In seiner Gründerzeit stand Getyourguide öfters mit dem Rücken zur Wand: «Zwischen 2010 und 2014 waren wir einmal im Jahr pleite», erinnert sich Getyourguide-Chef Johannes Reck an klamme Tage im Zürcher Technopark.
Immerhin stimmten damals die Rahmenbedingungen: In der Erholungsphase nach der Finanzkrise florierte der Reisemarkt. Aktuell aber liegt das Geschäft grösstenteils flach.
Umsatz: «Null, wirklich null»
Im Jahr eins der Covid-Krise wurde es für das Schweizer Tourenportal wieder existenziell: «Mitte März war unser Umsatz bei null, wirklich null» gestand Reck jüngst dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», «beim Aufwachen fragte ich mich, ob das real sein kann; ich fühlte mich wie in einer parallelen Matrix.»
Nach einer aufsehenerregenden Finanzrunde, die 2019 einen Frischgeldzufluss von über 400 Millionen Euro brachte, hätte 2020 zum Jahr des grossen Durchstartens für Getyourguide werden sollen. Eben erst hatte das Unternehmen noch einen neuen Firmensitz im Berliner Viertel Prenzlauer Berg mit Platz für 800 Mitarbeitende bezogen. Nun muss Langstreckenläufer Reck die Online-Firma mit Massnahmen wie Kurzarbeit, Management-Lohnstreichungen und Umwandlung von Mitarbeitergehältern in rabattierte Firmenanteile über die Runden bringen.
«Google stiehlt Inhalte»
Was Reck zusätzlich Nerven kostet: Er fühlt sich von Google einerseits im Stich gelassen – und andererseits bedroht. Dass der Such-Gigant millionenschwere Beträge nicht teilrückerstatten will, die Getyourguide in Online-Werbung gesteckt hatte für Reisen, die nun nicht stattfinden können, ist dabei der kleinere Teil.
Der grössere Teil: Google nutze Daten von Getyourguide, um selber eigene Touristik-Angebote aufzuschalten. Reck hat sich in dieser Sache mit anderen Unternehmen wie Trivago (Hotel-Metasuche), Flix Mobility (Flixbus), Omio (Transportsuche, vormals GoEuro) und HomeToGo (Metasuche für Ferienunterkünfte) zusammengetan. «Google stiehlt Inhalte und Daten von seinen Partnern im Reisemarkt, um mit ihnen in Konkurrenz zu treten», schreibt das Tech-Quintett gemäss «Handelsblatt» in einem Positionspapier.
HomeToGo-Chef Patrick Andrä habe dazu eine Wettbewerbsbeschwerde bei der EU-Kommission eingereicht.Wird dieser Sachverhalt, den Google bestreitet, genauer untersucht, könnte das Signalwirkung für weitere Branchen und Geschäftszweige haben. Das Silicon-Valley-Prinzip des Gewinners, der sich alles krallt («Winner takes it all») wäre so auf den Prüfstand gestellt.
Immer eine gewisse Grundangst vor Google gehabt
Mit Schweizer Medien spricht Getyourguide aktuell nicht zu dieser Sache. Neu ist die digitale Drohkulisse für Reck hingegen nicht. Ob er Angst vor Google habe, fragte ihn die «Handelszeitung» 2018 in Berlin. Reck malte das grosse Bild damals so: «Jedes Internet-Unternehmen ist gut beraten, eine gewisse Grundangst vor Google zu haben», aber in diesem Falle glaube er nicht, dass die Firma selber ins Reisegeschäft einsteige.
Recks Kalkül: «Für Google ist es attraktiver, über das Werbegeschäft am Boom zu partizipieren, statt selber operativ tätig zu werden.» Jetzt hat sich die sich die Grundangst materialisiert.
Überleben mittelfristig gesichert
Für das eigene Unternehmen hingegen, das immer mal wieder als Börsenkandidat gehandelt wurde, vertraut Reck vorderhand auf sein Grundvertrauen. Trotz der Covid-Baisse und der ungewissen weiteren Entwicklung der Pandemie ist die aktuelle Lage offenbar nicht so existenziell wie in den Gründerjahren.
Dem «Spiegel» sagt es Getyourguide-CEO Reck so: Mit weiteren Einsparungen, stattlichen Hilfen und dem Frischgeld von 2019 könne Getyourguide «selbst im ungünstigsten Fall zwei, drei Jahre überleben.»