Optisch ist Georges Champoud das pure Gegenteil seines Vorgängers und Intimus Jean-Noël Rey: Der neue Mann an der Spitze der Privatpaketpost DPD wirkt hager, eher asketisch und nicht wie ein Bonvivant.

Dass gerade Champoud 1991 vom ehemaligen PTT-Generaldirektor Rey zu seinem persönlichen Mitarbeiter gemacht wurde, war kein Zufall: Der Waadtländer hat die Post von Kindesbeinen an im Blut im Gegensatz zu ihm ist Rey, der Walliser SP-Politiker und Doktor der Wirtschaft, über die Politik zur Post gekommen.

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Champouds Vater war Pöstler in Bex, im Chablais, wo er aufwuchs. Er selber hat eine mustergültige Postkarriere hingelegt. «Vom Schalter bis in die Generaldirektion», wie er sagt. Angefangen bei der Verkehrsschule St. Gallen über die Lehre als Post-Betriebssekretär in Bex und Vevey bis zum Sprung in die Generaldirektion 1977, wo er Kaderfunktionen im internationalen Postwesen innehatte.

Auch wenn er selber nie Briefe verteilte, erlebte er die Post nicht nur vom Bürotisch aus: Während dreier Jahre arbeitete er für die Bahnpost in Basel und fuhr zu allen Tages- und Nachtzeiten in der Schweiz herum. Niemand kann ihm vorwerfen, den Postgeist nicht à fond zu kennen.

Zufallskarriere vieler Pöstler

Dennoch distanziert er sich vom typischen Pöstligeist. Er betont, dass bei Postangestellten, die im internationalen Bereich in Bern arbeiteten wie er von 1977 bis 1990, ein anderer Geist herrsche. Die stetige Konfrontation mit internationalen Kollegen forciere einen, über den Horizont der Schweizer Post hinauszusehen. «Ich erlebte, wie sich die Postgesellschaften neu auf den Markt orientierten und Allianzen eingingen. Wir Internationalen wiesen unsere Kollegen ständig auf die Evolution auf diesem Markt hin», sagt Champoud.

Im Erleben von Champoud ist das Heer der Postbeamten sowieso einiges bunter, als das Klischee besagt: «Ich habe bei der Post immer wieder Leute kennen gelernt, die gar nicht Pöstler werden wollten.»

Er zählt sich dazu: Als er jung war, wollte er eigentlich einen Weg Richtung Kunstschule oder Grafik einschlagen. Er habe schon immer gern gezeichnet und könne von sich auch behaupten, dass er das gut beherrsche. Aber beim Berufsberater sei es damals nicht darum gegangen herauszufinden, was dieser junge Mann da eigentlich wolle, was seine Neigungen seien. Es hiess lediglich, er müsse Geld verdienen, mal vorwärts machen.Und: «Geh einmal zur Post.»

Der 54-jährige Vater von drei Kindern zwischen 20 und 26 Jahren, der von seiner Frau geschieden ist, betont, es seien nicht die Eltern gewesen, die ihn zur Post gedrängt hätten. «Ich habe selber entschieden und den Entscheid nie bereut, weil man sich bei der Post in sehr vielen Sachen entfalten kann.»

Mit der Kunst befasst er sich heute nur noch in seiner Freizeit, wenn er Museen besucht. Er gehöre nicht zu jenen Unternehmenschefs, die Kunst sammeln. Eine Sammlung habe er aber trotzdem, sagt er im Schalk. Er sammle nämlich Briefmarken mit Tablaux von Künstlern. «Ich habe meine eigene Kunstausstellung en miniature», schmunzelt er.

Der Mann, der sich selber ein Arbeitstier nennt, der als Erster komme und als Letzter gehe «da können Sie meine Mitarbeiter fragen» , wirkt im Gespräch locker. «Dass wir Romands lockerer sind als die Deutschschweizer, das sagt man so», kommentiert er. Aber er könne auch sehr streng und ernst sein. «Ich bin eher hart härter, als man denkt», erklärt er. Gewerkschafter, die mit ihm zu tun hatten, bestätigen: «Der Mann weiss, was er will, und weiss es unter Umständen knallhart durchzusetzen.»

Geprägt wurde seine Arbeitsethik vom Elternhaus. Da gab es nicht nur kein Entrinnen vor dem Postgeist, sondern es hiess auch mithelfen: «Mein Vater hatte einen Briefträgerlohn, und mit vier Kindern waren zusätzliche Einnahmen aus dem Garten notwendig.» Die Mittwochnachmittage habe er zusammen mit seinem Bruder mit stundenlangem Bohnenpflücken verbracht. «Aber ich bin sehr glücklich mit meiner Kindheit, das gab mir meine Lebensphilosophie.»

