Der entscheidende Mann war nicht mal vor Ort im Ringen um die Betreibergesellschaft HHLA des Hamburger Hafens: Gianluigi Aponte (83), Gründer und Eigner von MSC, der grössten Reederei der Welt, sass vermutlich im fernen Genf in seinem dunkelgrünen Büroglaswürfel. Und freute sich über seinen neuesten Coup.
Am Donnerstag verkündete Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher gemeinsam mit dem MSC-Chef Søren Toft den überraschenden Deal: Apontes MSC soll mit 49,9 Prozent beim Hafenbetreiber HHLA einsteigen. Die Stadt Hamburg bleibt zwar Mehrheitseigentümer, verbündet sich aber mit dem verschwiegenen und schwerreichen Reedereigründer mit Sitz in Genf, den ausserhalb des Logistikwesens kaum jemand kennt.
Vom einfachen Matrosen zum Reedereimilliardär
Apontes Reich umfasst ein Riesenimperium, denn die Mediterranean Shipping Company (MSC) hat eine Flotte von 730 Schiffen, die mehr als 4,8 Millionen Container befördern können. Der gebürtige Italiener stieg vom einfachen Matrosen zum Reedereimilliardär auf. Und macht immer wieder mit spektakulären Deals Schlagzeilen. «Käpt’n Gnadenlos» nannte ihn einmal das deutsche «Manager Magazin»
Sein Coup in Hamburg bringt nun den anderen in der Schweiz wohnhaften Logistikmilliardär zur Weissglut: Klaus-Michael Kühne, der über seine private Holding rund 30 Prozent an der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd besitzt. Kühnes Reederei ist einer der grössten Kunde des Hamburger Hafens und wurde von Aponte ausgebootet. Kühne erwägt nun eine Gegenofferte. Und Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen drohte gegenüber «Reuters» schon einmal damit, dass die grösste deutsche Reederei Transportvolumen aus Hamburg abziehen könnte.
Und Aponte? Schwieg zu alldem. Der italienische Schiffskapitän, der von Genf aus sein Imperium steuert und dort ehrfurchtsvoll «Comandante» genannt wird, gibt so gut wie nie Interviews und hält sich auch sonst aus der Öffentlichkeit fern. Nur wenn eines seiner neuen Kreuzfahrtschiffe getauft wird, lässt er sich blicken. Denn zu MSC gehört nicht nur die Reederei, sondern auch die gleichnamige Kreuzfahrtgesellschaft. Bei den Schiffstaufen geht es durchaus glamourös zu. Immer mit dabei: die mit Aponte befreundete und von ihm bewunderte Filmdiva Sophia Loren.
Apontes Anfänge waren weniger glamourös: Er stammt aus einfachen Verhältnissen aus einer Kleinstadt am Golf von Neapel. Als er vier Jahre alt war, verlor er seinen Vater. Später heuerte er bei der Reederei Achille Lauro als Matrose an und arbeitete sich bis zum Kapitän hoch. Der Legende nach lernte er seine Frau Rafaela, Tochter eines Schweizer Bankiers, Ende der 60er-Jahre auf einer Fährenfahrt von Neapel nach Capri kennen. Aponte diente als erster Offizier auf dem Schiff.
Wegen ihr verliess er Italien und die Schifffahrt, zog nach Genf und versuchte sich als Banker. 1970 kündigte Gianluigi seinen Job bei der Bank, und das Paar nahm einen Kredit über 200’000 Dollar auf, um sein erstes Schiff zu kaufen, ein kleines Frachtschiff namens «Patricia». Noch im selben Jahr gründeten sie MSC in Genf und wuchsen immer weiter, indem sie gebrauchte Schiffe kauften und sich auf weniger befahrene Routen wie die von Europa nach Afrika konzentrierten. Bis 1979 hatten sie bereits 17 Schiffe in ihrer Flotte, und MSC entwickelte sich zu einer der grössten Reedereien der Welt.
Radikaler Schnitt in den 80er-Jahren
Ein Wendepunkt war das Jahr 1980: Die Apontes erkannten, dass die Zukunft im Seetransport den standardisierten Containern gehören würde. Sie verkauften die gesamte Flotte, um mit neuen Schiffen voll auf das junge Containergeschäft zu setzen. «Ohne diesen Schritt wäre ich sicher pleitegegangen», sagte Aponte vor Jahren gegenüber der «Bilanz». Heute ist die MSC-Containerflotte hinter Maersk die Nummer zwei der Welt.
Risikofreudig zeigte sich Aponte auch bei den Schiffsrouten. So war die MSC eine der wenigen Reedereien, die Schiffe nach Somalia schickte. Mehrjährige Verträge mit Grosskunden lehnt er ab, um stets von einem Preisaufschwung bei den Charterraten zu profitieren.
Kreuzfahrten als wichtiges zweites Standbein
Inzwischen ist MSC die einzige grosse Containerreederei, die auch ins Kreuzfahrtgeschäft eingestiegen ist. Der Schritt erfolgte aus Zufall: Anfang der 1990er-Jahre kauften die Apontes einem Freund, Achille Lauro, dessen Kreuzfahrtgesellschaft ab, um Lauro aus der Patsche zu helfen. Denn dessen Firma war in Schieflage geraten, weil ihr wichtigstes Schiff, die «Achille Lauro», 1985 von Terroristen entführt worden war. Die Apontes benannten die Gesellschaft zunächst in Star Lauro um, und daraus wurde dann MSC Cruises.
Als die Containerraten tief waren, konnte Aponte sein Unternehmen mit den Einnahmen aus dem Kreuzfahrtgeschäft über Wasser halten. Als die Spassschiffe in der Corona-Krise leer in den Häfen dümpelten, klingelten wiederum im Containerbusiness die Kassen.
Mehr als fünf Jahrzehnte nach der Gründung von MSC hat die Familie noch immer die Kontrolle über das Unternehmen. Gianluigi und Rafaela sind die einzigen Aktionäre mit einem Anteil von jeweils 50 Prozent. Gianluigi ist geschäftsführender Vorsitzender des Unternehmens, sein Sohn Diego ist Präsident. Rafaela gehört dem Vorstand der MSC-Stiftung an und ist für die Inneneinrichtung der Kreuzfahrtschiffe zuständig.
Doch auch Aponte muss Rückschläge hinnehmen: Im vergangenen Jahr wollte er gemeinsam mit der Lufthansa die Airline ITA Airways übernehmen, die Nachfolgerin der Alitalia. Das schlug fehl, Aponte stieg aus dem Projekt aus, und inzwischen ist die Lufthansa an der ITA beteiligt.
Die «Bilanz» schätzt das Vermögen der Familie Aponte auf knapp 20 Milliarden Franken, leicht hinter Kühne+Nagel-Grossaktionär Klaus-Michael Kühne. Doch das wird den gebürtigen Hamburger im Streit um den Hamburger Hafen wohl kaum trösten.
(ali mit Agenturmaterial)