Moderne IT- und Kommunikationssysteme sind heute in der schweizerischen Gesundheitsversorgung vielerorts im Einsatz und haben zu Prozessverbesserungen geführt. Oftmals sind diese Prozesse aber auf einzelne Abteilungen oder Tätigkeitsbereiche beschränkt. Eine übergreifende Kommunikation existiert meist nur in Papierform, was zu Doppelspurigkeiten führen kann.

Die Grundvoraussetzungen für eine Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen sind die Prozess- und IT-Standardisierung sowie die durchgängige elektronische Vernetzung aller beteiligten Akteure. Hier kommt die Gesundheitskarte ins Spiel. Sie ist mehr als nur eine Karte, die der Identifizierung und Authentifizierung dient, sondern steht zusätzlich als Begriff für ein voll ausgebautes, elektronisches Gesundheitsnetzwerk.

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Zentrales Element dieses Netzwerks ist die elektronische Patientenakte, die in mandantenfähigen Datenbanken mit höchster Sicherheit und Verfügbarkeit gespeichert wird. Die elektronische Patientenakte beinhaltet die Krankengeschichte des Patienten mit sämtlichen Behandlungs- und Abrechnungsdaten, der Medikation und eine Dokumentation aller Zugriffe auf die Akte. Die Telematik-Infrastruktur umfasst weitere umfangreiche Datenbanken, zum Beispiel Leitlinien zu Diagnose und Therapie sowie Informationen zu Arzneimitteln und deren Wechselwirkungen.

Eine leistungsfähige und sichere Netzinfrastruktur ermöglicht den schnellen Datenaustausch zwischen den Datenbanken der einzelnen Leistungserbringer. Der durch Verschlüsselung gesicherte Zugang zur elektronischen Patientenakte erfolgt über die Gesundheitskarte des Patienten zusammen mit der Health Professional Card (HPC) des Arztes.

Patient und Arzt müssen sich dabei authentifizieren. Im Weiteren enthält die Karte auch einen Notfalldatensatz mit den wichtigsten Vitaldaten (Blutgruppe, Allergien). Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ändert sich mit der neuen Lösung nur wenig. Der Arzt wird nach kurzem Vorgespräch mit dem Patienten dessen elektronische Akte aufrufen, wozu ihn der Patient durch Einführen seiner Gesundheitskarte in ein Lesegerät ermächtigt. Intelligente Software sorgt dafür, dass der Arzt innerhalb von Sekunden alle relevanten Informationen erhält.

Keine Zukunftsmusik

Die Verschreibung von Arzneimitteln wird unter Einbindung der Patientenakte und von Datenbanken automatisch auf Kontraindikationen geprüft und bei multiplen Erkrankungen in ihrer Gesamtwirkung auf den Patienten optimiert. Der Arzt diktiert Befund, seine erbrachte Leistung und eine Verordnung von Arzneimitteln in die elektronische Patientenakte. Behandlung, Dokumentation (Arztbrief, Operationsbericht) und Abrechnung werden so in einem Prozessschritt und ohne Medienbrüche erledigt. Die Apotheke greift bei der Ausgabe von Medikamenten auf das Rezept zurück, das bei der ärztlichen Behandlung in der elektronischen Patientenakte hinterlegt wurde.

Das oben beschriebene Szenario ist nicht blosse Zukunftsmusik. Die elektronische Archivierung von Patientendaten findet bereits heute in einer Reihe von Schweizer Kliniken statt und auch Diagnostikdaten werden teilweise elektronisch übermittelt. Alle erforderlichen Technologien wären verfügbar. Die grössten Hürden sind also nicht technischer, sondern politischer Natur. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass bei der Einführung einer Gesundheitskarte wichtige Punkte sehr früh auf politischer Ebene diskutiert werden müssen. Höchste Priorität muss dabei der Datensicherheit eingeräumt werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die notwendige Einigung auf ein für alle gültiges und optimal nutzbares Datenformat. Diese Diskussion muss mit sämtlichen Akteuren, die im schweizerischen Gesundheitswesen aktiv sind, geführt werden.

Vorleistungen müssen vom Staat erbracht werden

Bleibt noch die Diskussion um die Kostenträgerschaft bei diesem Projekt, das sehr hohe Investitionen nötig macht. Dass dabei der Staat (allenfalls zusammen mit privaten Investoren) die wesentlichen Vorleistungen tätigen muss, scheint in Anbetracht der Grösse und Komplexität des Projektes und der Zusammensetzung der beteiligten Akteure unbestritten. Ebenso unbestritten wie die Vorteile, die eine Gesundheitskarte mit sich bringen würde. Die Versicherten/Patienten könnten von besseren medizinischen Leistungen (schnellere Diagnosen, ganzheitliche Behandlungsansätze) und deutlich langsamer steigenden Krankenkassenprämien profitieren sowie auf Leistungspakete zurückgreifen, die auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Bevor die konkrete Umsetzung eines Gesundheitsnetzwerkes in der Schweiz an die Hand genommen werden kann, müssen noch einige offene Punkte diskutiert werden. Das Wichtigste ist jedoch, dass die Aufklärung des Bürgers über Vor- und Nachteile, über Sinn und Unsinn, über Kosten und Kosteneinsparungen eines modernen, elektronisch vernetzten und transparenten Systems als Erstes angegangen werden muss. Dazu bedarf es Politiker und Parteien, die das Thema aktiv angehen und die politische Diskussion in Gang bringen.

Marco Beng, Leiter Key Account Management Healthcare, Siemens Schweiz AG.



Veranstaltungshinweis

Mehr zum Thema können Interessierte im Rahmen des 5. Schweizerischen eHealthcare Kongresses vom 25. und 26. Okt. 2005 erfahren, wo der «Gesundheits- und Versichertenkarte» mehrere Expertenreferate gewidmet sind.



Flexibles System: So funktioniert die Patientenkarte

Durch Identifizierung und Authentifizierung mittels Karte (2) kann über das Gesundheitsnetzwerk (3) auf die Datenbanken (1) der Dienstleistungserbringer (für medizinische Daten) und der Krankenkassen (für administrative Daten) zugegriffen werden. Die Flexibilität des Systems ermöglicht die Implementierung beliebig vieler weiterer nützlicher Applikationen (4), wie etwa elektronisches Rezept, Zugriff auf medizinische Informationssysteme, Überprüfung von Medikamentenunverträglichkeiten und Ähnliches.

Damit ist der Investitionsschutz gewährleistet und zukünftige Bedürfnisse können sicher und einfach zu dem Zeitpunkt abgedeckt werden, an dem sie benötigt werden.