Das Zürcher Obergericht hat zwei Credit-Suisse-Kunden Recht gegeben, die ihre Dossiers einsehen wollen. Ob die Grossbank das kantonale Urteil ans Bundesgericht weiterzieht, ist noch offen.
Ein CS-Sprecher bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda einen entsprechenden Bericht des «Tages-Anzeigers». Die CS habe das Urteil zur Kenntnis genommen. Der Entscheid und die Begründung würden nun sorgfältig geprüft. Die Bank hat 30 Tage Zeit, um über einen Weiterzug ans Bundesgericht zu entscheiden.
Der Streit dreht sich darum, ob die Bank hochspekulative Geschäfte, bei denen die Anleger viel Geld verloren haben, eigenmächtig getätigt hat oder im Auftrag der beiden Kunden. Aufschluss geben würden die Unterlagen, welche die Bank aber nicht herausgeben will.
Erste die zweite Instanz gibt Klägern recht
Die beiden Anleger versuchten, auf gerichtlichem Weg, das Recht auf ihre Daten zu erhalten. Sie beriefen sich auf das Eidgenössische Datenschutzgesetz, wonach jede Person vom Akteninhaber Einsicht in die eigenen Daten verlangen darf. Allerdings muss das Informationsinteresse des Antragsstellers das Interesse der anderen Seite an der Einsichtverweigerung überwiegen.
Die CS machte denn auch geltend, die beiden Kunden strebten einzig eine hohe Schadenersatzzahlung an. Dies zu verhindern, wiege schwerer als das Interesse der Anleger an der Einsichtnahme. Das Bezirksgericht Zürich sah dies im April 2010 ebenso. Es wies die Klage ab.
Die abgeblitzten Kläger zogen das Urteil ans Obergericht weiter. Dieses folgte nun ihrer Argumentation. Es stiess das erstinstanzliche Urteil um und wies die CS an, die verlangte Einsicht zu gewähren.
Datenschutzgesetz für eine Bank verbindlich
Das Recht auf Einsicht in die eigenen Bankunterlagen ist seit Jahren umstritten. Namentlich im Zusammenhang mit der Lehman-Brothers-Pleite wurde es von vielen geprellten Anlegern verlangt.
Eine verbindliche rechtliche Regelung fehlt bis anhin. Das Zürcher Obergericht ist das erste Gericht, welches das Datenschutzgesetz auch für eine Bank verbindlich erklärt hat. Noch ist das Urteil allerdings nicht rechtsgültig.
Von den Banken wird die Datenherausgabe sehr unterschiedlich gehandhabt. Wie Bankenombudsmann Hanspeter Häni der sda sagte, geben manche alles heraus, andere nichts. Dies werde so bleiben, solange das Bundesgericht nicht einen Entscheid gefällt habe. Sinn mache die Herausgabe allerdings nur, wenn sie der Lösung eines Problems oder eines Konflikts diene und nicht bloss Neugier befriedigen solle.
«Ein Meilenstein»
«Sehr erfreut» ist dagegen Calista Fischer, Sprecherin der Anleger-Selbsthilfe. Sie begrüsse den Entscheid als «Meilenstein für alle Banken» im Umgang mit Kunden.
Es sei nicht einzusehen, weshalb ein Patient zwar alle seine Krankendaten einsehen dürfe, nicht aber ein Kleinanleger seine Bankakten. Am besten wäre es laut Fischer, sämtliche Beratungsgespräche aufzunehmen und dem Kunden auf CD zur Verfügung zu stellen.
Datenschützer Francis Meyer sprach von einem Grundsatzurteil. Der eidgenössische Datenschützer sehe sich in seiner Position bestätigt, wonach jeder Kunde ein Recht auf Auskunft auch von Banken habe. Noch müsse man zwar abwarten, wie das Bundesgericht auf einen allfälligen Weiterzug hin urteile. Es gebe aber gute Gründe für eine Bestätigung des Obergerichts-Urteils.
Müssen die Banken ihre Bücher öffnen?
Auch für den Rechtsvertreter der beiden Kläger, Oliver Gnehm, ist das Obergerichtsurteil von grosser Bedeutung. Es entspreche dem Sinn des Datenschutzgesetzes. Er schaut deshalb einem allfälligen Weiterzug zuversichtlich entgegen.
Für die Banken würde eine Urteils-Bestätigung eine Praxisänderung bedeuten, das wäre unangenehm für sie, räumte Gnehm ein. Sie wären dann künftig «verpflichtet, Bücher zu öffnen, an deren Öffnung sie nie gedacht haben».
(tno/rcv/sda)