Der Sommer naht - und Sommer bedeutet Glace-Saison. Rund 75% des Jahresumsatzes erwirtschaften die Eishersteller zwischen April und September. Ein Drittel davon geht auf das Konto der Glace-Verkäufe an Kiosken und in Schwimmbädern. Den Rest machen Gastronomie und Detailhandel.
Ausschlaggebend für den Umsatz ist heute mehr denn je der Faktor Wetter. Zwischen 25 und 30 Grad Celsius beträgt laut Marktführer Unilever die ideale Glace-Temperatur. Darunter ist es gemäss Mediensprecherin Anne Zwyssig zu kalt. Und bei Werten über 30 Grad steigt vor allem der Durst. Entsprechend kletterte im Rekordsommer 2003 der Umsatz um 9,4% auf 55,5 Mio l. Im nachfolgenden tristen Sommer fiel der Absatz um 10%. Im durchzogenen Jahr 2005 stagnierte der Umsatz bei 49,8 Mio l. Der Gesamtmarkt pendelt konstant um einen Jahresumsatz von rund 460 Mio Fr.
Grosse Wachstumssprünge machen wir nicht mehr», sagt Beat Hodler, der Geschäftsführer des Verbandes Schweizer Glace- und Eiscream-Fabrikanten. Das war lange Zeit anders. Zwischen 1969 und 1990 verdoppelte sich der Glace-Umsatz von 26 Mio auf 51 Mio l. Motor für dieses Wachstum sei die Verbreitung von Tiefkühlern in Privathaushalten gewesen, meint Hodler.
Konsum im Winter steigern
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Fertignahrungsfanatiker USA mit 22 konsumierten l Glace pro Kopf und Jahr weltweit auf Platz eins steht. Hoch ist der Eiskonsum ebenfalls in Skandinavien. Die Schweden konsumieren mit 14 l rund doppelt so viel Glace wie die Schweizer. Mit einem Verbrauch von 7,3 l pro Kopf und Jahr liegen die Eidgenossen im hinteren europäischen Mittelfeld.
«Wachsen können wir einzig noch, indem wir den Eiskonsum in der kalten Jahreszeit steigern», sagt Hodler. Dabei denkt er an Spezialitätendesserts wie Eistorten, die sich besonders für die winterlichen Festtage eignen. Langfristig hält Hodler hier eine Zunahme des Marktpotenzials um 5 bis 10% für möglich.
Ansonsten ist der Glacemarkt in der Schweiz eng. 94% der Glace werden industriell hergestellt, zum Grossteil von den drei Marktführern Migros, Unilever mit Lusso sowie Nestlé mit Frisco und Mövenpick. Im hart umkämpften Wettbewerbsumfeld ist Innovation gefragt: Bei Migros machen Neukreationen rund 20% des Eisumsatzes aus. Der orange Riese lanciert jedes Jahr rund 25 neue Produkte und nimmt ebenso viele wieder aus dem Sortiment. Zwischen 10 und 20 Produkte wechseln Unilever und Nestlé jeweils aus.
Immer wichtiger wird für die Branche der Aussenhandel. Profitiert hat die Glace-Industrie vom Abkommen mit der EU über die verarbeiteten Landwirtschaftsprodukte. Seit Inkrafttreten per 1. Februar haben sich die Ausfuhren auf 6158 t (12 Mio l) erhöht. Der Import lag mit 6978 t (13 Mio l) noch etwas höher. Er hat gegenüber dem Vorjahr um 22% zugenommen.
Erfolg von Spezialitäten
Für Experten unerwartet kommt der in den letzten Jahren zunehmende Erfolg von Nischenplayern. «Wahrscheinlich hat die Monopolisierung zu einer Eintönigkeit geführt», vermutet Hodler. Gleicher Meinung ist Heinz Entzeroth von Sorbetto in Zürich. Seit 20 Jahren verkauft der gelernte Koch hausgemachtes Eis, anfänglich als fliegender Händler mit Velo. Heute stellt er im Jahr über 37 t Eis her. Aufgrund der wachsenden Nachfrage stockte Sorbetto letztes Jahr den Mitarbeiterstab von vier auf sieben auf. Die über 50 Sorten Eis darunter Wasabi und Schlüsselblume verkauft Sorbetto inzwischen an rund 240 Gastronomiebetriebe und in exklusiven Detailhandelsgeschäften.
Ein ähnliches Konzept verfolgt das Berner Glace-Label Giolito. 80% des Umsatzes macht das junge Unternehmen im Gastgewerbe. 20% werden im ausgewählten Detailhandel abgesetzt. Dazu gehört unter anderem die Globus Delicatessa, die auch Sorbetto vertreibt. Wie Sorbetto setzt Giolito auf Spezialitäten wie Roseneis, Schokolade mit Chili oder Campari-Orangen-Glace.
Und wie Heinz Entzeroth ist auch Giolito-Geschäftsführer Hans Merki vom Erfolg überrumpelt worden. «Wir haben mit einer langsamen Entwicklung gerechnet und sind über das aktuelle Wachstum von Giolito überrascht», meint er. Für dieses Jahr erwartet Giolito eine Verdreifachung des Umsatzes.