Die ausländischen Partner wollen die Angelegenheit nicht am Telefon besprechen. Für ein Treffen schlägt Pius Segmüller den Hauptsitz des Weltfussballverbands vor. Am 13. Mai 2009 empfängt der Sicherheitschef der Fifa im gläsernen Büropalast am Zürichberg die Manager der Firma Armatix.

Doch in den Verhandlungen mit des Chefs des Münchner Unternehmens geht es nicht um Fussball. Armatix, das mit 30 Mitarbeitern digitale und biometrische Waffensicherungssysteme herstellt, sucht nach neuen Absatzmöglichkeiten. Dazu braucht es jemandem, der den Schweizer Markt bis ins Detail kennt und Türen zu den Entscheidungsträgern öffnen kann.

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Segmüller kann das. Er ist zu jenem Zeitpunkt bei der Fifa auf dem Absprung. Ihm gehört bereits die Swissec AG, eine Beratungsfirma für Sicherheitsfragen. Als Oberst der Schweizer Armee, ehemaliger Polizeikommandant und Kommandant der Schweizergarde im Vatikan bringt er nationale und internationale Beziehungen mit. Segmüller verfügt über direkte Drähte ins Bundeshaus. Der CVP-Mann sitzt im Nationalrat und dort in der sicherheitspolitischen Kommission. Die Produkte von Armatix sollen Pistolen und Gewehre vor Missbrauch schützen. «Ähnlich dem Prinzip der elektronischen Wegfahrsperre beim Auto», heisst es im Firmenprospekt. Die Sicherungen scheinen wie gemacht für ein Land, dessen Einwohner Millionen von Feuerwaffen besitzen - ganz besonders im Vorfeld der Waffeninitiative, die den Missbrauch verhindern will (siehe Kasten).

Die Randnotiz zu Farner

Im Juni 2009 beginnt Lobbyist Segmüller mit seiner Arbeit: «Das Geschäftspotenzial in der Schweiz» abzuklären sowie «wichtige Entscheidungsträger aus Politik, Sicherheitsorganisationen/Verbänden auf die Problematik der Waffensicherheit hin zu sensibilisieren», heisst es in Dokumenten, die der «Handelszeitung» vorliegen. Seine Erkenntnisse hält er in zwei Zwischenberichten, datiert vom 3. August 2009 und vom 10. September 2009, und schliesslich in einem Schlussbericht vom 30. September 2010 fest.

Segmüller setzt auf einen Kampfgefährten. Der Glarner BDP-Nationalrat Martin Landolt sei «Befürworter von Waffensicherungen auf breiter Ebene» und habe gute Verbindungen zu Jagdkreisen. «Die sind sehr empfänglich für einfache und kostengünstige Waffensicherungssysteme», notiert Segmüller. Noch wichtiger für Armatix: Landolt reicht am 10. Juni 2009 eine Motion ein, die den Bundesrat auffordert, elektronische Waffensicherungen in die Gesetzgebung aufzunehmen. «Das Armatix-System hat mich voll überzeugt», sagt Landolt heute. Seinen Vorstoss habe er in der Hoffnung eingereicht, dass daraus ein Gegenvorschlag zur Waffeninitiative entstünde.

Nach den Jägern nimmt Segmüller die Sportschützen ins Visier. Das Gespräch mit Verbandsdirektor Urs Weibel verläuft positiv: «Herr Weibel wird sich ... dafür stark machen, dass unter den Sportschützen Massnahmen zur Steigerung der Waffensicherheit getroffen werden», notiert er. Der Lobbyist informiert seine deutschen Auftraggeber auch darüber, dass der Verband der Sportschützen die PR-Agentur «Farner Communications» «mitfinanziert», welche die Kampagne gegen die Waffeninitiative bestreitet.

Segmüllers zentrale Ansprechperson jedoch ist Heinz Wegmüller, Chef Business Development bei der staatseigenen Rüstungsfirma Ruag Aviation mit Sitz in Emmen, nur 20 Kilometer von Segmüllers Swissec entfernt. «Ruag ist ein ernst zu nehmender und sehr wichtiger Partner, der Armatix zusätzliche Unterstützung für den Markteintritt bieten kann», hält Segmüller fest. Dank der Vermittlung soll Armatix ihre Produkte am 26. Oktober 2009 in der Schiessanlage in Lungern 70 Kaderangehörigen der Polizei vorstellen können. Bereits wird von einer engen Zusammenarbeit geredet.

