Als der 25-jährige Andreas Jöhr letztes Jahr zum Teamleiter befördert wurde, war es für ihn erst einmal ein «seltsames» Gefühl. Er führte plötzlich ein Team von 27 Mitarbeitern alles Kollegen, mit denen er vorher auf gleicher Stufe gearbeitet hatte. Als Teamleiter koordiniert er ihren Einsatz und ist auch für die Qualität der Arbeit seiner ehemaligen Kollegen verantwortlich. Sein Arbeitgeber, die Firma Transcom, bietet Support im Bereich ADSL an.

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Wie jeder Teamleiter ist Jöhr verantwortlich, dass die Mitarbeiter nicht zu viel Pausen machen, dass sie pünktlich zur Arbeit erscheinen und ein Arztzeugnis vorbeibringen, wenn sie krank sind. Hat er keine Mühe, den Tarif durchzugeben? Andreas Jöhr winkt lächelnd ab: «Ich will, dass es den Leuten gut geht. Dazu gehört es, dass man höflich bleibt und die Mitarbeiter um etwas bittet statt zu befehlen. Gerade bei älteren Mitarbeitern bringt es überhaupt nichts, herumzuschreien.»

Mit seinen Mitarbeitern, die zwischen 23 und 45 Jahre alt sind, hatte Andreas Jöhr bisher noch keine Schwierigkeiten: «Wenn ich deutlich älter wäre, hätte ich keinen Draht mehr zu den Jüngsten im Team.» Auf Skepsis stiess er hingegen bei der ersten Sitzung mit anderen Teamleitern und seinen eigenen Vorgesetzten.

Es ist nicht immer das Alter

Andreas Jöhr: «Ich spürte gleich, dass ich mehr bringen musste als die anderen. Von älteren Vorgesetzten fühlte ich mich mit meinen Ideen nicht immer ganz ernst genommen.» Für ihn ist es entscheidend, mit allen respektvoll umzugehen. Dazu gehört auch, einmal einzugestehen, dass ein Mitarbeiter fachlich mehr weiss als er.

So reibungslos wie in diesem Fall verläuft eine Beförderung von jungen Kollegen nicht immer. Buchautorin Dagmar Kohlmann warnt vor negativen Gefühlen von Ex-Kollegen und Fallstricken, denen junge Chefs ausgesetzt sind. Und vor blindem Aktionismus und radikalem Umorganisieren: «Besser ist es, zunächst alles wie gewohnt weiterlaufen zu lassen und die Mitarbeiter langsam für neue Ideen zu begeistern.» Gemäss Kohlmann gibts oft auch Widerstand: «Enttäuschte Mitarbeiter tun ihren Unmut oft recht deutlich kund, indem sie Dienst nach Vorschrift machen, häufig krankfeiern oder gar hintenrum andere in ihr opponierendes Lager ziehen.»

«Im einen oder anderen Fall kann es bei jüngeren Vorgesetzten und älteren Mitarbeitern schon Akzeptanzprobleme geben», erklärt UBS-Sprecherin Eveline Müller. Sie ist der Meinung, dass Führungsschwierigkeiten grundsätzlich kaum etwas mit dem Alter zu tun haben, sondern von der fachlichen und sozialen Kompetenz des Vorgesetzten abhängen und natürlich auch vom Mitarbeiter selber.

Dass ältere Mitarbeiter einem jüngeren Vorgesetzten in einer verantwortungsvollen Position mit einer gewissen Skepsis begegneten, könne es hie und da schon geben. «Es wäre aber zu einfach, Probleme nur auf Altersunterschiede zurückzuführen. Bei der UBS sind rund 30% der Führungskräfte unter 35 Jahre alt.»

In die Rolle hineinwachsen

Bei der IBM sind 12% aller Führungskräfte jünger als 35. «Junge Vorgesetzte bringen neue Ideen, neue Sichtweisen, neuen Schwung. Die Voraussetzungen für eine Beförderung zum Vorgesetzten kann man unabhängig vom Alter erfüllen. Dazu gehören Know-how, Erfahrung und Leistung sowie die Entwicklung von Führungskompetenzen und Führungswissen», erklärt Sprecherin Susan Orozco.

Auf mögliche Schwierigkeiten von jüngeren Chefs angesprochen, erwähnt Orozco den Einblick eines jeden Vorgesetzten in die Personaldaten seiner Mitarbeitern: «Eine Herausforderung für junge Vorgesetzte ist es beispielsweise, damit umgehen zu lernen, dass ein paar ihrer Mitarbeiter mehr verdienen als sie selbst.»

Der 29-jährige Adrian Stäubli ist seit fünf Jahren Manager bei der IBM. Als knapp 20-jähriger Sachbearbeiter trat er in die Firma ein, wurde mit 24 Jahren zum Leiter der Verkaufsadministration seiner Abteilung befördert und führt seither 28 Mitarbeiter. Er hat die Erfahrung gemacht, dass man in die Rolle des Vorgesetzten im Laufe der Zeit hineinwächst. Erstens durch die interne Managerausbildung, die jeder neue Manager bei der IBM durchläuft. Zweitens auch durch die tägliche Auseinandersetzung mit den Mitarbeitern. «Zu Beginn hatte ich Bedenken, ob es bei meinen ehemaligen Kollegen, die älter sind als ich und schon mehr Berufserfahrung haben, Probleme mit der Akzeptanz geben könnte.»

Gespür für Menschen

Schwierigkeiten bereitete es dem jungen Mann beispielsweise, ältereren Mitarbeitern gegenüber Lob auszusprechen: «Anfangs getraute ich mich gar nicht. Dabei wäre das sehr wichtig.» Bei einigen Mitarbeitern hat Stäubli zwei Jahre gebraucht, bis er sich als Vorgesetzter voll akzeptiert fühlte. «Ich habe vor allem intuitiv gehandelt. Beispielsweise nicht gleich alle Arbeitsabläufe verändert, wo ich spürte, dass es den Leuten wichtig ist, dass es so bleibt.»

Der 61-jährige Jörg Laubenberger arbeitet seit 31 Jahren als Sachbearbeiter bei der IBM und bekam vor vier Jahren mit Adrian Stäubli einen neuen Vorgesetzten. Er hat einen guten Draht zu ihm und schätzt es, dass Stäubli Probleme, die zu Konflikten ausarten könnten, von Anfang an klärt und auf einer menschlichen Ebene diskutiert. Laubenberger: «Ich war natürlich gespannt, wie er das schaffen würde. Aber ich hatte ein gutes Gefühl, was seine Führungsqualitäten anbelangt. Ein junger Vorgesetzter muss ein Gespür haben für seine Leute. Wenn jemand seine Linie einfach durchzieht, kann es ziemlich schnell Probleme geben.»

6 Tipps: Worauf junge Chefs achten müssen

- Mitarbeiter in Entscheidungen wenn möglich einbeziehen.

- Die Mitarbeiter Respekt und Wertschätzung spüren lassen.

- Versprechungen unbedingt einhalten.

- Den Mitarbeitern in Gesprächen die Gelegenheit geben, zu sagen, was sie von ihrem neuen Vorgesetzten erwarten.

- Nicht versuchen, der Abteilung den eigenen Stempel aufzudrücken, etwa nach kurzer Zeit bereits eingespielte Abläufe zu verändern.

- Akzeptieren, dass man als Vorgesetzter nicht mehr in alle Pausengespräche mit einbezogen wird. (kp)