Es ist schwer, ein Spiel der Champions League zu schauen, ohne den Schriftzug von Gazprom zu Gesicht zu bekommen. Zum einen ist der russische Konzern Trikotsponsor vom Schalke 04 und offizieller Energiepartner vom FC Chelsea, die sich beide für das Achtelfinale dieser Saison qualifiziert haben. Und zum anderen ist Gazprom einer von sechs offiziellen Partnern der Königsklasse.
Prominent vertreten ist er also im Fussball, der staatliche russische Grosskonzern. Den ersten Deal zwischen Schalke und Gazprom im Jahr 2007 hat sogar der deutsche Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder persönlich eingetütet. Dass er wenige Monate nach dem Ende seiner Kanzlerschaft in den Aufsichtsrat beim kremlnahen Unternehmen wechselte, erntete seinerzeit viele Buhrufe. Ähnlich wie die Fussball-Aktivitäten der Energielieferanten.
«Sollte Chelsea seinen Sponsoren-Deal mit Gazprom beenden?»
Mit jeder neuen Eskalation der Ukraine-Krise wurden die Stimmen der Kritiker lauter. «Sollte Chelsea seinen Sponsoren-Deal mit Gazprom beenden?», fragte im Frühjahr der britische Telegraph. Und das Handelsblatt stellte in einer Analyse der Auswirkungen der Ukraine-Krise im September fest: «Gazprom macht Schalke völlig sprachlos».
Jetzt allerdings nimmt die Geschichte eine neue Wende: Am Wochenende verkündete Gazprom-Chef Alexej Miller im Moskauer Staatsfernsehen, dass sich das Unternehmen nach dem Aus der transeuropäischen South-Stream-Pipeline von Europa abwende. Konkret sagte Miller: «Das ist der Anfang vom Ende unseres Modells, bei dem wir uns auf Lieferungen bis zum Endverbraucher auf dem europäischen Markt orientierten.»
Gazprom wollte im Endkundengeschäft stark werden
Der Draht zum Endkunden galt vielen stets als Motiv für den grössten Erdgas-Produzenten weltweit, als Fussball-Sponsor aufzutreten. «Hinter der Entscheidung zu sponsern, stand für viele der Plan, langfristig im Endkunden-Geschäft stark zu werden», sagt Sport-Sponsoringexperte Philipp Kupfer von der Beratung Repucom. «Durch eine Abkehr von dieser Strategie hat der Auftritt als Sponsor auf den ersten Blick weniger Sinn.»
Steht die lukrative Geldgeberschaft für Schalke, Chelsea und die Uefa also bald in Frage? Die Kehrtwende in der Konzernstrategie kommt zumindest zu einem heiklen Zeitpunkt: Nur der Vertrag mit Schalke läuft noch bis 2017. In der Champions League und bei Chelsea läuft er zum Sommer 2015 aus. Und Gazprom ist ein wichtiger Geldgeber. Schalke bekommt rund 15 Millionen Euro pro Jahr, es ist der lukrativste Sponsorenvertrag der Vereinsgeschichte. Beim Londoner Stadtclub von Milliardär Roman Abramowitsch ist die genaue Summe nicht bekannt.
Vertragsverhandlungen im Schatten der Ukraine-Krise
Die Vertragsverhandlungen stehen nun im Schatten der russisch-europäischen Entzweiung. Für Gazprom gibt es allerdings auch ohne Endkundengeschäft Gründe, als Sponsor aufzutreten. «Für Gazprom zählt nicht allein die Wahrnehmung als Sponsor beim Endkunden. Genauso wichtig sind die Kontakte zu Geschäftspartnern, also B2B-Kontakte», so Kupfer. «Hier bietet ein Fussballspiel eine exklusive Umgebung, um etwa wichtige Geschäftspartner einzuladen. In dieser Hinsicht kann sich das Sponsoring weiter auszahlen, auch wenn das Endkunden-Geschäft nicht länger im Fokus stünde.»
Gazprom könnte also an seinem Engagement festhalten – wenn Chelsea und die Uefa auch nach den politischen Hakenschlägen der letzten Zeit das Wagnis eingehen, ihren Namen mit dem eines politisch derart brisanten Konzern zu verbinden.