Verliert ein umsatzstarkes Produkt den Patentschutz, kommen alle sieben Hersteller in der Schweiz mit einem Generikum auf den Markt», sagt Christoph Stoller, Geschäftsführer von Helvepharm. Mit diesen sieben Firmen sind Mepha, Ecosol, Spirig, Helvepharm, Sandoz, Medika und Streuli gemeint. Weil der Patentschutz an einem bestimmten Tag endet, spielt sich in den ersten Wochen unter den Konkurrenten ein erbitterter Preiskampf ab. Alle wollen ihr Produkt in möglichst vielen Arztpraxen, Apotheken und Spitälern platzieren.
Der Grund ist klar: Der Generikamarkt in der Schweiz wächst und wächst. Noch vor wenigen Jahren dümpelte er um die 3% herum, heute besetzen die Nachahmerprodukte 6,2% des Pharmamarktes. Die aktuelle Entwicklung lässt die Vermutung zu, dass 2007 der Marktanteil der Generika bei 10% liegen wird. Allein in diesem Jahr verlieren verschiedene Medikamente mit hohen Umsätzen ihren Patentschutz.
*Millionen für drei Monate*
Aus dieser Konstellation schlagen die Originalhersteller Profit. Sie offerieren seit kurzem einem Generikahersteller ein so genanntes Early-Entry-Agreement. Das Abkommen erlaubt dem Generikahersteller, mit dem eigenen Produkt früher auf den Markt zu kommen als die Konkurrenz.
Genau das passiert zurzeit bei Selipran: Der Cholesterinsenker von BMS verliert Ende August 2005 den Patentschutz. Noch ist es das zweitstärkste Medikament in der Schweiz mit einem Umsatz von 68 Mio Fr. (zu Publikumspreisen). Doch seit gut einem Monat ist das Generikum Pravalotin von Mepha in Apotheken und Arztpraxen zu finden. Mepha hat sich mit einem Early-Entry-Agreement mit BMS drei Monate Vorsprung auf die Konkurrenz geschaffen. Erst Ende August werden weitere Generika in den Markt drängen. Wie stark dann das Feld vom Branchenführer Mepha (Marktanteil 41%) belegt ist, wird sich zeigen. Ähnliches geschah schon mit Zocor. Der Cholesterinsenker von MSD hatte vor Patentablauf 2004 einen Umsatz von über 50 Mio Fr. (zu Fabrikpreisen) erzielt. MSD gewährte Ecosol ein Early-Entry. Heute macht das Ecosol-Produkt Simcora fast doppelt so viel Umsatz wie das Generikum von Mepha (Simvastin). In der Regel sind die Stärkeverhältnisse zwischen den beiden Branchenersten umgekehrt.
Das Early-Entry-Agreement ist nicht gratis zu haben. Ecosol soll MSD dafür 5 Mio Fr. bezahlt haben, wollen Branchenkenner wissen. Der tatsächliche Betrag ist streng geheim. Eine siebenstellige Summe dürfte auch Mepha hingeblättert haben, um bei Selipran drei Monate Vorsprung vor allen andern zu bekommen.
*Weitere Patente fallen*
Mit dem Early-Entry-Agreement scheint die Branche gut zu leben. «Das gehört zu einem funktionierenden Wettbewerb», sagt Stoller von Helvepharm. Und für Richard Hummel, Leiter Brand Management von Mepha, ist klar, dass ein solches Abkommen in beiderseitigem Interesse liegt - in jenem des Original- und in jenem des Generikaherstellers. Freude daran haben auch die Apotheker. Für Peter Bosshardt von der Winkelried-Apotheke in Zürich ist das Early-Entry eine «Superidee». Es führe zu einem stärkeren Verdrängungskampf unter den Generikaherstellern, von denen es in der Schweiz ohnehin zu viele gebe.
Nach der ersten Schlacht um Norvasc, bei der Pfizer vergeblich die Gerichte anrief, um Generika zu verhindern, findet in diesem Jahr also schon eine zweite um Selipran statt. Die beiden Produkte sind heuer die grössten Kassenschlager ohne Patentschutz, auf die sich die Generikahersteller stürzen. Kleinere, aber noch immer interessante Medikamente folgen noch dieses Jahr. Dazu zählen das Antidepressivum Zoloft von Pfizer, das Schlafmittel Stilnox von Sanofi-Synthélabo und Lamisil von Novartis, das gegen Pilzinfektionen hilft.
Die Neueinführungen der Generika bringen der Branche nochmals einen kräftigen Schub. Nach fünf Monaten betrug das Wachstum zu Fabrikpreisen 34,2%, wobei die Spitäler nicht mitgerechnet sind. «In den nächsten Jahren wird das Wachstum in unserer Branche zwischen 30 und 40% liegen», schätzt Stoller. Tatsächlich endet bis 2010 der Patentschutz von 30 umsatzstarken Produkten.
Neu dazu kommen die biotechnologisch hergestellten Medikamente (vor allem gegen Krebskrankheiten), die von Generika abgelöst werden. Der politische Druck und die steigenden Gesundheitskosten, die bei den Patienten direkt anfallen, sprechen ebenfalls für einen anhaltenden Boom der Generika.
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Generikamarkt: Millionen für einen Vorsprung
Läuft ein Patent ab, entsteht ein Loch in der Kasse der Pharmafirmen. Das muss nicht sein. Clevere Unternehmen lassen sich den Patentablauf von Generikaherstellern vergolden.
Lesezeit: 3 Minuten
Von Reto Schlatter
am 12.07.2005 - 20:22 Uhr
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