Beinahe hätte man bei ABB vergessen, was eine Krise ist. Doch das vergange-ne Jahr hat den erfolgsverwöhnten Elektro- und Automationskonzern wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Im Frühjahr schockte CEO Joe Hogan die Schweizer Öffentlichkeit mit seinem millionenschweren «Begrüssungsgeld», das ABB dem Ex-General-Electric-Manager als Ablöse zahlte. Dies diente hernach wochenlang als Aufhänger für die nationale «Abzocker»-Debatte.

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Als zusätzliches Ärgernis fand sich der Konzern auch noch im Mittelpunkt einer peinlichen Staatsaffäre wieder: Weil Schweizer Behörden den Sohn des libyschen Staatschefs Muammar Ghaddafi vorübergehend verhaftet hatten, nahmen die Libyer im Gegenzug zwei Schweizer als Geiseln - einer von ihnen ist Max Göldi, Länderchef von ABB Libyen. Bis heute sitzt der Mann in Tripolis fest und muss sich jetzt vor Gericht wegen angeblicher «illegaler Wirtschaftsaktivitäten» verantworten.

Auch operativ lief es nicht mehr rund: Die Anzeichen mehrten sich, dass die globale Konjunkturkrise langsam, aber sicher auch auf ABB durchschlägt. Blickt CEO Joe Hogan nach vorne, sieht er keine Zeichen der Entspannung - im Gegenteil. Denn ABB, tätig in den Bereichen Energieübertragung und -versorgung sowie in der Automation, ist ein Spätzykliker; der Konzern wird die Auswirkungen der globalen Konjunkturkrise erst 2010 voll zu spüren bekommen.

Robotergeschäft ist Sorgenkind

Zwar legte ABB in den vergangenen Quartalen noch stolze Umsätze hin, doch die eingebrochenen Zahlen beim Auftragsbestand - einem wichtigen Frühindikator für zukünftige Umsätze - zeigen, vor welchen Herausforderungen ABB steht. Sorgen bereitet Hogan vor allem der wachsende Preisdruck: Wegen der allseits sinkenden Nachfrage zerfallen auch die Preise auf den Weltmärkten. Hogan versucht, dem Problem mit striktem Kostenmanagement zu begegnen. Im vergangenen Jahr liess Hogan seine Crew 1,3 Mrd Dollar einsparen, 2010 sollen es nochmals deutlich über 2 Mrd Dollar sein.

Das Sorgenkind bleibt 2010 das Geschäft mit Industrierobotern. Die Erträge brachen 2009 weg, und eine Erholung ist erst im 2. Halbjahr 2010 zu erwarten. Wie sich das Robotikgeschäft in diesem Jahr wirklich schlagen wird, bleibt Aussenstehenden aber verborgen. Denn Hogan reorganisierte Ende November das Automationsgeschäft und formte aus den bisherigen Sparten Automationsprodukte und Robotik zwei neue Divisionen: Industrieautomation und Antriebe, wo Robotik integriert wird, sowie Niederspannungsprodukte. «Wir richten uns stärker am Markt aus, indem wir Geschäftsfelder mit ähnlichen Kunden, Technologien und Servicemodellen bündeln. Damit können wir künftig noch schneller Lösungen für unsere Kunden entwickeln», erklärte Hogan seinen Schritt.

Das Wasser am Hals hat Hogan dennoch nicht. ABB verfügte per Ende September über eine Nettoliquidität von 5,8 Mrd Dollar und über weitere potenzielle Mittel in der Höhe von 10 Mrd Dollar. Damit kann ABB nicht nur die Krise meistern, sondern sich gar an Zukäufe heranwagen. Allerdings, das betonte Hogan mehrfach, kommen vorläufig keine milliardenschweren Übernahmen in Frage. Arrondierungen hingegen schon.