewisse Bodenhaftung entspricht schon meinem Naturell», meint er. Schwierige Entscheide schiebt er nie lange hinaus. In der Regel schläft er einmal darüber, dann fasst er den Entschluss. «Im Wissen, dass ein Entscheid fast nie zu 100% richtig ist, bringt zu langes Warten meistens nichts.»

Nun hat sich dieser Macher also freiwillig mit noch nicht einmal 60 Jahren aufs VR-Präsidium zurückgezogen. Warum eigentlich?

«Diese Funktion ist ein Vollblutjob, und es ist gut, wenn jetzt frisches Blut kommt. Ich habe immer gesagt, dass ich die operative Führung noch vor 60 abgeben möchte. Als VR-Präsident kann ich während sechs weiteren Jahren bis ich 65 bin die nötige Kontinuität sicherstellen», sagt Wyss. Die Kompetenzen zwischen ihm und dem neuen CEO Walter Huber seien klar formuliert.

In einer Übergangsphase pflegt Wyss weiterhin die Beziehungen mit den landwirtschaftlichen Verbänden und betreut das Projekt Börsengang. Bereits abgesegnet von den Zentralschweizer Milchbauern, strebt Emmi voraussichtlich 2005 das IPO an, um das weitere Wachstum zu finanzieren. Eine Mehrheit soll auch dann in der Hand der Bauern bleiben.

Zur Person

Fritz Wyss absolvierte eine Lehre als Käser und ein Studium als Lebensmittelingenieur ETH. Er arbeitete für den Maschinenkonzern Alfa Laval, wo er in Frankreich, Schweden und in der Schweiz tätig war. Es folgten elf Jahre als Leiter der Chocolat Frey und der Jowa Teigwarenfabrik, Buchs. 1992 war Wyss Hauptinitiant zur Gründung der Emmi AG, wo er bis Ende 2003 CEO und VR-Delegierter war. Seit Anfang Jahr ist er deren VR-Präsident. Fritz Wyss lebt in Beinwil am See, ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter.

Fritz Wyss' Führungsgrundsätze

1. Grundsätzlich Vertrauen zu Mitarbeitern und Partnern haben.

2. Erfolg stimuliert und motiviert zu Leistung.

3. Fordern kann man nur, was man nachhaltig vorlebt.