Plötzlich droht das Projekt zu scheitern. Am 18. August 2009 lehnt die Landesregierung die Motion Landolt ab. «Gegen die Ausstattung von Feuerwaffen mit Waffensicherungen spricht ..., dass entsprechend ausgerüstete Feuerwaffen weiterhin als Drohmittel eingesetzt werden können», schreibt der Bundesrat.

Als Reaktion darauf sucht Segmüller das Gespräch mit Simone Rusterholz vom Justizdepartement. Er erhält von der Juristin die Zusicherung, man werde nochmals auf die Angelegenheit eingehen, sofern es nicht um Ordonanzwaffen gehe. Darin sieht Segmüller eine zweite Chance für Armatix. Er fordert am 24. September 2009 in einer eigenen Motion ein Rahmengesetz für Waffensicherheit. Es gebe neben Ordonnanzwaffen eine «noch viel grössere Anzahl von ungesicherten Waffen in Haushalten, Jagd- und Schützenhäusern». Als Sicherheitsmassnahme preist er das Produkt seines Auftraggebers: «Elektronische Waffensicherungen bieten eine extrem hohe Sicherheit (staatliche und private Sicherheitszertifikate aus Deutschland zeugen davon).»

Segmüllers Werben zeigt Wirkung. Ruag-Manager Wegmüller und Armatix-Mehrheitseigentümer Bernd Dietel kommen ins Gespräch. Zwischen den beiden wird für den 11. September 2009 «ein Besprechungstermin über einen Lizenzvertrag vereinbart». Am 8. Oktober 2009 besuchen Segmüller und Wegmüller das Armatix-Werk in München.

Sympathien bei Ueli Maurer

Bevor es zum Treffen kommt, schreibt Segmüller seinen Schlussbericht: Als «Land der Sicherheit» könne die Schweiz «für das Produkt Waffensicherheit Armatix auch für das Ausland Aushängeschild werden». Er empfiehlt den Münchnern, den internationalen Markt von der Schweiz aus zu bearbeiten. Unterstützung bietet Ruag der Armatix bereits in Österreich. Dort vertreibt die Tochter des Rüstungskonzerns die Systeme der Deutschen.

Auf der politischen Ebene wird das Projekt schliesslich abgeschossen. Segmüller vermutet bei VBS-Chef Ueli Maurer zwar ein grosses Interesse an der Waffensicherung, aber der Gesamtbundesrat lehnt am 18. November 2009 seine Forderung nach einem Rahmengesetz ab.

Die Zweifel der Landesregierung an der Wirksamkeit elektronischer Sicherungssysteme sind ein massiver Rückschlag für Segmüller. Am 20. November 2009 hatten die Armatix-Chefs Dietel und Ernst Mauch ihre Unterschriften unter die Vereinbarung Nr. 703469 gesetzt: «Ziel ist die Entwicklung des gemeinsamen Verständnisses einer möglichen späteren Zusammenarbeit und die Erarbeitung eines Vertrages, der eine solche Zusammenarbeit im Detail regelt.»

Die Ruag unterzeichnet nicht. «Ohne gesetzliche Grundlage ist wenig Marktpotenzial vorhanden», sagt eine Sprecherin. «Wir haben nicht die politische Unterstützung gefunden, die wir haben müssten, um Erfolg zu haben», meint Armatix-Chef Dietel. Auch sein Schweizer Geschäftsführer Leonz Meyer ist skeptisch: «Ich zweifle daran, ob dieser politische Wille noch zustande kommt.»

Besonders enttäuscht sind Segmüllers Ex-Kollegen. Bei der Schweizergarde in Rom stellt er im November 2009 die Sicherheitspistole «Smart-Gun» «persönlich» vor. Wäre das Ruag-Geschäft ins Rollen gekommen, hätte die päpstliche Garde 200 Sicherheitssysteme «als Weihnachtsgeschenk mit dazugehöriger PR für Armatix» bekommen. Der Waffenbestand der Schweizergarde ist laut Segmüllers Geheimprotokoll «zwar klein, aber werbewirksam».