Den General- und Totalunternehmungen geht es gut. Wo haben die GU im vergangenen Jahr vor allem zugelegt?
Rainer Sigrist: Die Auslastung ist tatsächlich bei allen Firmen gut bis sehr gut, die Auftragsbücher sind voll. Die GU haben in allen Sparten zugelegt. Nur im Renovationsbereich haben wir eigenartigerweise kein Wachstum.
Warum?
Sigrist: Ich habe dafür keine plausible Erklärung.
Für das Hoch ist in erster Linie der Wohnungsbau verantwortlich. Besteht hier nicht die Gefahr einer Überproduktion?
Sigrist: Das befürchten wir auch ein wenig. In den urbanen Zentren ist der Wohnungsbau aber nach wie vor gefragt. Zudem wechseln viele Leute von alten in neu erstellte Wohnungen. Die Mehrfamilienhäuser aus den 1950er und 1960er Jahren werden dadurch allerdings schwerer vermietbar. Deren Besitzer müssten jetzt investieren, wobei man sich bei einem Teil der Bauten aber fragen muss, ob ein Neubau nicht sinnvoller ist.
Ihre Firma, die HRS, ist am Bau verschiedener Sportstadien beteiligt. Ist der Stadionbau wirklich ein Zukunftsmarkt?
Sigrist: Nein. Wir brauchen gar nicht so viele Stadien in der Schweiz, und sie können nur mit Mantelnutzungen finanziert werden. Diese sind nicht unbeschränkt möglich: Wir kommen nämlich in der Schweiz langsam in einen Overshop-Bereich.
Umsätze und Auftragbestand haben markant zugenommen, doch die Preissituation ist gemäss VSGU-Jahresbericht «nach wie vor sehr gedrückt». Können die GU nicht rechnen, oder stimmt diese Aussage allenfalls gar nicht?
Sigrist: Wir können schon rechnen, aber wir rechnen auf tiefem Niveau, mit gedrückten Margen. Die institutionellen Anleger, welche die Objekte kaufen, haben den Auftrag, eine gute Rendite zu erzielen. Wir können die Preise respektive Mieten nicht einfach anheben, sonst stehen die Objekte leer.
Aber ein wesentlicher Grund ist doch, dass sich die Firmen gegenseitig die Preise unterbieten.
Sigrist: Das soll auch so sein, der Wettbewerb spielt. Es ist jeder in der Preisbildung frei, und manchmal gibt es für einen tiefen Preis auch strategische Überlegungen. Längerfristig kann aber niemand dauernd «Preis-Masochismus» betreiben. Auf der andern Seite wehrt sich unser Verband gegen ständig neue gesetzliche Auflagen, die das Bauen verteuern.
Das Bauen sollte nicht teurer werden. Wie aber können die Baumeister was allgemein als nötig erachtet wird zu besseren Preisen kommen?
Sigrist: Wir müssen die Planungskosten reduzieren. Insbesondere aber sind in den letzten Jahren die Beraterstäbe bei allen Beteiligten explodiert. Es hat eine Veradministrierung stattgefunden, und es wird bald jeder Schritt von einem Juristen begleitet.
Nähern wir uns also deutschen Zuständen?
Sigrist: Deutschen Verhältnissen, ja. Es herrscht eine Misstrauenskultur. Jeder hat einen Controller, und der Controller nochmals einen Controller. Wir haben uns bei der Allianz der Bauindustrie-Organisationen vorgenommen, dieses Problem anzugehen.
Und wie wollen Sie es anpacken?
Sigrist: Wir analysieren zuerst, warum es überhaupt so weit gekommen ist. Die GU müssen den Bauherren sagen können, wie weit Beratung und Controlling einen Sinn machen und wo sie nur den Apparat aufblähen. Wir müssen aber auch bei uns selbst beginnen: Wenn wir in erster Linie das Nachforderungsmanagement perfektionieren, bringen wir die Bauherren in Bedrängnis. Unser Ziel ist die Rückkehr zum bekannten System der Handschlagkultur.
Hat sich der GU-Markt in Bezug auf die Art der Mitspieler verändert?
Sigrist: Ganz klar. Die grossen Bauten werden zwar von den Verbandsfirmen abgedeckt, aber ausserhalb des Verbandes gibt es eine ganze Reihe von Nichtmitgliedfirmen mit ihren eigenen Kunden und Projekten. Ich lese den «Beobachter» und staune immer wieder, wie viel Schindluder insbesondere im Eigenheimbau betrieben wird. Das können wir nicht verhindern. Wir wollen jetzt aber unsern Verband öffnen und neu auch die seriösen Eigenheimbauer als Mitglieder aufnehmen. Gleichzeitig werden wir aufklären, dass GU nicht gleich GU ist. Das ist für unser Image wichtig.
Im Bauhauptgewerbe wird geklagt, dass die Eintrittsschwelle für neue Mitbewerber zu tief sei. Ist das bei den GU auch so?
Sigrist: Die «Einzelmasken» haben niedrige Eintrittsschwellen. Darum appellieren wir an alle Kunden, dass sie Bankgarantien verlangen sollen. Wenn einer als Generalunternehmer dem Kunden keine Bankgarantie in die Hand drücken kann, gehört er nicht in diese Szene.
Sie weisen regelmässig darauf hin, dass der Gesamtleistungsgedanke an Boden gewonnen habe. Nun hat der Marktanteil der GU am gesamten Bauvolumen in den letzten neun Jahren von 8,5 auf 10,5% zugenommen. Das ist nicht gerade gewaltig.
