Kurz vor dem ersten Markteintritt ausserhalb Europas lässt sich die Strategie der Berliner Smartphone-Bank N26 mit zwei Worten zusammenfassen: Grösse zählt!
Das Unternehmen will die Anzahl der Kunden schnell steigern und ist dafür zunächst von dem einstigen Vorhaben abgerückt, neben dem Kernprodukt Konto noch viele weitere Produkte anzubieten. «Regionale Expansion geht vor Produkt-Expansion», sagte N26-Bank-CEO Markus Gunter in einem Interview mit «Bloomberg». «Am Anfang war unser Ziel, möglichst schnell ein breites Produkt-Angebot für Deutschland zu bauen, das eine gewisse Komplettheit hat.»
Auf dem Heimatmarkt entschied sich die Bank jetzt, ihr Angebot N26 Invest zu pausieren. Hier hatten Kunden die Möglichkeit, Gelder in ETFs anzulegen. Und in Grossbritannien brachte N26 unlängst ein Premium-Konto zum Start ohne integrierte Reiseversicherung heraus, die das Unternehmen auf anderen Märkten für dasselbe Produkt anbietet.
Marktmacht durch Grösse
«Wir wären relativ leicht wieder vom Markt zu schubsen, wenn wir eine ansprechende Bank wären, die zwar alle möglichen Dienstleistungen anbietet, aber relativ klein ist», erklärte Gunter. Produkte, die nur für wenige Kunden interessant seien und sich nur schwer europaweit ausrollen liessen, würden derzeit für N26 wenig Sinn machen. Ziel sei es, «Marktmacht durch Grösse und tägliche Relevanz für den Kunden zu generieren».
Um das Wachstum zu finanzieren, hatte N26 zu Jahresbeginn eine 300 Millionen Dollar schwere Finanzierungsrunde verkündet. Mit der Transaktion stieg die Bewertung von N26 nach eigenen Angaben auf 2,7 Milliarden Dollar. Zu den Investoren der Bank zählen unter anderem die Allianz-Gruppe und Valar Ventures von Peter Thiel, einem frühen Investor von Facebook.
Nächster Start: USA
Die Konzentration auf das Konto könnte sich für N26 auszahlen, legt zumindest eine Analyse des Beratungsunternehmens Oliver Wyman nahe. Demnach entfallen zwar 45 Prozent des Revenue-Pools für Konto- und Sparprodukte im Retail-Banking bereits auf digitale Angebote, doch im Anlage-Bereich seien es beispielsweise erst etwa 15 Prozent.
«Kunden kaufen noch nicht alle Produkte digital», erklärte Gökhan Öztürk, Partner bei Oliver Wyman. Das berge für Fintech-Unternehmen die Gefahr, grosse Investments mit wenig potenziellem Ertrag zu tätigen.
Der Start in den USA ist laut Gunter aktuell für «Mitte dieses Jahres» vorgesehen. Für Brasilien gebe es noch keinen Termin. Ebenfalls auf der Agenda stehe die Schweiz. Asien sei hingegen derzeit kein Thema.
Grossbritannien als Testlauf
In den meisten bisherigen Märkten bietet N26 Euro-Konten an. Die einzige Ausnahme ist Grossbritannien, wo die Konten in Pfund geführt werden. «Daher ist Grossbritannien auch ein Testlauf für die USA und Brasilien, wo wir ebenfalls Konten in lokalen Währungen anbieten wollen», sagte Gunter.
«Im Moment können wir in Grossbritannien unsere deutsche Banklizenz nutzen. Sollten wird diese Möglichkeit wegen des Brexit verlieren, würden wir uns in Großbritannien um eine eigene Banklizenz bemühen», erklärte Gunter. «Der Markt hat das Potenzial. Die ersten Ergebnisse sind sehr positiv.»
Unterm Strich kommt das Unternehmen inzwischen auf 2,5 Millionen Kunden in 24 europäischen Ländern. Gestartet war N26 vor vier Jahren in Deutschland.
Auf Kosten des Service?
Kritiker werfen dem Fintech vor, es treibe das Wachstum auf Kosten des Kundenservices und der Sicherheit voran. So wird auf ausländischen Märkten bei der Konto-Eröffnung teils nur ein Photo- statt eines Video-Identifikations-Verfahrens wie in Deutschland verwendet. «Diese Vorgehensweise wurde von der Aufsicht geprüft und akzeptiert, weshalb wir an dem Verfahren festhalten möchten», sagte Gunter. «Wir haben die Anzahl der abgefragten Sicherheitsmerkmale beim Photo-Identifikations-Verfahren erhöht.»
Einen anderen Kritikpunkt bringt er selbst ins Spiel. «Oft lautet der Vorwurf, dass man mit Zwanzigjährigen kein Geld verdienen kann», erklärte er mit Blick auf junge Kunden. «Dem möchte ich so widersprechen. Zwanzigjährige werden interessant, wenn die Kosten niedrig sind.»
Negativ-Schlagzeilen wegen Kundenservice
«Einem N26-Kunden werden 80.000 Euro gestohlen – und die Bank ist überfordert.» Die Nachricht über den Stopp des Telefonservice von N26 auf dem Startup-Portal Gründerszene hat im Netz für Furore gesorgt. In dem Fall wurde einem Unternehmer per Mail-Phishing 80'000 Euro gestohlen. Inzwischen hat sich N26-Gründer Valentin Stalf dafür entschuldigt.
Stalf kündigte an einem Forum in St. Gallen auch an: In zwei bis drei Monaten soll der Markteintritt in die Schweiz endgültig erfolgen. Derzeit ist N26 in 24 Ländern präsent. Im Januar hat N26 bekannt gegeben, dass ein Markteintritt in die Schweiz noch dieses Jahr erfolgen soll.
(tdr, mit Material von Bloomberg)