Was hat Panalpina vom Börsengang bisher profitiert, abgesehen von verstärkter Präsenz in Medien und Bankenkreisen?

Gerhard Fischer: Der Firma hat das in dieser kurzen Zeitspanne eigentlich noch nicht viel gebracht, ausser Zusatzkosten. Die Kotierung macht das operative Geschäft sicher nicht einfacher. Allerdings hat sie den grossen Vorteil, dass wir zu einer grösseren Transparenz verpflich-tet sind obwohl wir bereits vor dem IPO sehr offen waren. Der früheren Eignerin, der Ernst Göhner Stiftung, wurde dadurch viel Geld in die Kasse gespült. Zudem konnte sie das Klumpenrisiko verringern.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Geben Sie an der Generalversammlung vom 11. Mai den neuen CEO bekannt?

Fischer: Nein. Selbstverständlich haben wir valable Kandidaten. Doch das finale Assessment ist noch nicht abgeschlossen. Ich gehe aber nach wie vor davon aus, dass ich den neuen CEO im 1. Halbjahr bekannt geben kann und die Person im 2. Semester einsteigt.

Haben die für den CEO-Wechsel verantwortlichen Buchungsfehler Folgen, mit denen Sie Anfang Jahr nicht gerechnet hatten?

Fischer: Nein, sie haben sich weder auf den Unternehmenswert noch auf die diesjährigen Finanzziele ausgewirkt. Kunden haben wir auch nicht verloren. Im Gegenteil, wir konnten Neugeschäfte akquirieren. Doch die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft sind noch nicht ganz abgeschlossen. So viel wir wissen, gibt es keine neuen Erkenntnisse. Das Ganze war eine unglückliche Angelegenheit.

Den Aktienkurs beeinflusst hat sie nicht.

Fischer: Aber sie hat ein wenig an unserem Image gekratzt, und mir hat es sehr weh getan. Wir sind die letzten Jahrzehnte ohne Skandale über die Runden gekommen. Nachdem wir am 17. Dezember die erste Meldung über die Fehler erhalten haben, haben wir uns sofort entschieden, alles offen zu legen. Es hat sich niemand bereichert bei dem Fall, und es handelt sich nicht um Betrug im klassischen Sinne. Der fehlbare Mitarbeiter handelte aus einer falschen Ambition heraus. Er erinnert an einen Spieler im Casino, der ein wenig Geld verloren hat und weiter spielt, um es wieder wettzumachen.

Dennoch mussten Sie Bruno Sidler opfern. Sein Rücktritt wäre sowieso gefordert worden ...

Fischer: Was wir auch gesagt hätten, es wäre in jedem Fall falsch gewesen in dieser Situation. Nachdem Sidler gegangen war - nicht als Opfer -, hiess es, wieso den CEO wegen einem so kleinen Fall entlassen. Aber ohne massive Konsequenzen hätte es geheissen, dass Sanktionen notwendig seien, wenn einer 30% des Jahresgewinns in den Sand setze. Die Rücktrittsgründe waren nachvollziehbar, und die Annahme der Demission war aus damaliger und heutiger Sicht richtig

Was sind die Folgen für das Geschäft?

Fischer: Wenn solche Vorfälle geschehen, hat das viele personelle und strukturelle Konsequenzen. Wir haben die Firma durchleuchtet. Wenn man hätte feststellen müssen, dass der Vorfall kein Einzelfall war, dann hätte es sicher Aktionäre gegeben, die die Firma hätten verkaufen wollen. Das war nie ein Thema bis heute, aber dieses Damoklesschwert lag über uns. Wir gingen an die Börse, um selbstständig zu bleiben. Heute wissen wir auch eindeutig, dass es sich um einen Einzelfall handelte, der sich in dieser Form nicht wiederholen kann.

Die Logistikbranche befindet sich in einer Konsolidierungsphase. Kann sich Panalpina allein behaupten?

Fischer: Wenn der Stiftungsrat die Absicht gehabt hätte, die Firma zu verkaufen, dann wäre ein IPO nicht notwendig gewesen. Kaufinteressenten gab es genug. Aber die Stiftung, mich als deren Vizepräsident inbegriffen, ist sehr konservativ. Wir wollen die Arbeitsplätze und die Schweizer Qualität erhalten. Die Funktion einer Stiftung ist es nicht, ein Unternehmen mit 8 Mrd Fr. Umsatz und 13000 Angestellten zu kontrollieren. Eine Stiftung funktioniert eher etwas träge, sie will erhalten. Eine Firma wie Panalpina hingegen muss dynamisch sein.

Was steht auf Ihrer Einkaufsliste?

Fischer: Es gibt leider wenig attraktive Kaufobjekte. Gute Unternehmen sind zu teuer - und schlechte sind noch teuer-. Wir setzen auf natürliches Wachstum und akquirieren kleinere, spezialisierte Unternehmen, die uns ergänzen. Wir werden nicht zum Nischenplayer, dafür sind wir zu gross. Aber wir lassen uns nicht von Grosseinkäufen unserer Konkurrenz verleiten, etwa von Kühne+Nagel, die in den letzten Jahren um das Doppelte gewachsen ist, oder der Deutschen Post. Solange ich was zu sagen habe, verfolgen wir die bisherige Strategie.

