Othmar Pfannes plagen keine Finanzsorgen. Der CEO der Basler Bioinformatikspezialis- tin Genedata sitzt immer noch auf einem Grossteil der 20 Mio. Fr. Risikokapital, die ihm die erste Finanzierungsrunde im Jahr 2001 eingebracht haben. Der Aufbau zweier Geschäftsstellen in den USA konnte mit Kosten in der Höhe von knapp 3 Mio Fr. verhältnismässig günstig abgewickelt werden wie auch die Lancierung eines neuen Produkts. Deshalb sei die Beschaffung von zusätzlichem Kapital sei es durch eine weitere Finanzierungsrunde oder durch einen Börsengang zurzeit überhaupt kein Thema.
Der Grund für die gesunden Finanzen sei die Tatsache, dass Genedata gutschweizerisch seinen Lebensunterhalt selber verdiene. Zwar weise das Unternehmen keinen Gewinn aus, weil es noch keine Steuern bezahlen wolle, wie sich Pfannes ausdrückt, doch zur Deckung der Kosten reiche es «praktisch». Rund 10 Mio Fr. betrug der Umsatz im Jahr 2002.
Software für die Analyse von Genaktivitäten
Er wird vor allem durch drei Softwareprodukte generiert: Phylosopher, Screener und Expressionist. Das Phylosopher-Produkt ist ein Genanalyseprodukt im engeren Sinn und erlaubt durch Vergleiche bekannter Genomsequenzen verschiedener Organismen, Funktionen von den durch das Erbgut hergestellten Eiweissen zu bestimmen. Der Screener wertet die Daten aus hochvolumigen Testreihen aus, während der Expressionist, ein Renner im Portfolio, zur Auswertung von so genannten Biochips verwendet wird. Diese Glasplättchen, die von Hunderttausenden von kleinen Genstücken bevölkert sind, werden zur Analyse der Genaktivität in bestimmten Zellen genutzt. Mit diesen drei Produkten unterstützt Genedata wichtige Bereiche des Entstehungsprozesses von neuen Medikamenten, von der so genannten Target Identification bis zu klinischen Studien.
In Zukunft will sich Genedata auch im neuen Gebiet der Systembiologie etablieren, die gesamte biologische Systeme statt einzelne Komponenten detailliert erforscht. Damit sollen Wirkstoffe entwickelt werden, die nicht nur Symptome bekämpfen, sondern effektiv eine Krankheit behandeln können. «Medikamente versuchen, ein spezielles Gen oder Protein unschädlich zu machen, doch bei Krankheiten kommen einige andere Interaktionen zusammen, die man erst verstehen muss.» Damit springt die Firma auf einen Forschungszug auf, den die ETH Zürich vor Monatsfrist mit der Schaffung eines Lehrstuhles für Systembiologie gestartet hat.
Ob und wann Genedata mit entsprechenden Produkten Geld verdienen wird, ist noch ungewiss. Klar ist hingegen, dass die Firma durch den Verkauf der Software und deren Implementierung einen tiefen Einblick in die Forschungspraxis der Pharmamultis erhält. Auch damit lässt sich Geld verdienen. Ein knappes Drittel des Umsatzes erwirtschaftet Genedata mit Beratungen: «Wir kennen die Forschungs- und Entwicklungsprozesse unserer Kunden genau. So sehen wir sehr schnell, welcher Forschungsschritt im Einzelfall noch verbesserungswürdig ist», sagt Pfannes.
Zu den wichtigsten Kunden von Genedata zählen Pharmafirmen wie Novartis, Bayer, Schering, Astrazenca und Altana. Total zählt die Basler Firma über 30 Kunden, die meisten davon sitzen in Europa, vier in Asien und eine steigende Zahl in den USA der Markt mit den schnellsten Zuwachsraten, wie Pfannes betont. Neben dem Pharma- und Biotechsektor verspricht sich Genedata zusätzliches Wachstum im Bereich Nutritionals, Agrobiotech sowie Diagnostik. Total schätzt Pfannes die Zahl der potenziellen Kunden auf 250 bis 500 Firmen weltweit; das Marktvolumen beziffert er auf 2 bis 3 Mrd Dollar.
Von Novartis in die Freiheit entlassen
Auffallend ist, dass Roche lange Zeit auf keiner Kundenliste von Genedata aufgetaucht ist. Das habe einen firmengeschichtlichen Hintergrund, erklärt Pfannes. Genedata war nämlich bis zur Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz eine Abteilung innerhalb der Ciba-Forschung. Pfannes, der bereits Mitte der 80er Jahre an der Universität of California in Berkely erstmals Daten von Genomforschern verpackte, kam 1992 nach Basel, wo er im Bereich Scientific Computing eine Bioinformatikabteilung aufbaute und das Fundament seiner späteren Firma legte. Genedata wurde im Zuge der Fokussierung auf die Kernkompetenzen von Novartis wie viele Abteilungen auch in die Freiheit entlassen. Der Novartis Venture Fund schoss eine sechsstellige Summe in den Aufbau ein die mehrheitlich für die Beschaffung der Computer-Infrastruktur benötigt wurde.
Auf schmalem Grat, aber mit Zukunftspotenzial
Ob Novartis heute nochmals einer Abspaltung zustimmen würde? Das ist wohl unsicher. Denn Bioinformatikprodukte, zumal solche, die Genedata anbietet, sind in den Augen vieler Pharmaunternehmen von strategischer Bedeutung. Der US-Konzern Merck beispielsweise übernahm die Bioinformatikfirma Rosetta für 600 Mio Dollar im Juli 2001.
Pfannes sieht denn auch seine Hauptkonkurrenz nicht in anderen Bioinformatikfirmen wie Compugen oder Lion Biosciences, sondern in internen Abteilungen von Grosskonzernen. «Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat», ist sich Pfannes bewusst. Trotzdem glaubt er fest daran, dass Genedata im Bereich der Pharmaforschungsprozesse dereinst so wichtig wird, wie es SAP bei den Unternehmensprozessen ist.
Mit seinen derzeit 80 Mitarbeitern ist Pfannes meilenweit von der Erfüllung seines Traumes entfernt. Doch dazu hat er noch alle Zeit. «Die Sequenzierung der menschlichen Erbsubstanz vor ein paar Jahren war erst der Anfang. Wir haben jetzt eine Bibliothek mit 30000 Bänden, wovon jeder Band 10000 Seiten umfasst. Aus diesem Text des Lebens Sätze oder gar Kapitel zu extrahieren das wird uns die nächsten 100 Jahre beschäftigen.»
Firmenprofil
Firma: Genedata AG, Maulbeerstrasse 46, Basel
Gründung: 1997 als Spin-off von Novartis
Besitzer: Management (Mehrheitsaktionär)
Kapitalgeber: Lombard Odier (Lead), Novartis Venture Fund, Alta Partners, Altana
Umsatz: 10 Mio Fr.
Beschäftigte: 80 Tätigkeitsgebiet: Entwicklung und Vermarktung von Bioinformatiksoftware für die Vereinfachung und Beschleunigung der Medikamentenforschung und -entwicklung
Internet: www.genedata.ch