Endlich ist wieder Winter. Daniel Frutiger steigt an diesem kalten Morgen in sein Auto und startet den Motor. Vom Himmel fallen Schneeflocken. Frutiger hat gute Laune, denn jetzt herrscht wieder Zaugg-Wetter. So nennen er und seine Mitarbeiter stürmische, schneereiche Tage.

Das Unternehmen Zaugg im bernischen Eggiwil stellt Schneeräumungsgeräte für Strassen, Flughäfen und die Bahn her. Das Geschäft boomt, in diesem Winter ganz besonders. «Wir werden mit Anfragen überrannt», sagt Firmenchef Frutiger. Für 2011 erwartet er steigende Umsätze von 20 bis 25 Prozent. Bereits die letzten drei Winter waren für die Firma gut, sie waren lang und kalt. «Für uns ist wichtig, dass der Wintereinbruch jeweils früh kommt. Dann hat unsere Kundschaft wirklich das Gefühl, dass sie unsere Produkte braucht», so Frutiger.

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Verkehrschaos ist beste Werbung

Der gegenwärtige Winter war trotz der milden Temperaturen im Februar beste Werbung für Zaugg. Im Januar blieben Autobahnen gesperrt, Fluggesellschaften sagten Tausende von Flügen ab, massive Verspätungen brachten in Nordeuropa den Eisenbahnverkehr zum Erliegen. Die Schneemassen und chaotischen Verkehrsverhältnisse kurbelten den Verkauf der Produkte an. Zur Palette gehört die kleine Schneefrässchleuder mit 42 PS, die eine Person bedient, genauso wie die selbst fahrende Schneefrässchleuder mit 600 PS, die drei Meter breit ist und pro Stunde 5000 Tonnen Schnee räumt.

Im letzten Jahr beschloss Frutiger, auf die Karte Expansion und Flughäfen zu setzen. Denn weltweit rüsten die Airports auf und kaufen immer mehr neue Schneeräumgeräte, die auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind. Der Flughafen Genf etwa hat diesen Winter zwei Spezialschneeräumgeräte aus Kanada importiert. Zugekauft hat ebenfalls der Flughafen Zürich. Frutiger will sich in diesem Segment ein «Stück des Kuchens abschneiden». Das Unternehmen hat zum Beispiel drei Schneefrässchleudern und sechs Schneepflüge an den Amsterdamer Flughafen Schiphol verkauft und ist mit weiteren Flughäfen in Kontakt. Deswegen übernahm Zaugg von Bucher Municipal, einem Anbieter von Kommunalfahrzeugen zur Reinigung und Schneeräumung, den Teilbereich Flugfeldkehrblasgeräte und die selbst fahrenden Schneefrässchleudern der Marke Rolba.

Das Emmentaler Unternehmen musste sich in eine zweite Produktionsstätte einmieten, wo die neuen Geräte teilweise hergestellt werden. 2010 entstanden 12 neue Arbeitsplätze, seit der Jahrtausendwende 100. Heute beschäftigt die 1893 gegründete Zaugg 145 Mitarbeiter und setzt über 30 Millionen Franken um. Am Standort Eggiwil will Chef Frutiger festhalten.

Aus dem beschaulichen Emmental exportiert Zaugg inzwischen in alle Welt. Der Exportanteil verdoppelte sich in den letzten 20 Jahren. Die Strategie ist einfach: «Wir sind überall da, wo es Schnee gibt», sagt Frutiger. Dank dem Händlernetz hat er Kunden zum Beispiel in Norilsk, im fernen Sibirien, im bergigen Kaschmir oder in Norwegen, wo die Staatsbahn Zauggs Schneepflüge und Schneefrässchleudern benutzt. Eine Spezialität sind die Fräsen, welche die höchsten Halfpipes der Welt erstellen können und vor allem in Nordamerika guten Absatz finden.

Starker Heimmarkt Schweiz

Keine Sorge bereitet der starke Franken. Er habe das Exportgeschäft nicht wirklich negativ beeinflusst, so Frutiger. Die Firma kauft einzelne Teile wie Dieselmotoren in der Euro-Zone und verwendet den Euro wieder. Ausserdem profitiert Zaugg vom starken Heimmarkt Schweiz, der immer noch 60 Prozent ausmacht. Die Jungfraubahn ist ein wichtiger Kunde. «Unsere Schneeräumgeräte sind unten im Mittelland wie hoch oben auf der Terrasse im Einsatz», sagt Frutiger.

Vor allem Grosskunden stehen auf der Kundenliste. Kleinere, billigere Geräte für Privatpersonen herzustellen sei weniger lukrativ. «In diesem Bereich kommt die Masse aus dem Ausland», so Frutiger. Die Zaugg-Qualität muss man auch bezahlen können. Ein Kehrblasgerät für Flughäfen kann bis zu 600 000 Franken kosten, eine Schneefrässchleuder, die man an einen Traktor anhängen kann, aber nur zwischen 10 000 und 45 000 Franken.

Die meisten Schneeräumgeräte bei Zaugg sind massgefertigt. Jedes Produkt wird den Kundenwünschen entsprechend gebaut. Landschaft, Klima, Fahrzeug, Nutzen sind alles Faktoren, die beim Planen, Konstruieren und Montieren eine Rolle spielen. In der Produktionsstätte in Eggiwil wird denn auch fast alles von Hand bearbeitet: Alle Angestellten arbeiten in der grossen Werkhalle an einzelnen Teilelementen der Schneeräumungsgeräte.

In den Fabrikationshallen wird geschweisst, gefräst, poliert. Funken sprühen von rechts, links wird gedrechselt. «Nichts wird am Laufband gefertigt», erklärt Exportchef Rolf Egli. Sogar die rote und orange Farbe der Pflüge und Fräsen wird sorgfältig für den Finish von Hand aufgepinselt. In einer Ecke steht die rund drei Meter hohe Schneefrässchleuder, die in den nächsten Wochen der Rhätischen Bahn geliefert werden soll. Das Gehäuse der dazugehörigen Kabine steht daneben. Es dauert mehrere Monate, um ein Gerät fertigzustellen. Für grössere Projekte wie die Kehrblasgeräte für Flughäfen braucht Zaugg sechs bis acht Monate.

Aufträge sollten dementsprechend frühzeitig kommen. «Wir sind darauf angewiesen, dass wir schon im Frühjahr mit der Produktion beginnen können. Ansonsten sind wir nicht in der Lage, alle Geräte rechtzeitig auszuliefern», sagt Frutiger. Angesichts der Schneemassen hatte der Flughafen Genf im Januar kurzfristig bei Zaugg Alarm geschlagen und wegen Maschinen für die Pistenräumung angefragt. Ein Ding der Unmöglichkeit: Solche spezifischen und teuren Geräte hatte man nicht an Lager.

In Eggiwil freut man sich, dass der Winter nochmals Zaugg-Wetter bringt. Dann darf Frutiger mit zusätzlichen Bestellungen für den nächsten Winter rechnen.