Panalpina nimmt also in Kauf, dass Konkurrentin Kühne+Nagel besser abschneidet?

Fischer: Man kann die beiden Geschäftsmodelle eigentlich nicht mehr miteinander vergleichen. Deshalb kann man nicht sagen, dass Kühne+Nagel immer besser abschneidet. Nichtsdestotrotz, unsere sehr optimistische Wachstumsprognose werden wir einhalten.

Das heisst, ein zweistelliges Wachstum für 2006?

Fischer: Ja, sicher wachsen wir im zweistelligen Bereich. Mit dem 1. Quartal bin ich sehr zufrieden. Wir haben eindrücklich zugelegt. Das erste gilt als das schwierigste Quartal.

Panalpina will die Ebitda-Marge bis 2007 auf 16 bis 17,5 % steigern. Investieren wollen Sie vor allem im Öl- und Gasgeschäft, wo Panalpina Marktleaderin ist. Erwarten Sie von dort die Margensteigerung?

Fischer: Ja. Wir brauchen aber auch das Basisgeschäft. Nur dann können wir Spezialitäten anbieten. Wir brauchen die Multinationals für die Masse, und ganz wichtig sind für uns die vielen KMU-Kunden sowie die Kernindustrien Öl und Gas, Hightech- und andere Fokusindustrien das werden wir auch inskünftig fördern.

Können Sie bestätigen, dass wieder in Raffinerien und schwierige Exploration investiert wird?

Fischer: Selbstverständlich. Die Rohstoffkonzerne reinvestieren die Erlöse aus den hohen Ölpreisen, weil sie wissen, dass der Konsum weiter ansteigen wird.

Panalpina schreckt nicht vor kritischen Ländern wie Nigeria zurück. Arbeitet Panalpina dort on- oder nur offshore?

Fischer: Onshore-Bohrungen werden verstärkt zurückgehen, weil sie schwer vor Angriffen zu schützen sind. Die Offshore-Bohrinseln sind sicherer. Heute kann man ein paar tausend Meter tief bohren, sodass es möglich ist, im Meer immer weiter von der Küste entfernt zu fördern.

Zählen neben Agip, Exxon, Shell, BP, Chevron, Yukos, Halliburton auch chinesische und indische Firmen zu den Kunden?

Fischer: Unsere Kunden sind in erster Linie amerikanische, französische, italienische und englische Öl- und Gasfirmen, sie verfügen über grosses Know-how. In China und in Indien wird diese Technologie erst aufgebaut.

Die Chinesen sind im Sudan sehr aktiv ...

Fischer: Im Sudan sind wir nicht tätig.

Gibt es Kriterien, nach denen Panalpina gewisse Länder meidet?

Fischer: Wir können unseren Angestellten nicht zumuten, im Sudan für Panalpina Geld zu verdienen. Das ist mir zu gefährlich. Es ist dasselbe mit dem Irak. Wir erhalten viele Anfragen und Angebote, aufgrund derer wir uns im Irak etablieren könnten. Doch ich will das nicht. Wir haben bereits vor 20 Jahren aufgehört, mit dem Iran und dem Irak zu arbeiten. Es gibt gewisse Prinzipien, mit denen wir uns nicht identifizieren können. Da sind wir ganz streng.

Gilt dieselbe Strenge in der Luft- und Seefracht?

Fischer: Wir haben hohe Standards, auch bezüglich Waffentransporten. Diese führen wir nur durch, wenn alle Vorschriften eingehalten sind. Ein Beispiel dafür sind Transporte im Auftrag der Schweizer Regierung respektive des Militärdepartements VBS.

Bei den Warenströmen wird dem Interasia-Verkehr das höchste Wachstum der nächsten Jahre zugesprochen. Wie stark ist Panalpina dort präsent?

Fischer: In China haben wir eine A-Lizenz und 14 Niederlassungen. Klar wollen wir dort wachsen. Aber unsere Geschäftsphilosophie ist eine Interkontinentalstrategie. Der Interasia-Verkehr ist ein sehr lukrativer Verkehr. Allerdings, die Chinesen sind dort sehr stark engagiert. Die Geschäftsleute in Malaysia, Singapur, Thailand, Vietnam und Indonesien sind mehrheitlich Chinesen. In diesen Ländern ist das Transportgeschäft zu einem grossen Teil in den Händen chinesischstämmiger Leute. Da haben westliche Firmen einen schweren Stand.

-----

Steckbrief

Name: Gerhard Fischer

Funktion: Präsident Verwaltungsrat und Interims-CEO Panalpina, Mitglied Ernst Göhner Stiftung (Panalpina-Hauptaktionärin mit 43%)

Alter: 73

Wohnort: Basel, Küsnacht

Familie: Verheiratet, drei Kinder

Karriere:

- 1964-1987 Diverse Funktionen bei Panalpina in der Schweiz, Asien, Afrika

- 1987-1998 CEO Panalpina

- 1995- heute Verwaltungsratspräsident von Panalpina

- 2006-heute Interims-CEO Panalpina