Italien steht unter schwerem Beschuss der Finanzmärkte. Bankentitel und Staatstitel gerieten in den letzten Tagen unter massiven Druck: Der Risikoaufschlag für italienische Staatsanleihen ist am vergangenen Freitag gegenüber deutschen Bundesanleihen um 2,45 Prozent gestiegen. Am Montag kletterte der Abstand sogar auf 2,7 Prozent. In Europa macht sich langsam Panik breit – Panik, dass Italien das «Griechenland-Syndrom» packt.
Einiges spricht dafür, dass das Land in den Abwärtsstrudel geraten könnte: Eine hohe Verschuldung, ein geringes Wirtschaftswachstum und eine weit weniger dynamische Erholung nach der Finanzkrise als in den meisten anderen Euroländern.
Zweithöchster Schuldenstand im Euroraum
Rund 1800 Milliarden Euro an Schulden hat das Land inzwischen aufgehäuft – das sind rund ein Viertel der Gesamtschuld der Eurozone. Und 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Zum Vergleich: In Griechenland sind es 326 Milliarden, in Spanien 639, in Portugal 160 und in Irland 148 Milliarden.
Italien hat zwar erst kürzlich massive Sparmassnahmen in Höhe von 47 Milliarden Euro angekündigt. Aber nur sieben Milliarden davon fallen im laufenden Jahr und 2012 an. Der Rest des Sparpaket will man erst 2013 und 2014 umsetzen - nach Ablauf der Regierungszeit von Premier Silvio Berlusconi. Dann allerdings könnte es schon zu spät sein. Die Wirtschaft entwickelt sich indes nur schleppend: Im ersten Quartal 2011 waren es gerade einmal 0,10 Prozent Wachstum – der Schnitt in der Eurozone lag bei 0,8 Prozent.
Aber vor allem der hohe Schuldenstand des Landes bereitet Ökonomen massive Sorgen: Italien weist nach Griechenland (143 Prozent) den zweithöchsten Wert im ganzen Euroraum auf. Aber: Die Volkswirtschaft ist weit grösser als die griechische – nach Deutschland und Frankreich ist Italien die drittgrösste Wirtschaftsmacht im Euroraum.
Sollte es mit Italien bergab gehen, wäre es für die EU aus diesem Grund gar nicht möglich, das Land zu retten, wie es etwa mit Griechenland und Portugal funktioniert: «Mit den jetzigen Mitteln des Rettungsfonds ist das nicht machbar», so Julius-Bär-Ökonom Markus Allenspach. Der Rettungsschirm ist nur auf die vorübergehende Stabilisierung der drei Krisenländer Irland, Portugal und Griechenland ausgerichtet.
Ratingagenturen zweifeln
Auch die Ratingagenturen melden inzwischen Zweifel an Italien Stabilität an. Im Mai hatte Standard & Poors den Ausblick für Italien auf «Negativ» gesetzt, die Begründung, Italien würde seine Sparziele nicht konsequent durchsetzen. Moody’s hat einen Monat später aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums und der niedrigen Produktivität das AA2-Rating Italiens überprüft.
Trotzdem: Italien ist gross und verfügt über eine diversifizierte Wirtschaft. Viele internationale Unternehmen nennen das Land ihre Heimat. Firmen wie Eni, Fiat oder der Finanzdienstleister Unicredit unterstützen und stabilisieren das Land.
Der Italienische Anleihenmarkt ist einer der grössten weltweit, grösser sind nur noch die USA und Japan. Ein derart gewaltiger Markt ist in der Regel liquide und findet schnell wieder neue Investoren.
Im Gegensatz zu den anderen Euro-Peripherieländern ist die Neuverschuldung des Landes mit 4,6 Prozent in 2010 noch relativ gering – der Schnitt des Euroraums lag bei 6,0 Prozent. «Und auch der Schuldenstand konnte sich in Italien in den letzten Jahren relativ stabil halten», so Markus Allenspach. Im Quervergleich in der EU hätte Italien also bewiesen, dass es sich relativ stabil halten kann.
Haupsächlich im Inland Schulden
Ausserdem hat Italien die meisten Schulden im Inland angehäuft. Demnach befinden sich 55 Prozent der Staatsschulden in den Händen der Italiener. Das Volk könnte Steuererhöhungen finanziell besser verkraften als zum Beispiel die Griechen.
Die Attacke auf Italien findet der Ökonom daher «erstaunlich». Sie zeige, wie sensibel die Märkte inzwischen auf politische Differenzen reagierten. Das habe sich bereits in Ländern wie Griechenland und Irland sehr deutlich gezeigt. Dort waren es hauptsächlich Differenzen zwischen Regierung und Opposition. «Wenn aber, wie in Italien, nicht einmal die Regierung in sich geschlossen ist, dann wird das zum kritischen Punkt», so Allenspach.
Finanzminister auf Berlusconis Abschussliste
Giulio Tremonti der Finanz- und Wirtschaftsminister Italiens, gilt eigentlich als der mit Abstand fähigste Wirtschaftsexperte in der italienischen Regierung. Ausgerechnet er, der den Märkten einen Rest Vertrauen eingeflösst hatte, steht auf der Abschussliste von Berlusconi. Der Wirtschaftsminister ist in Verruf geraten, weil gegen seinen ehemaligen engsten Vertrauten strafrechtlich ermittelt wird.
Wenn Tremonti fallen würde, so sagt er selber, würden Italien und danach der Euro folgen. In diese politischen und fiskalpolitischen Verwirrungen müsse man, so Markus Allenspach, Transparenz bringen und die Glaubwürdigkeit erhöhen, damit an den Märkten das Vertrauen in die Euroländer zurückkommt.
(cms)