Dass er hart ist im Nehmen, konnte er gebrauchen während des Postskandals um Rey, der 1998 zurücktrat, weil er über die Affäre um Urs Haymoz gestolpert war. Details über den Rücktritt des inzwischen freigesprochenen Rey lässt sich Rey-Intimus Champoud nicht entlocken. Über die Bezeichnung «Rey-Intimus» schmunzelt er und kommentiert nüchtern: «Als Rey jemanden brauchte, der die Post gut kannte, kam ich gerade recht.»

Nach Reys Abgang wäre er fast zum obersten Schweizer Poststellen-Restrukturierer avanciert: Zuerst arbeitete er als Verkaufschef in Montreux mit 400 bis 500 Mitarbeitern. Ein Jahr später wurde er mit der heiklen Aufgabe betraut, das Poststellennetz in den Kantonen Genf, Waadt und Wallis zu restrukturieren: «Schliessung da und Schliessung dort», wie er sagt.

Sein Auftrag tönt wie ein Himmelfahrtskommando, zumal es um die Schliessung der gelben Nationalsymbole in den Tälern ging, wo der Widerstand am stärksten war. Als Buhmann habe er sich aber nie gefühlt. Champoud: «Bevor es zu Konfrontationen kam, haben wir die Leute vor Ort informiert natürlich immer mit einem kleinen Apéro, wie es sich für die Welschschweiz gehört.»

Auf die Frage, ob er von den Poststellenleitern je angefleht wurde, kommt die nüchterne Replik: «Ja, man hat schon verhandelt. Da brauchte es viel Fingerspitzengefühl.» Was auch immer Champouds Taktik war, seine Vorgesetzten waren zufrieden mit dem Resultat und wollten ihm die nationale Verantwortung für die Restrukturierung des Poststellennetzes übertragen. Doch oberster nationaler Schliessungs- und Umstrukturierungschef wollte er nicht werden.

Und an diesem Punkt stand für ihn fest: «Nach 20 Jahren im Betrieb muss man einmal.» Das sagt er in perfektem Schweizerdeutsch und einer Nuance Französisch. Da er den Kontakt zu Rey aufrecht erhalten hatte, dauerte es nicht lange, bis dieser ihm eine Stelle bei der DPD anbot. «Für mich war klar, mit Jean-Noël Rey mache ich weiter.»

Distanz zur Politik

Rückblickend sagt er über den gelben Riesen: «Ich bin froh, dass ich heute nicht mehr auf der Zentrale arbeite. Ich habe keine schlechten Gefühle gegen die Post und würde auch nicht sagen, sie ist unser Feind Nummer eins.» Die Post sei eine Konkurrentin und er wisse um ihre Stärken und Schwächen.

Für ihn sei immer klar gewesen, dass das Poststellennetz verschlankt werden müsse. Aber: «Ich hätte das vielleicht anders gemacht und die Kantone und Gemeinden mehr involviert.» Diese hätten schliesslich ihre eigenen Entwicklungsstrategien gehabt.

Champoud fährt politisch nicht auf der Linie seines Vorgängers. Er sei weder Mitglied der SP noch sonst einer Partei. Der Privatpaketpöstler will beim Geschäft bleiben: «Ich habe eine Meinung, aber in das politische Umfeld möchte ich mich nicht einmischen.» Zu den Bremsern der Liberalisierung gehört der Privatpöstler sicherlich nicht. Er glaubt, die Post könne ohne die Subventionen über die Runden kommen. Was die Zukunft von DPD anbelangt, ist Champoud ein sicherer Wert. Auch wenn er nie ein richtiger Pöstler war: Seine Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit typische Attribute der Postangestellten sind unübersehbar.

Champoud: «Ich sorge für Kontinuität, gehe aber meinen eigenen Weg mit meinem eigenen Stil. Doch es geht mir nicht darum, meinen eigenen Stempel aufzudrücken», sagt der Mann, der zufällig Pöstler geworden ist.



Profil

Name: Georges Champoud

Funktion: Generaldirektor DPD (Schweiz)

Alter: 54

Wohnort: Dübendorf

Familie: Geschieden, 3 Kinder

Karriere

1966-1971 Verkehrsschule St. Gallen/kaufm. Postlehre

1971-1977 Post-Logistik

1977-1991 Führungsfunktionen internationales Postwesen PTT

1991-1998 Chef Post-Generalstab 19992001 Postnetzchef VD, GE,VS

2001-2004 Generalsekretär DPD

Firma

DPD (Schweiz) wurde im Sommer 2001 von Jean-Noël Rey als 83,3%-ige Tochter der französischen GeoPost ins Leben gerufen. Die Paketpostfirma und zugleich grösste Konkurrentin der Post erzielt in der Schweiz mit rund 700 Angestellten einen Jahresumsatz von rund 100 Mio Fr. Im Business-to-Business-Bereich besitzt das Unternehmen mit Sitz in Dübendorf einen Markt-anteil von 17%. In das Geschäft mit Privatkunden ist DPD erst letzten Monat eingestiegen. Ziel ist es, in den nächsten Jahren, zusammen mit dem Papeterieverband, 300 bis 400 DPD-Shops zu eröffnen.