Sigrist: Nein, das ist nicht gewaltig. Die Anzahl Bauten, die in unsere Struktur hineinpassen, ist aber auch beschränkt. Wir können einfach feststellen, dass beinahe alle grossen Bauten, 20 Mio Fr. übersteigend, heute mit Generalunternehmern abgewickelt werden.
Seit Jahren stellen Sie fest, dass sich Ihr Angebot bei der öffentlichen Hand noch wenig durchgesetzt habe. Auch 2004 gab es hier kaum eine Veränderung. Woran liegt das?
Sigrist: Es bröckelt ganz langsam, so langsam, wie einzelne führende Beamte der alten Garde das Problem sind nicht die Politiker in Pension gehen. Wenn neue Leute kommen, hat der Gesamtleistungsgedanke eine Chance.
Die Idee des Public Private Partnership (PPP) hatte es in der Schweiz bisher schwer. Geht es jetzt vorwärts?
Sigrist: Der VSGU konnte beim Bund das PPP in einem Workshop vorstellen, und man hat uns signalisiert, dass im Budget des nächsten Jahres die ersten PPP-Bauten enthalten sein werden. Vertragsvorschläge, wie solche Vorhaben realisiert werden können, liegen vor. Einzelne Verbandsfirmen haben Projekte, die sie weiterverfolgen.
Um welche Art Bauten würde es sich handeln?
Sigrist: Wir haben uns in unserer PPP-Studie primär auf die Bereiche Bildungs- und Gesundheitswesen konzentriert. Da sehen wir ja den Markt für morgen und übermorgen. Wir haben erfreulicherweise auch schon Anfragen. Es wird also konkret.
Beim Personal haben die GU, den Aufschwung vorwegnehmend, frühzeitig aufgestockt. Werden die Bestände angesichts der guten Auftragslage jetzt weiter erhöht?
Sigrist: Ich hoffe nicht. Wegen der beschriebenen Misstrauenskultur sind die Overheadkosten bei allen Firmen angestiegen, und da müssen wir wieder auf ein gesundes Mass zurückfinden.
Und wenn Sie Leute suchen: Finden Sie sie auch?
Sigrist: Der Markt ist ausgetrocknet. Gute Baumanager sind nicht einfach zu finden. Eine Mehrheit der Mitgliedfirmen hat deshalb schon länger damit begonnen, junge Leute zwischen 20 und 30 selbst auszubilden und so Know-how aufzubauen. Zudem sind die Kurse der Allianz stets ausgebucht.
Wenn Sie auf Ihre bisherige Präsidialzeit zurückblicken: Was hat sich in diesen sechseinhalb Jahren verändert?
Sigrist: Es haben sich beim Bauen die Fronten verhärtet. Auf der andern Seite ist der Kontakt unter den Generalunternehmern deutlich besser geworden. Es ist uns gelungen, den Gesamtleistungswettbewerb zu verankern, wobei wir uns auf Bauten konzentrieren, die dafür geeignet sind. Unser Image ist besser geworden. Besonders freut mich, dass wir in dieser Zeit unter den Mitgliedfirmen keinen einzigen Konkurs zu verzeichnen hatten.
Der VSGU liess eine Strategiestudie erstellen. Was wird darin den GU empfohlen?
Sigrist: Jede Firma sollte sich entscheiden, ob sie in der Projektabwicklung oder in der Projektentwicklung tätig sein will. Die einen GU werden sich mehr zu Developern und Finanzdienstleistern entwickeln, während andere sich auf die Produktion, also die Projektabwicklung, konzentrieren. Wichtig ist auch, rechtzeitig die nächste Generation einzubeziehen. Bei meiner Firma haben wir ein MBO eingeleitet. Unsere Nachfolger sind jetzt daran, ausgehend von dieser Industrieanalyse die Spielregeln für die nächsten zehn Jahre zu formulieren
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Public Private Partnership: Das steht hinter den drei P
PPP ist eine auf vertraglichen Grundlagen basierende Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren mit dem Ziel der beidseitig Nutzen bringenden Aufgabenerfüllung. Dabei wird eine langfristige, über die verschiedenen Projektphasen hinausgehende und ausgewogene Zusammenarbeit angestrebt, welche die Ausnützung von Synergieeffekten ermöglicht. Voraussetzung dafür ist eine gewisse Zielkomplementarität der öffentlichen und privaten Akteure. In der Entscheidfindung, in die Durchführung sowie in die Verantwortlichkeit werden die Akteure frühzeitig einbezogen.
Die Vertragsdauer hängt von der Art des Objektes ab, sie sollte in der Regel jedoch 20 bis 30 Jahre betragen. (ak)
Ein Baumeister: Steckbrief
Name: Rainer Sigrist
Geboren: 22. Oktober 1945
Zivilstand: Verheiratet, drei erwachsene Kinder
Wohnort: Bottighofen TG
Ausbildung: Bauingenieur HTL
Funktion: Mitinhaber und Leiter HRS Hauser Rutishauser Suter AG (520 Mio Fr. Umsatz, 107 Beschäftigte) in Frauenfeld, zu der auch die Ortobau Generalunternehmung AG in Zürich gehört; Präsident VSGU (Verband Schweizerischer Generalunternehmer)
Schlagworte
Die Preissituation im Bau ist gedrückt, ...
«... weil die Renditeerwartungen der Investoren unverändert hoch sind.»
Der Stadionbau fasziniert Sie, ...
«... weil er eine Projektentwicklungsaufgabe ist, mit einem Zusammenspiel von Mantelnutzung, Sport, Sportevent und Bautechnik.»
Sie leben gerne im Thurgau, ...
«... weil wir ein Landkanton am Bodensee sind.»